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Psychopharmaka

Die wichtigsten Interaktionen

Psychopharmaka gehen mit vielen anderen Wirkstoffen in Wechselwirkung. Manche Interaktionen können lebensbedrohlich sein, andere fallen klinisch gar nicht auf. Worauf das Apothekenteam bei Antidepressiva und Stimulanzien achten sollte.
Martina Hahn
Sibylle C. Roll
19.05.2022  11:00 Uhr

Psychopharmaka sind eine heterogene Wirkstoffgruppe mit unterschiedlichen pharmakologischen Targets und pharmakokinetischen Abbauwegen. Dies führt zu einem breiten Spektrum möglicher Interaktionen. Das Apothekenteam sollte deren Relevanz abschätzen können, um zu entscheiden, ob es einen Patienten zurück an den Arzt verweisen oder diesen direkt kontaktieren sollte. Dieser Beitrag fokussiert auf Interaktionen von Antidepressiva, Stimulanzien und spezifischen Narkolepsie-Medikamenten.

Wird nach Interaktionen von Antidepressiva gefragt, fallen sogleich die Begriffe »Serotonin-Syndrom« und »QTc-Verlängerung«. Zwar warnen die Interaktionsdatenbanken am häufigsten vor diesen beiden Interaktionen, jedoch treten diese in der klinischen Praxis erfreulicherweise selten auf.

Antidepressiva und das Serotonin-Syndrom

Ein Serotonin-Syndrom ist anfangs gekennzeichnet durch Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö, Tremor und Unruhe. Diese Symptome können in milderer Ausprägung zu Beginn einer antidepressiven Therapie auftreten. Klingen sie jedoch nicht nach wenigen Tagen ab oder verstärken sich, kann sich ein Serotonin-Syndrom anbahnen. Typisch sind Verwirrtheit, Halluzinationen, Hypertonie, Krampfanfälle, Myoklonien und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. Antidota gibt es nicht. Alle serotonerg wirksamen Medikamente müssen sofort abgesetzt werden.

Das Syndrom tritt insbesondere dann auf, wenn mehrere Mechanismen zur Erhöhung der Serotonin-Konzentration im synaptischen Spalt zusammenkommen (Tabelle 1). Am höchsten ist das Risiko bei der Kombination mit MAO-Hemmern, sodass hier die Wash-out-Zeiten der jeweiligen Wirkstoffe (in den Fachinformationen ausgewiesen) strikt beachtet werden müssen.

Serotonerge Mechanismen Beispiele
Wiederaufnahmehemmung Cocain, Dextromethorphan, Ecstasy, Fentanyl, Johanniskraut, Methadon, SSRI (selektive Serotonin-Reuptake-Inhibitoren), SSNRI (selektive Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitoren), Tramadol, Trizyklika
Hemmung des Abbaus Isoniazid, Linezolid, Methylenblau, Monoaminoxidase-(MAO-)Hemmer (Tranylcypromin, Moclobemid, Selegilin, Rasagilin)
verstärkte Bildung und Freisetzung Alkohol, Amphetamine, Bromocriptin, Cocain, Levodopa, Lithium, L-Tryptophan
Rezeptoragonismus Buspiron, Carbamazepin, Fentanyl, LSD, Metoclopramid, Mirtazapin, Trazodon, Triptane, Valproinsäure
erhöhte Rezeptorsensitivität Lithium
Tabelle 1: Mechanismen der Serotonin-Erhöhung im synaptischen Spalt der Nervenzellen

Den Apothekern kommt hier vor allem die Aufgabe zu, Patienten und auch Ärzte, zum Beispiel in Qualitätszirkeln und bei Visiten, sowie Pflegekräfte in Pflegeheimen zu informieren und zu sensibilisieren. Fällt dem Apothekenteam eine Interaktion mit irreversiblen MAO-Hemmern (Beispiele: Tranylcypromin, Phenelzin, Isocarboxazid) und Antidepressiva oder anderen serotonergen Substanzen (Tabelle 1) auf, sollte es direkt den Arzt kontaktieren. Bei irreversibler MAO-Hemmung kann ein Absetzen keine schnelle Besserung oder Abklingen des Syndroms bewirken; es droht daher Lebensgefahr, wenn diese Interaktion übersehen wird.

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