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Lagebericht Friedemann Schmidt

Weniger Furcht, mehr Zuversicht

Anlässlich der Eröffnung des Deutschen Apothekertags ruft ABDA-Präsident Friedemann Schmidt die Apotheker auf, die Chancen der geplanten Apotheken-Reform zu nutzen. Einer erneuten Diskussion über ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Arzneimittel erteilt er eine klare Absage.
Ev Tebroke
25.09.2019  15:40 Uhr

Er war mit Spannung erwartet worden: Der Lagebericht des ABDA-Präsidenten Friedemann Schmidt zur Eröffnung des Deutschen Apothekertags (DAT) in Düsseldorf. Wie positioniert er sich zu der nun per Bundesratsvotum neu befeuerten Debatte um die Forderung eines Versandverbots für verschreibungspflichtige Medikamente? Welche Perspektiven zeigt er auf?

Schmidts Botschaft ist klar: Es gilt, das politische Angebot des Apotheken-Stärkungsgesetzes anzunehmen, das Bestmögliche herauszuholen, und die sich damit bietenden Chancen zu nutzen. Und vor allem: Eine erneute Diskussion eines Rx-Versandverbots ist nicht gewünscht, denn sie hat laut Schmidt keine Zukunft. Ein solches Verbot sei zwar nach wie vor die beste Option, aber europarechtlich nicht umsetzbar, betonte er erneut. Stattdessen birgt sie die Gefahr, dass die Apotheker am Ende – nach jahrelangen Diskussionen um diese Frage – mit nichts dastehen. Schmidt rief die Apotheker auf, gemeinsam das Beste aus dem aktuellen politischen Angebot zu machen und sich nicht an Altbekanntes zu klammern.

Sein Appell: »Dass wir uns fokussieren auf das, was wir können, was nur wir können, was uns einzigartig und unverzichtbar macht. Dass wir uns nicht blind klammern an einen regulatorischen Rahmen, den wir nicht selbst gestalten können, sondern bei dem wir abhängig sind vom Wohlwollen politischer und gesellschaftlicher Kräfte. Ein Wohlwollen, das wir über Jahrzehnte erkaufen mussten, auch mit wirtschaftlichen Zugeständnissen und dem Verzicht auf neue Optionen für die Zukunft.«

Zwei Lager in der Apothekerschaft

Die Stimmung in der Apothekerschaft ist mehr als angespannt, die Lager sind geteilt: Viele Apotheker hoffen schnellstmöglich auf eine Umsetzung der im Apotheken-Stärkungsgesetz angelegten Reformen und erwarten dringend ordnungspolitische Korrekturen gegen den Wettbewerbsvorteil der EU-Versender. Seit drei Jahren, seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Jahr 2016, gilt für die Versandkonkurrenz aus dem EU-Ausland bei verschreibungspflichtigen Medikamenten auf dem deutschen Markt keine Preisbindung mehr. Die Vor-Ort-Apotheken fürchten, dass immer mehr Patienten online kaufen statt in der Offizin.

Andere pochen derweil weiterhin und unermüdlich auf die Umsetzung eines Versandverbots für verschreibungspflichtige Medikamente. Diese Option hatte schon der damalige Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) nicht in ein Gesetz gießen können, war am Widerstand in den eigenen Reihen und innerhalb der Koalition gescheitert. Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte mehrfach betont, für ein Verbot keinen politischen Rückhalt zu finden. Nun hat die Länderkammer das Thema erneut befeuert und dem Bundestag per Beschluss empfohlen, das Verbot auf den Weg zu bringen. Dies würde eine erneute Diskussion bedeuten, die Apotheken-Reform würde sich erneut verzögern.

