Was müssen Apotheken bei der Versorgung von Geflüchteten beachten? |
Insbesondere in Berlin kommen derzeit täglich tausende Menschen an, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen. Die Geflüchteten haben dabei auch Anspruch auf eine Versorgung mit Arzneimitteln. / Foto: IMAGO/Marius Schwarz
Mittlerweile sind in Deutschland offiziell rund 218.000 Geflüchtete aus der Ukraine angekommen, darunter vor allem Frauen, Kinder und Ältere. Darüber informierte das Bundesinnenministerium am Sonntag per Twitter. Allerdings dürfte die tatsächliche Zahl der Geflüchteten deutlich höher sein, denn nicht alle, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, haben sich in Deutschland entsprechend bei den Behörden registriert. Die Menschen, haben neben dem Anspruch auf Schutz oder Unterbringung auch einen Anspruch auf medizinische Versorgung und damit auch auf eine Versorgung mit Arzneimitteln. Geflüchtete haben auch Zugang zu Covid-19-Tests und Impfungen.
Bezüglich dieser Versorgung gibt es derzeit aber kein bundeseinheitliches Vorgehen. Zwar hatte Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) bereits angekündigt, dass er gemeinsam mit der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) an einer Klarstellung arbeite, das die Geflüchteten Anspruch auf alle Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und nicht wie bislang nur auf einige, beschränkte Leistungen haben sollen. Offenbar ist diese aber noch nicht erfolgt. Bis dahin haben alle Geflüchteten Anspruch auf bestimmte medizinische Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) informierte bereits über eine Übergangslösung der medizinischen Versorgung.
Allerdings handhaben die einzelnen Bundesländer die medizinische Versorgung und vor allem die Abrechnungsweisen von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nach AsylbLG unterschiedlich. So geben bereits seit einigen Jahren neun Bundesländer Geflüchteten eine elektronische Gesundheitskarte (EGK) einer Kasse aus. Die Abrechnung von Rezepten erfolgt damit also in diesen Fällen nicht über die Kommunen, sondern direkt über die entsprechenden Kassen. Beispielsweise in Hamburg wird das so gehandhabt. Zwar haben die Behörden in Hamburg noch nicht gesondert Stellung zu den Geflüchteten aus der Ukraine genommen, allerdings haben diese dennoch Anspruch auf Versorgung nach dem AsylbLG, berichtet die Geschäftsführerin der Hamburger Apothekerkammer, Ena Meyer-Bürck der PZ.
Die Hamburgische Landesregierung habe 2015 eine Vereinbarung mit der AOK Bremen/Bremerhaven geschlossen, mit der die Krankenkasse auftragsweise die Betreuung damals übernommen hat. Durch die Zentrale Erstaufnahme (ZEA) werden die Geflüchteten bei der Kasse gemeldet und erhalten innerhalb von 14 Tagen eine EGK. Sollte diese Karte noch nicht vorliegen, stellt die ZEA eine vorläufige Bescheinigung aus. In beiden Optionen stellt der behandelnde Arzt Verordnungen zu Lasten der »AOK Bremen/Bremerhaven« als Kostenträger auf Muster 16 aus, so Meyer-Bürck. Im Einzelfall gebe es auch speziell gekennzeichnete Rezeptformulare für Personen, die noch nicht bei der AOK Bremen/Bremerhaven gemeldet sind. Kostenträger auf solchen Rezeptformularen, die ab Ausstellung 24 Stunden zu einer medizinischen Versorgung berechtigen, ist hier »AsylbLG ZEA Hamburg«, so Meyer-Bürck. Der Geschäftsführer des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, Georg Zwenke, ergänzte, dass diese 24-Stunden-Bescheinigungen nur für Personen auszustellen sind, die in der ZEA untergebracht sind. Er kritisiert, dass Regelungen für Personen, die (noch) nicht dort untergebracht sind, derzeit fehlen.
Zwenke hat zudem einen Vorschlag für eine übersichtlichere und einfachere Versorgung: »Idealerweise würde als Kostenträger der Arzneimittelversorgung aus der Ukraine Geflüchteter im gesamten Bundesgebiet ab deren Ankunft im Bundesgebiet eine einheitliche Stelle des Staates genannt werden, bspw. das Bundesamt für soziale Sicherung BAS, wie wir es auch bei der Kostenübernahme im Rahmen der Ausstellung von Impfzertifikaten kennen«.
Ähnlich wie in Hamburg ist es auch in Nordrhein-Westfalen geregelt. Dort werden einzelne Regionen von verschiedenen Krankenkassen betreut, die wiederum EGKs ausgeben. Allerdings erfolgt dieses Prinzip nicht flächendeckend. Hierfür bedarf es eines Beitritts der Kommune zu einer entsprechenden Rahmenvereinbarung zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und einigen gesetzlichen Krankenkassen, so eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums in Düsseldorf gegenüber der PZ. Daneben können die zuständigen Ämter der Kommunen deshalb auch Behandlungsscheine ausgeben, mit denen die Ärzte Rezepte nach Muster 16 ausstellen können, erklärte auch ein Sprecher der Apothekerkammer Westfalen-Lippe der PZ. »Unsere Kreisvertrauensapotheker*innen stehen oft im engen Austausch mit den Behörden vor Ort, um die Versorgung zu organisieren«, so der Sprecher weiter. Er betonte aber, dass das vor Ort oftmals sehr pragmatisch gehandhabt werde und Apothekenleiter hier auch oftmals ins finanzielle Risiko gehen würden. Wenn eilige Hilfe benötigt werde, würden Gesundheitsämter, Ärzte und Apotheker vor Ort oftmals Lösungen finden, um die Patienten schnell zu versorgen.
