Therapie off Label, aber hilfreich |
Im Anfangsstadium der behavioralen FTD-Variante wird häufig nicht erkannt, dass es sich um eine neurodegenerative demenzielle Erkrankung handelt. Die Diagnosestellung dauert oft Jahre.
Die Patienten entwickeln schleichend zunehmend Wesensänderungen mit Verhaltensauffälligkeiten. Typisch ist eine Vergröberung des Sozialverhaltens mit Distanzminderung. Es kann auch zur Hypersexualität, Affektverflachung, Antriebsminderung oder -steigerung, eventuell Impulskontrollstörungen sowie Verlust von Sorgfalt und Empathie kommen (Kasten).
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Menschen, die an der behavioralen Form der frontotemporalen Demenz (bvFTD) erkranken, stehen oft noch im Berufsleben und sind sozial aktiv. Durch die Missachtung sozialer Regeln und Signale können sich massive Probleme einstellen.
Ein Erkrankter kann beispielsweise auffällig werden, da er sich distanzlos und anzüglich verhält, unpassende und geschmacklos erscheinende Witze macht und sich nicht mehr angemessen körperlich pflegt. Auch das Unrechtsbewusstsein kann verloren gehen: Der Erkrankte nimmt plötzlich anderen Menschen Dinge weg, die für ihn gerade von Interesse sind. Dies geschieht nicht mit Plan und unter Verheimlichung, sondern aufgrund des fehlenden Bewusstseins für die Inadäquatheit spontan und ungebremst.
Familienangehörige leiden zunehmend unter der Entwicklung. Die Betroffenen selbst haben typischerweise kein Krankheitsgefühl. Die Alltagskompetenz zur Selbstversorgung ist oft lange erhalten, jedoch kann auch das Hygieneempfinden nachlassen.
Im weiteren Krankheitsverlauf ist eine Enthemmung für die Umwelt sehr belastend. Häufig ändert sich das Essverhalten. Erkrankte haben oft kein Sättigungsgefühl mehr und zeigen keine Regulation; sie stecken teilweise auch nicht Essbares unkontrolliert in den Mund. Perseverationen und stereotype Verhaltensweisen sind häufig.
Auch das Sprachverhalten ändert sich: Erkrankte sprechen immer weniger im Sinne eines Mutismus oder entwickeln Rededrang mit Stereotypien und Echolalie. Eine normale Unterhaltung ist nicht mehr möglich. Auch neurologische Symptome können auftreten.
Die Verhaltensvariante der frontotemporalen Demenz ist ursächlich nicht behandelbar.
Der NMDA-Rezeptorantagonist Memantin kann neuroprotektiv eingesetzt werden und ist vor allem bei starker Antriebsminderung vereinzelt nützlich, wird jedoch nicht generell empfohlen. Er kann, insbesondere bei Niereninsuffizienz, durch Kumulation zu Unruhe führen und ist potenziell prokonvulsiv.
Cholinesterasehemmer haben keinen günstigen Effekt und können Unruhe oder Gereiztheit sogar verschlechtern. Symptomatisch werden je nach Symptomatik beispielsweise Antidepressiva wie SSRI eingesetzt, die bei Antriebsmangel oder Gereiztheit zur Stabilisierung beitragen können. Abendlich eingesetztes Trazodon kann sich auf Irritabilität, Agitiertheit, Depressivität und Essstörungen positiv auswirken (5).
Bei starker Unruhe oder Fremdaggressivität kommen beispielsweise niederpotente Antipsychotika wie Melperon oder Pipamperon oder hochpotent Risperidon oder Quetiapin zum Einsatz (meist im Off-Label-Use).
Da bei Betroffenen typischerweise kein subjektives Krankheitsgefühl besteht, ist ein nicht medikamentöser Zugang oft schwierig. Körperliche Bewegung in Form von leichten sportlichen Aktivitäten oder Spaziergängen kann zu einer gewissen Entspannung bei Unruhe beitragen. Bei Erkrankten mit Antriebsmangel kann über diese Aktivitäten dem Rückzug entgegengewirkt werden. Unterstützung und Entlastung der Angehörigen sind wichtig.