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Gesundheitskompetenz
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Vom Wissen zum Handeln

Vielen Menschen fällt es schwer, auf Basis von verlässlichen Informationen gesundheitsbezogene Entscheidungen zu treffen. Für die Apotheker kann dies eine Chance sein, sich als Lotsen in der Gesundheitswelt zu behaupten.
AutorKontaktChristina Müller
Datum 01.03.2020  08:00 Uhr

Patienten als Experten einbinden

Bisher galten Patienten im System eher als unmündig und als diejenigen, die Dienstleistungen entgegennehmen. Inzwischen stellten die Menschen jedoch andere Ansprüche als bisher. Manch ein chronisch kranker Mensch ist heute besser informiert über sein Krankheitsbild als der Arzt. Als Beispiel nennt Belliger Menschen mit Diabetes mellitus, die sich weltweit austauschen. »Das zeigt, was informierte Patienten leisten können.« Sie seien die am meisten vernachlässigte Ressource im klassischen Gesundheitswesen.

Die Betroffenen überwachen ihre gesundheitliche Situation inzwischen oftmals selbst, zum Beispiel per App. »Sie setzen sich intensiv mit der Funk­tionsweise ihres Körpers auseinander und haben heute auch die Instrumente, die ihnen die nötigen Daten liefern«, sagte Belliger. Und zwar jederzeit und nicht nur, wenn sie wie zuvor vierteljährlich zum Arzt gehen. »Damit können sie ihre Gesundheit viel besser managen als noch vor zehn Jahren.«

Immer mehr kristallisierten sich in der Szene einzelne Erkrankte heraus, die als Schlüsselfiguren in der vernetzen Welt fungierten. Sie seien so etwas wie »Diabetes-Influencer«, so die Schweizer Professorin.

In Zeiten des Fachkräftemangels, der auch das Gesundheitswesen hart trifft, könne man es sich nicht mehr leisten, auf den Beitrag der Patienten zu verzichten, meint Belliger. Sie in ihrer Fähigkeit zu stärken, Verantwortung für ihre eigene Gesundheit zu übernehmen, sei eine Chance für die Wirtschaftlichkeit des Systems. Und eine Herausforderung: Der mündige Patient rüttle jedoch am Selbstverständnis der Heilberufler. Er breche das Wissensmonopol der Behandler auf und erwarte, in Therapieentscheidungen einbezogen zu werden.

War früher zum Beispiel das Vokabular im Arztbrief eine Art Geheimsprache unter den Heilberuflern, nutzen Menschen heute digitale Angebote, um diesen Code zu entschlüsseln. In Deutschland ist vor allem die Initiative »Was hab’ ich?« bekannt. Auf einer Webseite können Nutzer ihren ärztlichen Befund kostenlos hochladen und von Medizinstudierenden in eine leicht verständliche Sprache übersetzen lassen. Die App Medicus AI übernimmt grundsätzlich dieselbe Funktion, nur automatisiert und in englischer Sprache.

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