Steckbrief Sitagliptin |
Sven Siebenand |
17.09.2021 06:53 Uhr |
Das Portfolio an oralen Antidiabetika und Insulinen ist groß. Neben Sitagplitin umfasst es noch weitere DPP-4-Hemmer. / Foto: Adobe Stock/adrian_ilie825
Wie wirkt Sitagliptin?
Sitagliptin ist ein Dipeptidylpeptidase-4-Hemmer (DPP-4-Hemmer). Der Wirkstoff steigert die Aktivität von Darmhormonen, indem er ihren Abbau bremst. Das Glucagon-like Peptide-1 (GLP-1) gehört ebenso zu dieser Gruppe der Inkretinhormone wie das Glucose-dependent-Insulinotropic-Peptide (GIP). Nach der Aufnahme von Kohlenhydraten sezernieren Zellen im Darm GLP-1 und GIP. Als Folge steigt die Insulinsekretion. Das geschieht allerdings nur unter hyperglykämischen Bedingungen. Bei Normo- oder Hypoglykämie erhöhen die Peptide die Insulinsekretion nicht. Dieser sogenannte Inkretineffekt ist bei Menschen mit Typ-2-Diabetes vermindert.
GLP-1 hat vielfältige weitere Effekte. Es hemmt die Glucagonfreisetzung, die bei Typ-2-Diabetikern oft erhöht ist. In der Folge sinkt die hepatische Glucoseproduktion. Zudem verzögert es die Magenentleerung und drosselt den Appetit. Endogenes GLP-1 weist eine sehr kurze Halbwertszeit auf, da es durch das Enzym DPP-4 zu unwirksamen Metaboliten abgebaut wird. Wird DPP-4 durch Sitagliptin oder ein anderes Gliptin gehemmt, bleiben GLP-1, GIP und andere Substrate des Enzyms länger aktiv.
Was ist die Indikation von Sitagliptin?
Sitagliptin kommt bei Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes zur Verbesserung der Blutzuckerkontrolle zum Einsatz. Dabei sind eine Monotherapie, eine orale Zweifach- oder Dreifachkombination sowie die zusätzliche Gabe von Insulin möglich. Bei Typ-1-Diabetes ist Sitagliptin nicht zugelassen.
Wann ist eine Monotherapie indiziert?
Die Monotherapie mit dem Gliptin (Januvia® oder Xelevia®) ist möglich, wenn Diät und Bewegung allein den Blutzucker nicht ausreichend senken und wenn Metformin aufgrund von Gegenanzeigen oder Unverträglichkeit nicht geeignet ist.
Welche oralen Zweifachtherapien sind möglich?
Eine Kombination von Sitagliptin mit Metformin (Fixkombinationen Janumet® oder Velmetia®) kann erfolgen, wenn Diät, Bewegung plus Metformin alleine den Blutzucker nicht ausreichend senken. Eine Zweifachkombination mit einem Sulfonylharnstoff ist zugelassen, wenn Diät und Bewegung plus Sulfonylharnstoff-Monotherapie in der höchsten vertragenen Dosis den Blutzucker nicht ausreichend senken und wenn Metformin aufgrund von Gegenanzeigen oder Unverträglichkeit nicht geeignet ist. Zudem ist die Zweifachkombination mit einem PPARγ-Agonisten erlaubt. Diese ist indiziert, wenn die Anwendung eines PPARγ-Agonisten angebracht ist und Diät sowie Bewegung plus Monotherapie mit einem PPARγ-Agonisten den Blutzucker nicht ausreichend senken. Auch eine Fixkombination mit dem SGLT-2-Hemmer Ertugliflozin (Steglujan®) gibt es seit einigen Jahren im Handel. Zwischenzeitlich gab es in anderen Ländern auch eine Fixkombination mit dem Lipidsenker Simvastatin. In der EU war diese Kombination allerdings nie zugelassen und sie ist weltweit auch nicht mehr auf dem Markt.
In vielen Ländern weltweit kommt Sitagliptin zum Einsatz. Hier hält ein Apotheker in Thailand Januvia® in seinen Händen. / Foto: Adobe Stock/I-Viewfinder
Wie sehen orale Dreifachkombinationen aus?