In Bremen läuft dies ebenfalls ähnlich. Dort erhalten Geflüchtete eine EGK von der AOK. Wer eine solche noch nicht hat, bekommt beim Ersttermin vom Amt für soziale Dienste einen Schein, auf dem die entsprechenden Daten eingetragen sind, erklärte eine Sprecherin der Apothekerkammer Bremen der PZ. Kostenträger ist damit das Amt für soziale Dienste. Und die Rezepte werden nach der Arzneimittelverschreibungsverordnung der Primärkassen Bremen abgewickelt. Geflüchtete, die noch nicht beim Amt für soziale Dienste vorstellig waren, aber ärztliche Hilfe benötigen, werden über Notfallkrankenscheine versorgt, so die Sprecherin weiter.
Auch die Berliner Apothekerkammer hat bislang noch nichts Explizites von den Landesbehörden gehört, ob es für die Ukraine-Geflüchteten gesonderte Regelungen gibt. Laut einer Kammer-Information arbeite der Berliner Apothekerverein (BAV) gerade mit Hochdruck an einer zeitnahen Lösung, wie und mit welchen Kostenträgern Rezepte für Geflüchtete aus der Ukraine ausgestellt und abgerechnet werden sollen. Bis dahin empfiehlt die Kammer Verordnungen ohne oder mit unklarem Kostenträger wie Privatrezepte zu behandeln. Auch Privatrezepte müssen alle Angaben des Paragraf 2 Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) enthalten, betonte die Kammer. Alle Geflüchteten, die die Privatrezepte nicht bezahlen können, müssten sich derzeit an die Sozialämter wenden, erklärte auch ein BAV-Sprecher der PZ.
In anderen Bundesländern sind die Städte oder Kommunen die Kostenträger von Leistungen. So etwa in Bayern. Hier müssen die Städte, Landkreise oder Bezirke auf den Rezepten als Kostenträger eingetragen sein, um diese korrekt abzurechnen, so ein Sprecher des Bayerischen Apothekerverbands auf Nachfrage der PZ. »Die genaue Bezeichnung des Trägers einschließlich seines Namens ist für eine ordnungsgemäße Abrechnung notwendig.« Der Apotheker sei nicht verpflichtet, die Angaben des Arztes sowie die Zulässigkeit der Verschreibung zu überprüfen. Es bestehe jedoch nur dann eine Pflicht zur Belieferung der ärztlichen Verordnung, wenn diese die eindeutige Bezeichnung des öffentlichen Kostenträgers trägt, so der Sprecher des Verbands. Ähnlich funktioniert dies in Baden-Württemberg. Laut einer Information der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) sind demnach Kostenträger bei Geflüchteten aus der Ukraine, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht sind, die zuständige Erstaufnahmeeinrichtung (LEA). Für alle anderen ist als Kostenträger das zuständige Sozialamt, beziehungsweise die untere Aufnahmebehörde des Stadt- oder Landkreises einzutragen, so die KVBW. Weitergehende Informationen haben die Apothekerkammer und der –verband in Baden-Württemberg noch nicht vom dortigen Gesundheitsministerium erhalten.
In Rheinland-Pfalz gibt es zwei Möglichkeiten der medizinischen Versorgung für Geflüchtete, informierte der Apothekerverband Rheinland-Pfalz vergangene Woche. Für Geflüchtete, die in den fünf Aufnahmeeinrichtungen des Landes untergebracht sind, erfolgt die Abrechnung der Leistungen aufgrund bereits bestehender vertraglicher Vereinbarungen mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) Trier. Demnach ist in diesem Fall der korrekte Kostenträger die »ADD Trier«. Für anderweitig untergebrachte Personen, erfolgt eine Kostenübernahme über die Sozialhilfeträger (Kreis- und Stadtverwaltungen). Die konkreten Möglichkeiten der Kostenübernahme von medizinischen Leistungen können in der Regel online bei den jeweiligen Verwaltungen eingesehen werden, informierte der Verband. Beim Landkreis Trier-Saarburg besteht allerdings eine Ausnahme, dieser ist dem Vertrag mit dem Verband nicht beigetreten. Der Geschäftsführer des Verbands, Peter Schreiber, erklärte gegenüber der PZ, dass das dortige Gesundheitsministerium bestätigt hat, dass die Versorgung für Geflüchtete aus der Ukraine nach diesen bereits bestehenden Verträgen erfolgen kann.