Die wichtigsten Interaktionen |
In der Behandlung von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störungen (ADHS) werden sowohl Stimulanzien wie Methylphenidat, Amphetamin und Lisdexamphetamin als auch sogenannte Non-Stimulanzien wie Guanfacin und Atomoxetin eingesetzt. Auch hier sind zahlreiche Wechselwirkungen möglich.
Stimulanzien wirken vor allem noradrenerg und dopaminerg. Aus der noradrenergen Wirkung ergeben sich Interaktionen mit Antihypertensiva, Sympathomimetika, Sympatholytika und Antiglaukomatosa (wie bei Antidepressiva). Ebenfalls wie bei den Antidepressiva sollte eine Kombination mit MAO-Hemmern vermieden werden, da durch die vermehrte Sympathikusaktivierung hypertensive Krisen ausgelöst werden können (das ist kein Serotonin-Syndrom!).
Eine Kombination von Stimulanzien mit dopaminergen Wirkstoffen wie Dopaminagonisten oder Levodopa kann – wie auch eine Monotherapie in hoher Dosierung – zu Psychosen führen (16). Stimulanzien können die Wirkung von Antipsychotika abschwächen und damit ein Wiederauftreten akuter psychotischer Symptome begünstigen (17). Durch die Nebenwirkung »Krampfschwellensenkung« ergibt sich bei allen Stimulanzien eine Interaktion durch die Abschwächung gleichzeitig eingenommener Antiepileptika.
Pharmakokinetisch ergeben sich für Methylphenidat keine Interaktionen über das CYP-System. Hingegen führt eine Veränderung des pH-Werts des Magens und des Harns zu Interaktionen. PPI vermindern die Resorption, Ascorbinsäure (auch in Acetylsalicylsäure-Präparaten) und Thiaziddiuretika können die Clearance hingegen erhöhen und damit die Wirkung abschwächen. Da Natriumhydrogencarbonat die Clearance vermindern kann, ist Vorsicht bei der Abgabe von »Basenpräparaten« angezeigt.
CYP2D6-Inhibitoren (Tabelle 3) können die Amphetamin-Serumkonzentrationen steigen lassen (18, 19).
Bei den Non-Stimulanzien muss zwischen Guanfacin (α-Agonist) und Atomoxetin (Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) unterschieden werden. Unter Guanfacin sinkt der Blutdruck ab. Dieser Effekt kann durch Antihypertensiva und andere blutdrucksenkende Wirkstoffe verstärkt werden. Die Dosis sollte sehr langsam und unter Blutdruckkontrolle gesteigert werden. Das Apothekenteam sollte Patienten auf Orthostase-Störungen hinweisen und regelmäßige Blutdruckkontrollen sowie langsames Aufstehen empfehlen. Das gilt auch bei Kombination mit CYP3A4-Inhibitoren sowie -Induktoren, da Guanfacin ein CYP3A4-Substrat ist.
Atomoxetin hebt den Blutdruck und Puls an; daher ist eine langsame Eindosierung, vor allem bei antihypertensiv behandelten Patienten, ratsam. Da der Metabolismus hauptsächlich von der Aktivität des CYP2D6-Enzyms abhängt, ist insbesondere darauf zu achten, dass keine CYP2D6-Inhibitoren kombiniert werden. Für Atomoxetin gibt es Genotyp-basierte Leitlinien, um Über- und Unterdosierungen zu vermeiden (20).
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Lamotrigin ist einer der wenigen Wirkstoffe mit relevanten UGT-Interaktionen (UDP-Glucuronosyltransferase), also dem Glucuronidierungsschritt im Metabolismus. Für die Selbstmedikation von großer Bedeutung: Paracetamol senkt die Lamotrigin-Serumkonzentration, weil es die Glucuronidierung beschleunigt (Induktionseffekte).
Valproat hemmt hingegen die Glucuronidierung von Lamotrigin. Daher kann es bei schnellem Anstieg der Serumkonzentration zum Steven-Johnson-Syndrom kommen, einer potenziell letalen Nebenwirkung. Die Fachinformationen enthalten daher Dosistabellen für die Kombination.
Eine weitere Wechselwirkung über UGT besteht für Estrogen: Die Lamotrigin-Spiegel werden dadurch abgesenkt. Relevant ist dies bei Einnahme von Ethinylestradiol-haltigen Kontrazeptiva (21). Gestagen-haltige Kontrazeptiva sind zu bevorzugen. Andernfalls kann eine Einnahme ohne siebentägige Einnahmepause angeraten werden, wobei die Lamotrigin-Dosis TDM-gestützt ermittelt werden sollte. In der Schwangerschaft sinken durch den Estrogen-Anstieg ebenfalls die Lamotrigin-Spiegel; dies erhöht das Rückfallrisiko der Frauen für eine depressive Episode oder epileptische Anfälle. Auch hier eignet sich TDM zum Anpassen der Dosis im Verlauf.
Achtung Adrenalin-Umkehr!
Für Rettungsdienste und Intensivmediziner ist eine Interaktion der Zweitgenerations-Antipsychotika, zum Beispiel von Quetiapin, Risperidon und Olanzapin, besonders relevant. Eine durch eine α1-Rezeptorblockade vermittelte Hypotonie unter Antipsychotika wird durch Gabe von Adrenalin noch verstärkt, da Adrenalin dann verstärkt an β2-Rezeptoren andocken kann, was zu einer weiteren Vasodilatation führt. Diese »Adrenalin-Umkehr« kann lebensbedrohlich sein. Bei Patienten unter Antipsychotika muss daher Noradrenalin verwendet werden. Hier tritt die Adrenalin-Umkehr durch dessen geringere Affinität zu β2-Rezeptoren nicht auf (22, 23).