Sitagliptin kann mit einem Sulfonylharnstoff und Metformin eine Dreierkombi bilden, wenn Diät und Bewegung plus eine Zweifachtherapie mit diesen Wirkstoffen den Blutzucker nicht ausreichend senken.
Auch zum Beispiel die Kombination mit einem PPARγ-Agonisten und Metformin ist denkbar, wenn die Anwendung eines PPARγ-Agonisten angebracht ist und Diät und Bewegung plus eine Zweifachtherapie mit diesen Wirkstoffen den Blutzucker nicht ausreichend senken konnte.
Was ist zur Kombination mit Insulin zu sagen?
Der DPP-4-Hemmer kann auch zusätzlich zu Insulin eingenommen werden, wenn Diät und Bewegung sowie eine stabile Insulindosis den Blutzucker nicht ausreichend senken. Dabei spielt es keine Rolle, ob Metformin zusätzlich eingenommen wird oder nicht.
Wie sieht die Dosierung aus?
Die übliche Dosis beträgt 100 mg Sitagliptin einmal täglich. Bei mäßiger Nierenfunktionsstörung wird auf 50 mg einmal täglich reduziert, bei schwerer Nierenfunktionsstörung auf 25 mg einmal täglich. Die Nierenfunktion sollte vor Therapiestart und danach in regelmäßigen Abständen kontrolliert werden.
Die Dosierungen von Metformin und PPARγ-Agonisten müssen in Kombination mit Sitagliptin nicht verändert werden. Wird der DPP-4-Hemmer mit einem Sulfonylharnstoff oder mit Insulin kombiniert, kann eine niedrigere Dosis des Sulfonylharnstoffs oder des Insulins in Betracht gezogen werden, um das Risiko für Hypoglykämien zu senken.
Welche Nebenwirkungen sind möglich?
Häufig wird über Kopfschmerz berichtet. Auch Verdauungsbeschwerden sind möglich, ebenso Unterzuckerungen (in Kombination mit Insulin oder Sulfonylharnstoffen). Die Anwendung von DPP-4-Inhibitoren wurde mit einem Risiko für die Entwicklung einer akuten Pankreatitis assoziiert. Anhaltende starke Bauchschmerzen sind ein charakteristisches Symptom einer akuten Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Das sollten Personen, die Sitagliptin einnehmen, wissen.
Was ist in Schwangerschaft und Stillzeit zu bedenken?
Sowohl Schwangeren als auch Stillenden wird nicht empfohlen, Sitagliptin einzunehmen.
Welche Wechselwirkungen gilt es zu beachten?
Das Wechselwirkungspotenzial von Sitagliptin ist gering. Der DPP-4-Hemmer erhöht die Digoxin-Spiegel. Menschen mit einem Risiko für eine Digoxin-Toxizität sollten unter einer gemeinsamen Behandlung mit Sitagliptin und dem Herzglykosid entsprechend überwacht werden.
Wie wirken sich DPP-4-Hemmer auf das Gewicht aus?
Während GLP-1-Rezeptoragonisten dazu beitragen können, das Gewicht zu reduzieren, und Sulfonylharnstoffe das Gewicht erhöhen können, sind DPP-4-Hemmer gewichtsneutral.
Noch etwas Zukunftsmusik zum Schluss:
Der DPP-4-Hemmer könnte eines Tages in einer ganz anderen Indikation zum Einsatz kommen. Möglicherweise bietet Sitagliptin nämlich einen Schutz vor Fehlgeburten. Forscher fanden heraus, dass die Hemmung von DPP-4 durch Sitagliptin dazu führt, dass sich die Bedingungen in der Gebärmutter für den Embryo verbessern. Die Zahl an bestimmten Stammzellen nimmt zu. Die sogenannten Decidualzellen umgeben den Embryo und schützen ihn so vor Stress und Entzündung. In einer kleinen Studie traten bei Frauen, die Sitagliptin eingenommen hatten, später keine Fehlgeburten mehr auf. Diese ersten Ergebnisse müssen aber noch in größeren Untersuchungen bestätigt werden, bevor an eine Indikationserweiterung zu denken ist.
Strukturformel Sitagliptin / Foto: Wurglics