Schwindender Schutz abhängig vom Impfstoff |
Christina Hohmann-Jeddi |
11.11.2021 16:30 Uhr |
Geimpft ist nicht gleich geimpft. Wie häufig es zu Durchbruchinfektionen nach Coronaimpfungen kommt, hängt von der verwendeten Vakzine ab. / Foto: Adobe Stock/mbruxelle
Impfdurchbrüche nach Covid-19-Impfungen treten vermehrt auf. Laut Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) wurden in Deutschland seit der fünften Kalenderwoche 2021 insgesamt 145.185 wahrscheinliche Impfdurchbrüche gemeldet. Davon traten 96.970 nach einer abgeschlossenen Impfserie mit Comirnaty® (Biontech/Pfizer) auf, 18.585 nach Impfung mit Covid-19 Vaccine Janssen (Johnson & Johnson), 11.494 nach Vaxzevria® (Astra-Zeneca), 7096 nach Spikevax® (Moderna), 6996 nach Vaxzevria® (Astra-Zeneca) gefolgt von Comirnaty und 1241 nach der Kombination Vaxzevria und Spikevax. Das teilt das RKI im Wochenbericht vom 4. November mit. Angaben dazu, wie häufig diese Impfdurchbrüche bei welchem Präparat im Verhältnis zu den verimpften Dosen aufgetreten sind, macht das RKI nicht.
Den nachlassenden Impfschutz nach Präparat haben aber US-amerikanische Forscher um Dr. Barbara Cohn vom Public Health Institute mit Hauptsitz in Oakland, Kalifornien, für die drei in den USA eingesetzten Präparate Comirnaty, Spikevax und Covid-19 Vaccine Janssen untersucht. Der Impfschutz falle mit der Zeit insgesamt steil ab, berichtet das Team im Fachjournal »Science«. Die Forschenden hatten die Daten von etwa 780.000 Veteranen untersucht und deren SARS-CoV-2-Infektionen nach Impfstatus analysiert. Für alle Impfstofftypen nahm insgesamt der Impfschutz gegen SARS-CoV-2-Infektionen von 87,9 Prozent im Februar 2021 auf 48,1 Prozent im Oktober 2021 ab. In dem beobachteten Zeitraum hatte die infektiösere Delta-Variante weltweit die Oberhand gewonnen.
Am steilsten war der Abfall bei der Janssen-Vakzine, die nur einmal appliziert wird. Hier sank der Schutz vor einer Infektion von 86,4 Prozent im März auf 13,1 Prozent im September. Weniger dramatisch sank die Schutzwirkung vor Infektionen bei den beiden mRNA-Impfstoffen: Sie nahm bei Comirnaty von 86,9 auf 43,3 Prozent und bei Spikevax von 89,2 auf 58 Prozent ab.
Die coronabedingte Mortalität in der Kohorte war bei Ungeimpften unabhängig von Alter und Vorerkrankungen am höchsten. Unter-65-Jährige hatten dabei im Verhältnis einen größeren Nutzen durch die Impfung als Personen über 65 Jahre. Für Personen unter 65 Jahren schützte Comirnaty im Zeitraum Juli bis Oktober noch zu 84,3 Prozent, Spikevax zu 81,5 Prozent und Janssen zu 73 Prozent vor Todesfällen. Über-65-Jährige waren durch die Comirnaty-Impfung zu 70,1 Prozent, durch Spikevax zu 75,5 Prozent und durch Janssen zu 52,2 Prozent geschützt. Die Ergebnisse unterstützten die derzeitige Regelung, mit Janssen geimpfte Personen mit einem Booster zu versorgen, schreiben die Autoren.
In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) Personen, die die Janssen-Vakzine erhalten haben, eine zweite Dosis mit einem mRNA-Impfstoff zur Optimierung der Grundimmunisierung. Die zweite Impfung kann in einem Abstand von vier Wochen nach der Janssen-Dosis erfolgen – hier ist explizit kein Abstand von sechs Monaten vorgesehen. Da in den USA der Vektorimpfstoff von Astra-Zeneca nicht zum Einsatz kam, konnten für ihn in dieser Studie keine Daten gewonnen werden.
In Großbritannien wurde Vaxzevria aber in der Impfkampagne stark eingesetzt, weshalb Daten von dort auch eine Abschätzung der Impfeffektivität erlauben. Ein Team um Professor Dr. Nick Andrews von der Gesundheitsbehörde Public Health England analysierte die Schutzwirkung im Zeitverlauf in Vergleich zu Comirnaty und veröffentlichte die Ergebnisse im Oktober auf dem Preprint-Server »MedRxiv«. Anders als in den USA hatten in Großbritannien die meisten Geimpften bei beiden Impfstoffen die beiden benötigten Dosen in einem Abstand von zwölf Wochen und nicht von drei Wochen erhalten – ein Grund, warum die Ergebnisse nicht direkt mit denen der US-Studie zu vergleichen sind. Die Forschenden um Andrews bezogen für ihre Studie bestätigte Coronainfektionen in Großbritannien von Anfang Dezember 2020 bis September 2021 mit ein.
Der Untersuchung zufolge beginnt der Immunschutz zehn Wochen nach der zweiten Impfdosis abzusinken. 20 Wochen (also etwa fünf Monate) nach Abschluss der Grundimmunisierung betrug der Schutz vor symptomatischem Covid-19 bei Comirnaty 69,7 Prozent und bei Vaxzevria 47,3 Prozent. Bei den Über-65-Jährigen fiel der Schutz nach 20 Wochen bei beiden Vakzinen geringer aus: Er betrug bei Comirnaty 55,3 Prozent und bei Vaxzevria 36,6 Prozent. Gegen Todesfälle schützten beide Vakzinen auch nach 20 Wochen noch zuverlässig: Der Schutz lag bei 90,4 Prozent für Comirnaty und bei 78,7 Prozent für Vaxzevria.
Insgesamt nehme der Schutz der Vektorvakzine Vaxzevria rascher ab als der des mRNA-Impfstoffs Comirnaty, schreiben die Autoren. Der Abfall des Immunschutzes sei zudem bei Älteren und bei Vorerkrankten stärker als bei jüngeren und gesunden Personen, weshalb diese Risikogruppen priorisiert geboostert werden sollten.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.