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AMTS in der Stillzeit

Sicherheit für Mutter und Kind

Besonderheiten beachten

Als Besonderheit bei Neugeborenen und Säuglingen mit Folgen für die Pharmakokinetik wiederum ist die Tatsache von Bedeutung, dass bei diesen im Gegensatz zu anderen Altersgruppen die Blut-Hirn-Schranke noch nicht vollständig ausgebildet ist und Arzneistoffe somit leichter ins Zentralnervensystem (ZNS) gelangen können. Auch haben Säuglinge eine unregelmäßige Magen-Darm-Tätigkeit und einen höheren pH-Wert im Magen, was die Bioverfügbarkeit basischer Stoffe steigert.

Da Neugeborene einen großen Wasseranteil im Körper haben, ist bei ihnen das Verteilungsvolumen für hydrophile Stoffe sehr hoch, für lipophile Arzneistoffe jedoch niedrig. Die Plasmaproteinbindung ist geringer, da sich die Leber und mit ihr die Metabolisierungspotenziale entwickeln müssen. Einige CYP- oder auch Phase-2-Enzyme müssen noch zur Reife gelangen. Da auch die Fähigkeit zur renalen Clearance noch gering ist, kann die Dauer der Elimination von Wirkstoffen und somit ihre Effektivität in die Länge gezogen werden (5).

Vor diesem Hintergrund sind pharmakokinetisch insbesondere Dauermedikationen mit der Gefahr der Kumulation sowie die Gabe hoher Arzneimitteldosen kritisch zu betrachten. Gerade bei Früh- und auch bei Neugeborenen mit Vorerkrankungen ist besondere Vorsicht angezeigt (3).

Ob im Erwachsenen- oder Kindesalter: Zytostatika, Radionuklide oder iodhaltige Kontrastmittel sind per se mit besonderen Risiken verbunden. Auch Drogenkonsum der stillenden Mutter in Form von Alkohol, Nikotin, Cannabis oder Opioiden bleibt zumeist für das Kind nicht ohne Folgen. Da teratogen, wird grundsätzlich zudem zum Beispiel vom Einsatz von Isotretinoin in der Stillzeit abgeraten, auch wenn publizierte Berichte dazu bislang nicht vorliegen (3, 6).

Mit Blick auf den Einsatz von Antibiotika (sofern korrekt gewählt und indiziert), von oralen Glucocorticoiden (Mittel der Wahl: Prednisolon) oder von oralen Kontrazeptiva lässt sich festhalten, dass generell kein Abstillen notwendig ist. Als in der Stillzeit einsetzbare Antibiotika der ersten Wahl gelten Penicillin, Amoxicillin und Clavulansäure sowie Cephalosporine, Pivmecillinam und Makrolide. Fosfomycin ist Mittel der zweiten Wahl.

Nicht eingesetzt werden dürfen Sulfonamide bei Frühgeborenen und Säuglingen bis zur sechsten Lebenswoche, da durch sie Bilirubin aus der Plasmaeiweißbindung verdrängt wird und es zu hohen Bilirubin-Ablagerungen im Gehirn kommen kann. Bilirubin ist neurotoxisch und kann in hohen Dosen einen Kernikterus hervorrufen.

Fluorchinolone können im Tierversuch Knorpel- und Gelenkschäden auslösen. Ist ihr Einsatz jedoch bei spezifischen Erregern unumgänglich, so sollte auf Ciprofloxacin zurückgegriffen werden. Tetrazykline verfärben die Zahnanlagen und sind deshalb bis zum achten Lebensjahr kontraindiziert. Clindamycin hat ein hohes Risiko, antibiotikaassoziierte Durchfälle sowohl bei der Mutter als auch beim Kind zu verursachen, und wird ebenfalls nur als Antibiotikum zweiter Wahl betrachtet. Nitrofurantoin und Nitroimidazole können bei fehlender Alternative und entsprechender Indikation ebenfalls zum Einsatz kommen; der lokale Einsatz dieser Substanzen ist möglich (3, 6, 7).

Als Antidepressiva können in der Stillzeit Sertralin, Citalopram, Escitalopram, Mirtazapin und Amitriptylin gegeben werden. Wenn beim gestillten Kind unter mütterlicher Therapie Symptome wie Sedierung, Trinkschwäche oder Unruhe neu auftreten, sollte der betreuende Kinderarzt zurate gezogen werden (3). Bei bipolaren Erkrankungen hat sich Quetiapin bewährt. Methylphenidat gilt als akzeptabel. Als problematisch werden Lithium, Agomelatin, Risperidon und Clozapin angesehen.

Etwa 10 bis 15 Prozent aller Mütter leiden unter einer postpartalen, oftmals therapiebedürftigen Depression. Der behandelnde Arzt wird eine Monotherapie mit Antidepressiva anstreben, unter der ein Weiterstillen möglich ist. Kombinationstherapien werden hier eher kritisch bewertet.

Antiepileptika wie Valproinsäure und Carbamazepin gelten in Schwangerschaft und Stillzeit lediglich unter strenger Beobachtung des Kindes als akzeptabel. Wenn diese kontraindiziert sind, gelten Lamotrigin und Levetiracetam als mögliche Alternativen, wobei auch hier eine Monotherapie angestrebt werden sollte (3, 7, 8).

Als ältestes Antihypertensivum geeignet zur (Weiter-)Behandlung einer (vorbestehenden) Hypertonie in der Stillzeit gilt α-Methyldopa als Mittel der ersten Wahl. Nifedipin, Enalapril und Captopril sowie Betablocker wie Atenolol und Metoprolol sind Mittel der zweiten Wahl. Die Betablocker gehen gut in die Muttermilch über und können beim Kind sogar zu höheren Konzentrationen als im mütterlichen Plasma führen; allerdings treten nur bei sehr wenigen Kindern Symptome wie Bradykardie auf. Auch der Einsatz von Dihydralazin wäre in der Stillzeit möglich, wird aber aufgrund des ungünstigen maternalen Nebenwirkungsprofils mit Kopfschmerzen und auch Tachyphylaxie nicht mehr eingesetzt (3, 7, 9).

Etwa 6 bis 8 Prozent aller Schwangeren entwickeln eine Schwangerschaftshypertonie, bei circa 2 Prozent ist das Risiko einer Präeklampsie gegeben (9). Bleibt der Hypertonus nach der Entbindung bestehen oder litt die Patientin bereits vor der Schwangerschaft unter einem hohen Blutdruck, ist eine antihypertensive Therapie unumgänglich. Bei einem schwangerschaftsinduzierten Hypertonus sollte, wenn angezeigt, ein Ausschleichen der Therapie über zwölf Wochen erfolgen (9).

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