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Bremer Pharmakologe

»Paxlovid-Abgabe in Praxen ist Sündenfall schlechthin«

Das Covid-19-Therapeutikum Paxlovid® liegt millionenfach zur Verordnung bereit, fristet aber ein Dasein als Ladenhüter. Das Bundesgesundheitsministerium will deshalb die Abgabemöglichkeiten erweitern und Ärzten die Paxlovid-Abgabe erlauben. Der Bremer Pharmakologe Professor Bernd Mühlbauer hält dies für eine »Katastrophe«.
Cornelia Dölger
15.08.2022  11:00 Uhr
»Paxlovid-Abgabe in Praxen ist Sündenfall schlechthin«

Paxlovid ist hierzulande reichlich vorhanden, seit der Bund mehr als eine Million Dosen organisiert hat. Die zentral vom Bund beschafften Covid-19-Medikamente sollen vor allem Risikopatienten vor schweren Verläufen schützen. Die Paxlovid-Dosen lagern allerdings mehrheitlich in Regalen, anstatt verordnet zu werden. Um sie unters Volk zu bringen, sollen Arztpraxen und auch Pflegeheime das Präparat direkt und ohne Beteiligung von Apotheken abgeben dürfen, so sieht es ein entsprechender Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium von Anfang August vor.

Unstrittig, dass dies zu heftiger Kritik seitens der Apotheken führte. Es gelte, am bewährten Vertriebs und Abgabeweg unbedingt festzuhalten, schrieb die ABDA in einer Stellungnahme. Nicht die Verfügbarkeit und Abgabe der Arzneimittel sei das Problem, »sondern vielmehr die fehlende Bereitschaft der Ärztinnen und Ärzte (aus welchen Gründen auch immer), diese Arzneimittel zu verschreiben«, hieß es.

Rückenwind bekommen die Apotheker auch aus Bremen, wo Professor Bernd Mühlbauer das Institut für Pharmakologie und Toxikologie am dortigen Klinikum Bremen Mitte leitet. »Die Abgabe von Paxlovid aus Arztpraxen halte ich persönlich für den Sündenfall schlechthin«, sagte Mühlbauer im Gespräch mit der PZ. Wenn Ärzte ein bestimmtes Arzneimittel gegen Honorar abgeben dürften, sei das »eine Katastrophe für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient«, so der Pharmakologe, der auch dem Vorstand der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AMKdÄ) angehört.

Bruch mit dem »Edikt von Salerno«

Seine Kritik am geplanten Coup des Bundesgesundheitsministers ist facettenreich. Zunächst einmal sieht Mühlbauer überhaupt keinen Anlass für einen solchen Schritt. »Das Mittel ist in Apotheken schnell und unkompliziert zu bekommen, etwa auch durch den Botendienst«, so Mühlbauer. Insofern sei etwa das Argument, dass mit der direkten Abgabe in Praxen die Infektionsrisiken sinken würden, nicht stichhaltig.

Gegen ein Dispensierrecht für Ärzte sei in Ausnahmefällen aus seiner Sicht zwar nichts einzuwenden, etwa für Notfallsituationen in ländlichen Bereich, so Mühlbauer weiter. »Auch wenn es darum ginge, alle verfügbaren Covid-19-Medikamente vorzuhalten, um die Abgabe möglichst unkompliziert zu machen, hätte ich zwar auch Bauchschmerzen, aber es wäre hinnehmbar.« Dass die Ärzte aber nun die Abgabe eines bestimmten Mittels forcieren sollten und dafür auch noch honoriert würden, breche mit einem jahrhundertealten Gesetz – dem »Edikt von Salerno« –, das Ärzten klar untersage, zu verordnen und zugleich mit Arzneimitteln zu handeln.

Mit diesem uralten Prinzip soll bekanntlich verhindert werden, dass Ärzte an den eigenen Verordnungen verdienen. Die Trennung zwischen Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln ist auch im Arzneimittelgesetz verankert. Diese sieht Mühlbauer durch die geplante Paxlovid-Abgabe in Gefahr. »Wenn nun der Patient den Arzt fragt, ob er Geld dafür bekommt, dass er dieses bestimmte Mittel verordnet, muss der Arzt das mit ja beantworten«, so Mühlbauer. Dadurch erhielten wirtschaftliche Aspekte bei der Verschreibung eine Rolle – ein heftiger Schlag für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.

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