Rote-Hand-Brief für Gentherapie Zolgensma |
Daniela Hüttemann |
16.02.2023 11:00 Uhr |
Es wird vermutet, dass es zu einer Überreaktion des Immunsystems auf den viralen Vektor des Gentherapeutikums kommt, was zu einem akuten Leberversagen führte. / Foto: Adobe Stock/Crystal light
Das Gentherapeutikum Zolgensma von Novartis ist seit Mai 2020 in der EU zugelassen, um bei Patienten mit der seltenen Erbkrankheit spinale Muskelatrophie (SMA) vom Typ 1 das defekte Gen zu ersetzen. Ohne Behandlung sterben SMA-Typ1-Patienten meist innerhalb der ersten fünf Lebensjahre. Seit Oktober 2021 wird im erweiterten Neugeborenen-Screening auf eine SMA getestet, da es inzwischen mehrere Therapieoptionen gibt.
Zolgensma basiert auf einem viralen Vektor (nicht replizierende Adeno-assoziierte Viren 2/9), der die genetische Information für das intakte SMN1-Gen in die menschlichen Zellen einschleust. Dabei wird die künstliche DNA nicht in die zelleigene DNA eingebaut, sondern liegt als ringförmiges Episom im Zellkern und kann abgelesen werden.
Die In-vivo-Gentherapie in Form einer einmaligen Infusion lässt auf eine lebenslange Heilung hoffen, wobei Langzeitdaten naturgemäß noch fehlen. Weitere Optionen bei SMA sind das Antisense-Oligonukleotid Nusinersen (Spinraza®), das alle vier Monate (nach drei Applikationen im ersten Monat und Tag 63) intrathekal verabreicht wird, und das oral einzunehmende Medikament Risdiplam (Evrysdi®), ein sogenannter Spleiß-Modifikator. Es muss als orale Lösung dem Kind täglich gegeben werden.
Angewendet wurde die Gentherapie Zolgensma mittlerweile bei etwa 3000 Personen, heißt es in einem aktuellen Rote-Hand-Brief. Eine gewisse Hepatotoxizität mit erhöhten Aminotransferasen war bereits bekannt und als häufig eingestuft. Nun wurden zwei Fälle akuten, tödlichen Leberversagens bei Kindern im Alter von zwei und vier Jahren gemeldet. Als Mechanismus wird eine Immunreaktion auf den Vektor vermutet.
Um solche schweren Reaktionen zu verhindern, wird grundsätzlich eine prophylaktische Corticosteroid-Behandlung im Rahmen der Gentherapie gegeben. Hier wurden die Empfehlungen nun konkretisiert. Die Corticosteroide sollen erst bei unauffälligen Leberfunktionstests ausgeschlichen werden. Dazu soll die Leberfunktion der Patienten zu Beginn und regelmäßig für mindestens drei Monate nach der Infusion von Onasemnogen-Abeparvovec überwacht werden – im ersten Monat und während der gesamten Corticosteroid-Ausschleichphase wöchentlich, anschließend zweiwöchentlich für einen weiteren Monat und zu anderen Zeitpunkten, wenn dies klinisch angezeigt ist.
Falls der Patient nicht ausreichend auf die Corticosteroide anspricht, sollte ein pädiatrischer Gastroenterologe oder Hepatologe hinzugezogen und eine Anpassung des Corticoid-Dosierungsschemas in Betracht gezogen werden. Neben einer Dosiserhöhung und längeren Dauer kann das Ausschleichen verlangsamt werden. Die zwei Todesfälle traten sechs bis sieben Woche nach der Zolgensma-Infusion ein, also in der Zeit, als die Corticosteroide ausgeschlichen wurden.
Verschlechtert sich die Leberfunktion laut Labordaten und/oder gibt es Anzeichen einer akuten Lebererkrankung, muss der Patient unverzüglich genauer untersucht werden. Die Betreuungspersonen sollen über das Risiko schwerwiegender Leberschäden samt Symptomatik wie Erbrechen und Schwäche sowie die Notwendigkeit der regelmäßigen Überwachung der Leberfunktion informiert werden. Die Produktinformationen werden entsprechend aktualisiert.