Vom Wissen zum Handeln |
Immer mehr Patienten nutzen moderne Medien, um sich zu informieren. Ihre Gesundheitskompetenz wächst damit nicht automatisch. / Foto: Adobe Stock/Agenturfotografin
Gesundheitskompetenz – dieser Begriff umfasst das Wissen, die Motivation und die Fähigkeit des Einzelnen, relevante Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und anzuwenden. Der gesundheitskompetente Bürger ist in der Lage, darauf basierend Entscheidungen zu treffen, um seine Gesundheit zu erhalten, sich im Krankheitsfall die nötige Unterstützung zu sichern und sich kooperativ an seiner Behandlung zu beteiligen.
Eine Studie der Universität Bielefeld unter Leitung von Professor Dr. Doris Schaeffer, die im Jahr 2016 im Open-Access-Journal BMC Public Health erschienen ist, zeigte jedoch, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland damit Schwierigkeiten hat (DOI: 10.1186/s12889-016-3810-6).
Das Team um Erstautorin Dr. Eva-Maria Berens befragte für die Studie bundesweit 2000 deutschsprachige Personen ab 15 Jahren mittels computerassistierter persönlicher Interviews. Die Wissenschaftler nutzten einen international erprobten Fragebogen zum Thema Gesundheitskompetenz, der Bereiche wie Krankheitsbewältigung, Prävention und Gesundheitsförderung umfasst. Anhand der daraus ermittelten Gesundheitskompetenz-Indices ordneten Berens und Kollegen die Teilnehmer vier Kategorien zu: exzellente, ausreichende, problematische und inadäquate Gesundheitskompetenz. Zudem erfassten sie soziodemografische Daten wie Bildungsniveau, Alter, Geschlecht, chronische Erkrankungen und Migrationshintergrund.
Den Studienergebnissen zufolge verfügten lediglich 7,3 Prozent der Menschen über eine exzellente Gesundheitskompetenz. Mehr als die Hälfte (54,3 Prozent) hatte Schwierigkeiten, gesundheitsbezogene Informationen zu verarbeiten (44,6 Prozent problematisch, 9,7 Prozent inadäquat). Unter den Befragten mit Migrationshintergrund lag der Anteil sogar bei 70,5 Prozent. Auch chronisch kranke Menschen schnitten schlechter ab als der Durchschnitt: Knapp drei von vier (72,7 Prozent) verfügten über eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz. Unter den Menschen mit niedrigem Sozialstatus waren es 78,3 Prozent.
Den damaligen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) rüttelte das wach. Er rief nach Erscheinen der Studie die »Allianz für Gesundheitskompetenz« ins Leben. Ziel der Initiative ist es vor allem, den Bürgern das nötige Werkzeug an die Hand zu geben, um selbstbestimmt gute Entscheidungen für ihr Wohlergehen zu treffen, sowie einen verständlichen Austausch zwischen Patienten und Gesundheitsberufen zu fördern.
Im Februar 2018 legte ein Expertenkreis um Professor Dr. Doris Schaeffer den sogenannten Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz vor. Darin benennen die Autoren vier Handlungsfelder und sprechen insgesamt 15 konkrete Empfehlungen aus, wie es gelingen kann, die Gesundheitskompetenz in Deutschland zu stärken.
Alle Spitzenorgane der Akteure im Gesundheitswesen haben sich der Allianz angeschlossen. Dazu zählen neben der ABDA etwa die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der Spitzenverband der Heilmittelverbände, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung.