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Häufige Arzneistoffe

Steckbrief Tiotropium

Als langwirksames Anticholinergikum (LAMA) wird der Bronchodilatator Tiotropium vor allem bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) eingesetzt. Daneben gibt es eine Empfehlung bei besonders schwerem Asthma.
Annette Rößler
19.10.2022  07:00 Uhr

Wie wirkt Tiotropium?

Tiotropium ist ein Antagonist an muskarinischen Acetylcholinrezeptoren mit ähnlicher Affinität zu den Rezeptorsubtypen M1 bis M5. Die Blockade von M3-Rezeptoren durch Tiotropium in den Bronchien bewirkt eine Weitstellung der Atemwege. Vom M3-Rezeptor löst sich Tiotropium deutlich langsamer als die Vorgängersubstanz Ipratropium und muss daher seltener, nämlich nur einmal täglich angewendet werden. Das quartäre Ammoniumsalz wird in Form seines Bromids eingesetzt. Aufgrund seiner Ladung wird Tiotropium nach inhalativer Anwendung kaum resorbiert und wirkt ganz überwiegend topisch.

Was ist das Einsatzgebiet von Tiotropium?

Hauptindikation von Tiotropium ist die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Die Gabe von langwirksamen Anticholinergika (LAMA), zu denen neben Tiotropium auch Aclidinium, Glycopyrronium und Umeclidinium zählen, gehört laut Nationaler Versorgungsleitlinie (NVL) in allen Krankheitsphasen der COPD zur Basistherapie und soll Exazerbationen verhindern. Bei Asthma, wo vor allem die entzündungshemmende Therapie im Vordergrund steht, werden LAMA im Stufenschema der entsprechenden NVL erst ab Stufe 3 genannt. Nicht alle Tiotropium-haltigen Präparate sind auch bei Asthma zugelassen.

Wie wird Tiotropium angewendet und dosiert?

Zur Anwendung von Tiotropium stehen verschiedene Inhalatoren zur Verfügung, zum Beispiel Handihaler®, Zonda® oder Respimat®. Sie sind jeweils zum Gebrauch mit den passenden Kapseln oder Patronen bestimmt. Bei der Verwendung von Inhalations-Kapseln beträgt die übliche Tagesdosis bei COPD 10 µg Tiotropium; bei der Verwendung einer Patrone sind sowohl bei COPD als auch bei Asthma 5 µg Tiotropium täglich empfohlen. Deklariert ist in der Regel aber nicht der reine Wirkstoff, sondern das Bromidsalz. Die Anwendung erfolgt einmal täglich möglichst immer zur selben Zeit.

Welche Nebenwirkungen kann Tiotropium haben?

Mundtrockenheit ist die häufigste unerwünschte Arzneimittelwirkung von Tiotropium. Deutlich seltener sind auch andere, schwerwiegendere anticholinerge Effekte wie Glaukom, Verstopfung oder Harnverhalt möglich. Da die LAMA bei inhalativer Anwendung kaum resorbiert werden, werden sie bei der Berechnung der sogenannten anticholinergen Last eines Patienten aber nicht mitgezählt und stehen auch nicht auf der Priscus-Liste der potenziell inadäquaten Medikamente für ältere Menschen.

Einige Studien ergaben Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt oder Schlaganfall unter LAMA-Anwendung. Die Datenlage ist aber nicht eindeutig. Zuletzt wurde in einem systematischen Review mit Metaanalyse im »Journal of Investigative Medicine« keine Risikoerhöhung nachgewiesen (DOI: 10.1136/jim-2021-001931).

Darf Tiotropium in Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden?

Da kaum Frauen im gebärfähigen Alter an COPD erkranken und die Anwendung von Tiotropium bei Asthma nur selten erfolgt, stellt sich die Frage nach der Anwendbarkeit bei schwangeren oder stillenden Frauen bei diesem Arzneistoff nur selten. Laut Fachinformation ist die Gabe in der Schwangerschaft vorsichtshalber zu vermeiden und wird bei Stillenden nicht empfohlen.

Embryotox.de, die Website des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Berliner Charité, enthält keinen eigenen Eintrag zu Tiotropium. Bei den allgemeinen Informationen zur Asthmatherapie findet sich dort aber der Hinweis, dass unter den inhalativen Anticholinergika Ipratropium in der Schwangerschaft das Mittel der Wahl ist.

Welche Wechselwirkungen sind möglich?

Tiotropium darf nicht zusammen mit anderen inhalativen Anticholinergika gegeben werden. Ansonsten gibt es keine klinisch relevanten Wechselwirkungen zu beachten.

Vom Inhalativum zum Antihydrotikum?

Das anticholinerge Wirkprinzip der LAMA ist auch auf andere Bereiche anwendbar: Seit dem 1. August ist mit Axhidrox® eine neue Creme gegen übermäßige Achselschweißbildung verfügbar. Sie enthält das LAMA Glycopyrronium und wird vom Pharmaunternehmen Dr. Wolff in Verkehr gebracht.

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