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MS-Therapie heute

Variabler und zielgenauer

Fünf neu zugelassene Wirkstoffe seit 2020 und eine neue therapeutische Leitlinie im letzten Jahr: Die Pharmakotherapie der Multiplen Sklerose weist eine hohe Dynamik auf. Zeit für ein Update, das sich der Wirkung der neuen und bewährten Arzneistoffe im Immunsystem zuwendet und einen Blick in die Zukunft der Pharmakotherapie der MS wirft.
Gerd Bendas
14.07.2022  11:00 Uhr

Arzneistoffe der Kategorie 1

Beta-Interferone

Interferon beta 1a (Avonex®, Rebif®; ein- bis dreimal wöchentlich intramuskulär, i.m., oder subkutan, s.c.) und Interferon beta 1b (Betaferon®; s.c. alle zwei Tage) wirken modulierend auf die Autoimmunreaktion und verhindern so Entzündungsschübe und Progression bei RRMS. Betaferon® und dessen Bioidentical Extavia® können auch bei schubförmiger SPMS eingesetzt werden. Als Wirkmechanismen der Beta-Interferone werden eine Aktivierung antiinflammatorischer Zytokine sowie eine reduzierte T-Zell-Aktivierung durch Studien bestätigt. Plegridy®, ein pegyliertes Interferon beta 1a, ist nur für Erwachsene empfohlen. Es hat eine deutlich verlängerte Halbwertzeit und muss daher nur zweimal monatlich subkutan appliziert werden. Die häufigste Nebenwirkung unter Beta-Interferonen besteht im Auftreten grippeähnlicher Symptome. Die Verordnung (7,8 Millionen DDD 2020) nimmt seit Jahren kontinuierlich ab (9).

Glatirameroide

Das seit 2001 zugelassene Glatirameracetat (Copaxone®, Nachahmerprodukt Clift®) ist ein synthetisches, molekular heterogenes Peptidgemisch (»Glatirameroide«) von etwa 5 bis 9 kDa, das durch einen nicht genau definierten Mechanismus die autoimmunen Entzündungsreaktionen und damit die Schubrate bei RRMS-Patienten senken kann. Copaxone wird subkutan appliziert (20 mg täglich oder 40 mg alle zwei Tage) und ist mit 5,2 Millionen DDD 2020 seit Jahren gleichbleibend akzeptiert (9).

Teriflunomid (Aubagio®)

Teriflunomid ist seit 2013 als oraler Wirkstoff (14 mg täglich) zur Therapie der RRMS zugelassen. Teriflunomid ist bekannt als aktiver Metabolit des Leflunomids aus der Therapie der rheumatoiden Arthritis. Es hemmt die Dihydroorotat-Dehydrogenase in den Mitochondrien und blockiert so die Nukleotid-Synthese. Dies beeinflusst die Proliferationsfähigkeit der Lymphozyten; funktionell zeigt sich dies in einer um etwa 30 Prozent reduzierten Schubrate. Studien belegen die therapeutische Gleichwertigkeit zu den Beta-Interferonen. Mit 4,4 Millionen DDD 2020 weist Teriflunomid deutliche Zuwachsraten auf, wohl auch wegen der vergleichsweise günstigen Kosten (9).

Teriflunomid sollte bei Patienten mit beeinträchtigtem Immunstatus, Leberfunktionsstörungen oder dialysepflichtigen Nierenfunktionsstörungen nicht angewendet werden. In der Schwangerschaft ist es streng kontraindiziert. Zu beachten ist, dass der Wirkstoff einem enterohepatischen Kreislauf unterliegt (Halbwertszeit 19 Tage) und bei einer ungeplanten Schwangerschaft aktiv (Aktivkohle, Cholestyramin) eliminiert werden sollte. Unter der Therapie mit Teriflunomid ist auf eine regelmäßige Kontrolle der Leberwerte und des Blutbilds zu achten. Auf pharmakokinetischer Ebene (Inhibitor von CYP2C8, Substrat von CYP1A2 und 2C19) sind Arzneimittelwechselwirkungen möglich.

Fumarate

Dimethylfumarat (Tecfidera®) ist seit 2014 als orales Therapeutikum (zweimal täglich 240 mg) zur MS-Therapie zugelassen. Der aktive Metabolit Methylfumarat (Abbildung 2) aktiviert unter anderem den Transkriptionsfaktor Nrf2 und wirkt über diesen Signalweg antiinflammatorisch. Mit 7,3 Millionen DDD ist Dimethylfumarat das aktuell am stärksten verschriebene MS-Therapeutikum in Deutschland (9). Eine mit dem Wirkmechanismus einhergehende Lymphopenie kann die Patienten für sekundäre Infektionen sensibilisieren; so wurden bereits Fälle einer progressiv multifokalen Leukenzephalopathie (PML) beschrieben. Daher wurden strenge Auflagen zum Monitoring der Patienten erlassen (Rote-Hand-Brief 11/2020) (10). Als häufige Nebenwirkungen werden das Auftreten eines plötzlichen Hitzegefühls (Flush) und Magen-Darm-Probleme berichtet.

Seit Januar 2022 ist Diroximelfumarat (Vumerity®) in Deutschland zur peroralen Therapie (anfangs zweimal täglich 231 mg, nach sieben Tagen zweimal täglich 462 mg) auf dem Markt (Abbildung 2). Bei gleichem aktiven Metaboliten ist eine analoge Wirksamkeit zu Dimethylfumarat als gegeben anzusehen, jedoch belegen Studien eine deutlich bessere gastrointestinale Verträglichkeit (11). Kritische Stimmen werten diese Zulassung auch als eine Strategie zur Kompensation im Fall von Generika-Zulassungen von Dimethylfumarat.

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