Stumme Erkrankung mit schweren Folgen |
Rund die Hälfte der Patienten mit Alkoholabusus leidet unter einem relevanten Vitamin-B1-Mangel. Eine verminderte Aufnahme des Vitamins scheint bei alkoholbedingter Zirrhose ebenso eine Rolle zu spielen wie die häufige Mangelernährung, die nicht nur Vitamin B1, sondern auch andere Vitamine betrifft.
Bei einer relevanten Hypovitaminose kann sich eine Wernicke-Enzephalopathie mit Bewusstseinsstörung, Desorientiertheit und Gangataxie entwickeln. Prophylaktisch wird die Substitution des Vitamins empfohlen. Wird der Vitaminmangel nicht ausgeglichen, kommt es zu irreversiblen Gehirnschäden, die tödlich verlaufen können.
Differenzialdiagnostisch ist eine Abgrenzung zur hepatischen Enzephalopathie vor allem bei akutem Auftreten nicht immer eindeutig möglich. Initial wird bei Verdacht auf eine Wernicke-Enzephalopathie deshalb immer hoch dosiertes Thiamin (Einzeldosen bis zu 400 mg) intravenös gegeben. Die übliche Erhaltungsdosis liegt bei 100 bis 200 mg pro Tag peroral und wird in der Regel dauerhaft weitergeführt.
Ein weiterer Arzneistoff, der sich häufig in der Medikation von Patienten mit Leberzirrhose findet, ist Lactulose. Der Doppelzucker wird nicht gegen Obstipation eingesetzt, sondern um die Symptome der hepatischen Enzephalopathie zu reduzieren.
In der Leber nicht vollständig abgebaute Toxine wie Ammoniak gelangen ungehindert ins zentrale Nervensystem und führen dort zu den genannten Symptomen. Da Lactulose nicht resorbiert wird, erreicht der Doppelzucker unverändert den Darm. Dort wird er von Darmbakterien in D-Galactose und Fructose gespalten, die von Darmbakterien verwertet werden können. In der Folge sinkt der pH-Wert im Darmlumen und das Wachstum von Lactobazillen und Bifidobakterien wird angeregt. Durch das angesäuerte Milieu wird Ammoniak im Darm vermehrt in Ammoniumionen umgesetzt und wird somit intestinal nicht mehr resorbiert. Außerdem wird der Abbau von Ammoniak durch Darmbakterien gefördert.
Patienten mit Leberzirrhose bekommen oft viele Medikamente. Doch diese können auch nierentoxisch wirken. / Foto: Adobe Stock/tibanna79
Lactulose kommt sowohl prophylaktisch als auch bei einer akuten Enzephalopathie zum Einsatz. Auch hier unterscheiden sich die Tagesdosen von bis zu 120 g pro Tag deutlich von den sonst üblichen Dosierungen (10 bis 30 g/Tag). Damit steigt auch das Risiko für unerwünschte Wirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden und Flatulenz.
Ein weiterer Wirkstoff, der bei der hepatischen Enzephalopathie zum Einsatz kommt, ist die Aminosäurekombination Ornithin-Aspartat. Nach Spaltung in L-Ornithin und L-Asparaginsäure sind beide involviert in den Harnstoffzyklus, der in den Hepatozyten stattfindet und stickstoffhaltige Verbindungen zu eliminierbarem Harnstoff umsetzt. Insgesamt sinkt die Ammoniaklast im Blut.