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Emesis gravidarum

Übelkeit und Erbrechen bei Schwangeren therapieren

Mehr als 85 Prozent der Frauen leiden während einer Schwangerschaft vorübergehend an Übelkeit und Erbrechen, bis zu 10 Prozent sogar über die gesamte Schwangerschaft hinweg. Welche Therapieoptionen gibt es?
Laura Rudolph
14.03.2023  09:00 Uhr
Übelkeit und Erbrechen bei Schwangeren therapieren

»Übelkeit und Erbrechen während der Schwangerschaft sind eher die Regel als die Ausnahme. Da die Symptome die Lebensqualität der betroffenen Frauen jedoch erheblich mindern können, sollten sie behandelt werden«, sagte Dr. Jan Pauluschke-Fröhlich, Leiter des Kreißsaals am Universitätsklinikum Tübingen, beim Fortbildungskongress des Berufsverbands der Frauenärzte (FOKO). Der Kongress fand vom 9. bis zum 11. März als Präsenzveranstaltung in Düsseldorf mit Liveübertragung statt.

Emesis gravidarum betreffe bis zu 85 Prozent der Schwangeren, beginne meist zwischen der vierten und sechsten Schwangerschaftswoche und lasse in der Regel ab Woche 14 bis 16 wieder nach, erklärte der Arzt. Eine nationale Therapieleitlinie gebe es noch nicht. Zusammen mit weiteren Ärztinnen und Ärzten erarbeitet Pauluschke-Fröhlich derzeit ein  Konsensuspapiers zur Therapie des Schwangerschaftserbrechens.

Therapie zumeist off Label

Das einzige Präparat, das in Deutschland in dieser Indikation zugelassen ist, ist rezeptpflichtig und enthält eine Kombination aus 10 mg Doxylamin und 10 mg Pyridoxin. Das zentralgängige H1-Antihistaminikum Doxylamin blockiert Histaminrezeptoren direkt in der Area postrema im Brechzentrum. Pyridoxin (Vitamin B6) soll die Spiegel von Estrogen, Progesteron und des Schwangerschaftshormons β-HCG (humanes Choriongonadotropin) regulieren. Letzteres steht im Verdacht, Schwangerschaftserbrechen zu fördern.

Im Off-Label-Gebrauch könne etwa Dimenhydrinat angewendet werden, sagte Dr. Matthias Krick, Gynäkologe mit eigener Praxis in Moers. Das Salz aus dem H1-Antihistaminikum Diphenhydramin und 8-Chlor-Theophyllin komme dabei meist in einer Dosierung von 50 mg zum Einsatz. Da der Arzneistoff kontraktionsfördernd wirken kann, sei er nur unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung während der Schwangerschaft anzuwenden.

Von Embryotox, dem Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, heißt es hierzu: »Die vorübergehende Anwendung von Dimenhydrinat in der Schwangerschaft ist akzeptabel. Im dritten Trimenon ist es bei vorzeitiger Wehentätigkeit zu meiden«.

Laut Embryotox besser geeignet und Antiemetikum der Wahl in der Schwangerschaft ist das H1-Antihistaminikum Meclozin. »Dieses ist in Deutschland aber nicht mehr erhältlich, sondern nur noch über Auslandsapotheken zu beziehen«, erklärte Krick. Der Hersteller habe 2007 die Vermarktung in Deutschland eingestellt. 

Promethazin und Metoclopramid seien weitere Off-Label-Optionen bei Schwangerschaftserbrechen, aber nicht die Mittel der Wahl, ergänzte Krick. Metoclopramid blockiert Dopaminrezeptoren an der chemorezeptiven Triggerzone der Area postrema und fördert die Magen-Darm-Peristaltik. Promethazin wirkt vermutlich über eine H1-Histaminrezeptor-Blockade antiemetisch. Embryotox zufolge sind Meclozin, Dimenhydrinat sowie die Kombination Doxylamin/Pyridoxin bei Schwangerschaftserbrechen zu bevorzugen.

»Erst wenn alle anderen Mittel keine ausreichende Wirkung zeigen, ist Odansetron in Erwägung zu ziehen«, sagte Krick. Der Serotoninrezeptor-Antagonist berge bei der Anwendung im ersten Schwangerschaftsdrittel ein erhöhtes Risiko für orofaciale Fehlbildungen des Fetus, erklärte der Arzt. 2019 gab es diesbezüglich einen Rote-Hand-Brief.

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