Vom Wissen zum Handeln |
In einem weiteren Feld kann Deutschland ebenfalls von der Schweiz lernen. Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesgesundheitsminister, Sabine Weiss (CDU), kündigte bei der Fachtagung im Februar an, dass das Gesundheitsportal des BMG noch in diesem Jahr scharf geschaltet werde. Auf einer eigens dafür eingerichteten Website will das Ministerium verlässliche Gesundheitsinformationen für die Bevölkerung bündeln. Partner sind zunächst das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das Robert Koch-Institut (RKI) und der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums.
Belliger warnt jedoch: »Machen Sie nicht die gleichen Fehler wie wir.« Denn in der Schweiz sei das Projekt in der Schublade verschwunden, noch bevor es online gehen konnte. Dort wollte das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das Schweizer Pendant zum BMG, bereits 2007 ein solches Portal etablieren. Aus Belligers Sicht ist das Vorhaben daran gescheitert, dass das Bundesamt eine Kooperation mit der Industrie per se ablehnte, allein aber nicht in der Lage war, das Projekt zu stemmen. »Ohne eine Zusammenarbeit mit der Industrie ist es kaum möglich, so ein großes Ding durchzuziehen.«
Der Anspruch, eine Webseite zu schaffen, auf der die Menschen nahezu jede relevante Gesundheitsinformation finden, sei so gewaltig, dass man ihm kaum gerecht werden könne. Und selbst, wenn dies gelänge: Um den Bürgern das Portal nahezubringen, bedarf es laut Belliger einer umfassenden Kommunikationsstrategie. »Es wird auf die sogenannte letzte Meile bis zum Patienten ankommen.« Das Ministerium müsse bei einem solchen Projekt zwingend auf die Unterstützung derjenigen bauen, die in direktem Kontakt mit den Menschen stehen – also zum Beispiel Ärzte, Apotheker, Heilmittelerbringer und Fitnessstudios.
Egal, wie das BMG das Portal aufziehen will: Die Verantwortlichen dürften keinesfalls vergessen, die Bürger mitzunehmen. »So ein Projekt Top-Down zu steuern, kann nicht funktionieren«, warnt die Kommunikationswissenschaftlerin. »Es muss sich aus den Lebenswelten der Menschen heraus entwickeln. Sie sind diejenigen, die es nutzen sollen. Dafür muss man erst einmal herausfinden, wo Bedarf besteht.« Als Beispiel für eine gelungene Umsetzung nennt sie das Gesundheitsportal der Österreichischen Regierung (www.gesundheit.gv.at). »Da hat man sich Gedanken gemacht, mit welchen Fragen die Nutzer auf die Seite kommen und diese entsprechend der Bedürfnisse der Bevölkerung aufgebaut.«
Unter www.healthliteracyplace.org.uk/tools-and-techniques/ finden Interessierte eine Sammlung von Methoden und Materialien, die sie im Beratungsgespräch nutzen können. Alle Inhalte sind in englischer Sprache verfasst.
Die neuseeländische Regierung stellt Informationen zu einem Drei-Stufen-Modell bereit, an dem sich die Akteure im Gesundheitswesen im Gespräch mit Patienten orientieren können, um ein bestmögliches Verständnis zu schaffen. www.hqsc.govt.nz/assets/consumer-engagement/resources/health-literacy-booklet-3-steps-dec-2014.pdf
Die englischsprachige Webseite www.teachbacktraining.org/ informiert über einfache Mittel, mit denen Heilberufler im Beratungsgespräch prüfen können, ob ihr Gegenüber sie verstanden hat.
Der Nationale Aktionsplan Gesundheitskompetenz sowie weitere Informationen zu diesem Themenkomplex sind abrufbar unter www.nap-gesundheitskompetenz.de/.
Die Leitlinie evidenzbasierte Gesundheitsinformation (www.leitlinie-gesundheitsinformation.de), finanziert von der Universität Hamburg und dem Wissenschaftlichen Institut der Techniker Krankenkasse, adressiert vor allem Fachkreise, die Gesundheitsinformationen für die Bürger bereitstellen.
Christina Müller studierte Pharmazie in Kiel und Münster. 2013 erhielt sie ihre Approbation und war anschließend in öffentlichen Apotheken tätig, bis sie 2015 ihr Volontariat bei der PZ begann. Nach Stationen beim Ärztenachrichtendienst und der Presseagentur Gesundheit arbeitet sie seit März 2019 als Redakteurin für die Pharmazeutische Zeitung.