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Antibiotika-Resistenzen

Noch gibt es Therapiemöglichkeiten

Zwar nehmen Infektionen mit multiresistenten Bakterien zu. Noch lassen sich jedoch die meisten Patienten behandeln. Damit das so bleibt, müssen alle mithelfen. Einen Überblick zur aktuellen Resistenzsituation gab Hygiene-Expertin Professor Dr. Petra Gastmeier bei der Scheele-Tagung in Warnemünde.
Daniela Hüttemann
24.11.2022  09:00 Uhr

Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien verursachen in Europa eine genauso hohe Krankheitslast wie Influenza, Tuberkulose und HIV zusammengenommen, verdeutlichte Gastmeier, Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Berliner Charité sowie Leiterin des nationalen Referenzzentrums für nosokomiale Infektionen. Für Deutschland geht das Robert-Koch-Institut derzeit von jährlich etwa 50.000 Infektionen und 2500 Toten aus. »Damit stehen wir vergleichsweise gut da«, so Gastmeier. Besser sehe es nur in den skandinavischen Ländern und den Niederlanden aus; am schlechtesten in Europa in Italien, Griechenland und Rumänien. 

Doch wir dürfen uns weder in Deutschland noch in Europa isoliert betrachten. »Die Weltsituation ist noch viel wichtiger – und schlechter«, so Gastmeier. Global könne man jährlich 1,34 Millionen Todesfälle resistenten Erregern zuschreiben; weitere 5,1 Millionen Todesfälle sind mit ihnen assoziiert. Zum Vergleich: 2020 starben etwa 2,0 Millionen Menschen an oder mit Covid-19. Neueste Zahlen der EU-Gesundheitsbehörde ECDC gehen von mehr als 35.000 Toten jährlich im europäischen Wirtschaftsraum aufgrund von Antibiotikaresistenzen aus.

Während weltweit weiterhin vor allem Methicillin-resistente Staphylococcus aureus das größte Problem darstellen, sind es auf deutschen Intensivstationen vor allem Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) und die sogenannten multiresistenten gramnegativen (MRGN), die zunehmend nosokomiale Infektionen auslösen. MRGN gehören Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae und Pseudomonas aeruginosa an. Je nachdem, ob sie gegen drei oder vier wichtige Antibiotikagruppen (Penicilline, Carbapeneme, Cephalosporine und Fluorchinolone) resistent sind, bezeichnet man sie als 3MRGN oder 4MRGN.

Während die Zahl der nosokomialen MRSA-Infektionen weiter rückläufig sei, seien die VRE- und MRGN-Fälle auf den deutschen Intensivstationen, die sich am Überwachungsnetzwerk beteiligen konstant, bezog sich die Referentin auf neueste Auswertungen. Die Pandemie habe hier keinen Einfluss gehabt, obwohl anfangs auch bei Covid-19 Therapieversuche mit Antibiotika gemacht wurden.

Jeder vierte Krankenhauspatient bekommt Antibiotika

Von etwa 400.000 bis 600.000 nosokomialen Infektionen seien etwa 30.000 (6 Prozent) durch multiresistente Bakterien verursacht und etwa 0,3 Prozent mit solchen, die gegen alles resistent sind. »Wenn wir einen Patienten mit 4MRGN bekommen, gehen bei uns die Alarmlichter an und der Patient wird isoliert«, erklärte Gastmeier das Vorgehen. Bis 2012 habe man an der Charité einen solchen Fall eigentlich nie gehabt und bislang nur bei Reiserückkehrern aus dem Ausland.

Da wirklich neue Antibiotika nicht in Sicht sind, versucht man diejenigen, die man hat, möglichst zu schonen. »Ein optimierter Antibiotika-Einsatz und die Verhinderung der Übertragung sind die wichtigsten Maßnahmen überhaupt«, so die Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin. Händehygiene sei im Krankenhaus essenziell. Immerhin sei der Gebrauch von Händedesinfektionsmittel seit 2007 kontinuierlich gestiegen, doch zeigten Compliance-Untersuchungen, dass immer noch fast jede vierte eigentlich vorgesehene Händedesinfektion verpasst werde.

Im Krankenhaus erhalte etwa jeder vierte Patient ein Antibiotikum, auf der Intensivstation jeder zweite. Laut deutschem Surveillance-System steigt der Gebrauch immer noch an, auch bei Breitspektrum-Antibiotika wie Piperacillin/Tazobactam. Unklar sei, ob ein Grund ist, dass die Patienten immer kränker seien. Gastmeier sieht auf jeden Fall Optimierungspotenzial – am besten im interdisziplinären ABS-Team (Antibiotic Stewardship) inklusive Krankenhausapotheker und Hygieniker. Oft würden Breitspektrum-Antibiotika zu Beginn des Krankenhausaufenthalts angesetzt, aber die Therapie nicht deeskaliert oder präzisiert, wenn entsprechende Laborbefunde vorliegen – »das ist ein wichtiger Ansatzpunkt, um Antibiotika einzusparen«, so Gastmeier.

Ambulante Antibiotika-Verordnungen gehen zurück

Im ambulanten Bereich tue sich nach intensiven Kampagnen langsam etwas: Hier geht der Antibiotikaverbrauch laut Gastmeier zurück, vor allem bei den Kinderärzten. Jeder Versicherte erhält im Schnitt alle zwei Jahre noch eine entsprechende Verordnung. Hier sei nach wie vor das größte Problem, dass der Arzt ohne Labordiagnostik entscheiden müsse, ob eine bakterielle oder virale Infektion vorliegt. »Wir brauchen hier bessere Werkzeuge wie Point-of-Care-Tests, aber auch ein zeitnahes Feedback zum eigenen Verschreibungsverhalten im Vergleich zu anderen Ärzten in der Region«, so die Referentin.

Zudem müssten Ärzte besser kommunizieren, warum sie kein Antibiotikum verordnen, auch wenn der Patient es einfordert, denn viele glauben immer noch, dass Antibiotika auch bei viralen Infekten helfen. »Wenn schon kein Rezept, so händigt man dem Patienten am besten etwas anderes aus, wie einen Infozettel, was man sonst gegen den Infekt tun kann, und sei es abwarten und Tee trinken«, riet Gastmeier. 

Weiterhin biete man viele Fortbildungsmöglichkeiten für Ärzte zur rationalen Antibiotikatherapie (RAI) an, auch in verschiedenen Formaten wie »Infected – der Antibiotika-Podcast«. Aber schon im Studium müsse für das Thema stärker sensibilisiert werden. So gibt es zum Beispiel im Rahmen des RAI-Projektes der Charité das kostenlose Online-Seminar »Basis-Antibiotikaführerschein für Studierende der Humanmedizin«, das auch Pharmaziestudierenden und Apothekern offen stehen würde, betonte Gastmeier. Der Kurs kann im Selbststudium im eigenen Tempo absolviert werden.

»Es ist ein One-Health-Problem, aber es gibt viele Optimierungsmöglichkeiten – hier muss jeder einzelne seinen Beitrag leisten und alle Berufsgruppen müssen dafür zusammenarbeiten«, betonte Gastmeier. Und zum Schluss noch eine gute Nachricht: Der Verbrauch von Antibiotika bei Tieren hat laut Europäischer Arzneimittelagentur im Jahr 2021 den bisher niedrigsten Punkt erreicht: Gemäß der Daten aus 25 europäischen Ländern ist der Verkauf seit 2011 um 47 Prozent zurückgegangen.

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