Schmidt verdeutlichte die, wie er es formulierte »Penetranz der negativen Reste«, diese vorherrschende Haltung, beim Erreichen eines bestimmten Zielpunkts den Fokus auf das Fehlende, Defizitäre des Ergebnisses zu lenken, statt auf die Errungenschaften, am Beispiel der Digitalisierung. »Was wir vor allem diskutieren, ist nicht das Erreichte, sind nicht die Chancen, sondern die Risiken der Entwicklung: Wir fürchten die Plattform-Ökonomie, die Datenkraken, die Entmenschlichung der Versorgung, den Verlust der eigenen heilberuflichen Identität durch disruptiv wirkende digitale Innovationen. Nicht die Utopie, sondern die Dystopie bestimmt vor allem unser Denken beim Stichwort E-Health.« 

Er räumte ein, dass es für freie Berufe und hier vor allem für kleine Betriebe immer schwieriger wird. »Das liegt auch an der Wirtschaftspolitik, die in Deutschland und Europa heute mehr denn je Industriepolitik ist,« so Schmidt. Regulatorik und gesetzlicher Rahmen nähmen trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse keine Rücksicht auf die Bedürfnisse kleiner und kleinster Unternehmen, sie bedienten die Interessen und orientierten sich an den Möglichkeiten des größeren Mittelstandes und der Großunternehmen. »Selbstständige Berufsausübung allein und in voller Verantwortung ist kein attraktives Berufsmodell mehr, kooperative Berufsausübungsformen sind für viele die Lösung«, betonte der ABDA-Präsident.

Vor diesem Hintergrund mahnte er zu Selbstbewusstsein und Selbstgewissheit: »Wir Apotheker werden gebraucht, und wir werden gefragt. Das ist heute so und das wird auch so bleiben.« Im Umgang mit Menschen sei neben Professionalität auch immer Empathie gefragt, soziales Empfinden und Kreativität. Das sei von Maschinen nicht leistbar. Auch die aktuelle Versorgungsrealität etwa die Bewältigung der Valsartan-Krise im vergangenen Jahr oder das tägliche Management von abertausenden Lieferengpässen zeige die Unverzichtbarkeit der Offizinen vor Ort. »Wir sind es, die den Arzneimittelversorgungsladen trotz aller Schwierigkeiten am Laufen halten, die Karre immer wieder aus dem Dreck ziehen, mit unserer Professionalität und unserer Menschlichkeit. Weil wir es wollen und weil wir es können. Das genau ist unsere Profession.«

Klarer regulatorischer Rahmen

Die Apotheker seien es, die dem Patienten in einem fast komplett durchökonomisierten und durchbürokratisierten System das Gefühl gäben, willkommen zu sein mit ihren Leiden und Schwierigkeiten, als kranke Menschen, aber vor allem als Menschen wahrgenommen und ernstgenommen zu werden. Für den Erhalt der Vor-Ort-Apotheken forderte Schmidt einen klaren regulatorischen Rahmen, der Transparenz und Diskriminierungsfreiheit garantiert. Im Entwurf des Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetzes gebe es dafür gute Ansätze. Denn es antizipiere die zukünftige Versorgung unter den Bedingungen des E-Rezepts. Es denke Regeln gegen die Steuerung von Patienten und das Makeln von Rezepten mit. »Für uns ein elementarer Punkt«, so Schmidt. Und er war sich sicher: Das Vertrauen des Patienten in den Apotheker vor Ort wird auch in Zukunft den Erhalt der Offizinen sichern.

Den Leitsatz »Struktur vor Geld« hält der ABDA-Präsident nach eigenen Angaben mittlerweile für falsch. Denn gerade weil die Apotheker die ordnungspolitische Struktur nicht selbst bestimmen können, sollten sie nach neuen Möglichkeiten schauen, zur wirtschaftlichen Verbesserung in Teilbereichen der apothekerlichen Arbeit. Es bedürfe fairer Wettbewerbsregeln, »die dem besonderen Charakter des Arzneimittels entsprechen und zugleich dem unterschiedlichen Charakter von Regelversorgung aus der Apotheke und Ausnahmeversorgung vom Versandhändler Rechnung tragen, und zwar regulatorisch und wirtschaftlich«. Im aktuellen Gesetzgebungsprozess gebe es viele gute Ansätze für solche Regeln.  Es wäre zwar nur ein erster Schritt, so Schmidt. »Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.«

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