Variabler und zielgenauer |
Neben der verlaufsmodifizierenden Therapie der MS durch Immunmodulation werden auch gezielt die Symptome der Erkrankung adressiert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Linderung der Spastiken, die in fortgeschrittenen Phasen bei vielen Patienten auftreten. Wirkstoffe mit spasmolytischer und muskelrelaxierender Wirksamkeit werden ergänzend zu Physiotherapien eingesetzt.
Fampridin (Fampyra®) ist als 4-Aminopyridin ein Kaliumkanalblocker, der die Impulsübertragung in geschädigten Nervenarealen verbessern und damit die Motorik positiv beeinflussen soll. Es ist exklusiv für die MS-Therapie zur Verbesserung der Gehfähigkeit zugelassen und wird mit 5,0 Millionen DDD 2020 auch stark verschrieben. Zweimal täglich wird eine Retardtablette (10 mg) geschluckt. Wirksamkeit und Ansprechquote von Fampridin werden jedoch zunehmend kritisch betrachtet (18).
Sehr prominent ist Nabiximols (Sativex®), das als Extrakt aus Cannabis sativa ein standardisiertes Gemisch aus Delta-9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol darstellt und als Spray oral angewendet wird. Pro Sprühstoß werden 2,7 mg THC und 2,5 mg CBD appliziert. Das Spray unterliegt der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung. Die Ansprechquote ist moderat (etwa 40 Prozent). Eine Behandlung sollte nach vier Wochen beendet werden, wenn sich die Spastik nicht deutlich bessert. Das Medikament sollte nicht bei Patienten mit Disposition für Schizophrenie, Psychosen oder Persönlichkeitsstörungen angewendet werden.
Baclofen, ein zentralwirksames GABA-Derivat, vermindert den Tonus der Skelettmuskulatur durch Verbesserung der neuronalen Übertragung und wird daher auch zur symptomatischen Therapie der MS eingesetzt.
Auch Botulinumtoxin A (BTX) (Botox®) spielt bei vielfältigen neurologischen Störungen mit spastischer Muskelkontraktion eine große Rolle. Parenteral verabreicht hemmt BTX die periphere Acetylcholin-Freisetzung an präsynaptischen Nervenenden und hemmt so lang anhaltend die neuromuskuläre Übertragung. Speziell bei MS-Patienten soll Botox eine Harninkontinenz mit neurogener Detrusorhyperaktivität dämpfen.
Tizanidin (Sirdalud®) ist ein α2-Adrenozeptor-Agonist und wird als zentral wirksames Muskelrelaxans mit individueller Dosierung (2 bis 24 mg/d) eingesetzt. Es gilt als Alternative zu Baclofen (19).
Foto: ABDA
Grundsätzlich zählen MS-Patienten nicht zu einer Risikogruppe, die bei einer SARS-CoV-2-Infektion vermehrt unter schweren Verlaufsformen der Erkrankungen leidet. Es zeigte sich auch, dass eventuelle Defekte in der Blut-Hirn-Schranke bei MS-Patienten keine zentrale virale Invasion oder andere Krankheitsverläufe begünstigen. Bei der Therapie einer Covid-19-Erkrankung muss patientenindividualisiert entschieden werden.
Klar ist, dass unter Beta-Interferonen, Glatirameroiden, Dimethylfumarat, Teriflunomid sowie Natalizumab nicht von einem erhöhten Risiko schwerwiegender Lungenerkrankungen auszugehen ist. Bei Therapie mit den S1PR-Modulatoren besteht ein leicht erhöhtes Risiko, wobei dies im Regelfall nicht zum Therapieabbruch führen, sondern eher die Expositionsprophylaxe intensivieren sollte. Die CD20-Antikörper, Alemtuzumab sowie Cladribin erhöhen das Risiko insbesondere bei Therapiebeginn, sodass hier eine zeitliche Verschiebung der Therapie oder ein Ausweichen auf andere Wirkstoffe empfohlen wird.