Pharmazeutische Zeitung online
Arzneimittelversorgung

»Nehmt ARMIN als Beispiel!«

Die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen ermöglichte erstmals durch eine elektronische Vernetzung von Arzt und Apotheker ein strukturiertes Medikationsmanagement von multimorbiden Patienten. Nach acht Jahren läuft das Projekt aus. Hat ARMIN eine Zukunft?
Ev Tebroke
30.06.2022  10:30 Uhr

Acht Jahre und drei Monate – und jetzt ist Schluss. Das Modellprojekt ARMIN, die sogenannte Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen, läuft zum 30. Juni 2022 aus. Stefan Fink, Vorsitzender des Thüringer Apothekerverbands (ThAV), zeigt sich enttäuscht. »Ich bin sehr wehmütig, dass wir den betreuten Patienten keine Anschlussversorgung garantieren können. Denn die technischen Voraussetzungen, ARMIN im Rahmen einer Regelversorgung weiterzuführen, stehen seitens der Gematik aktuell nicht zur Verfügung.«

Für die im Projekt eingebundenen multimorbiden Patienten, die regelmäßig mehr als fünf Medikamente gleichzeitig einnehmen müssen, bedeutet dies von einem Tag auf den anderen das Ende der IT-gestützten, strukturierten Versorgung durch Arzt und Apotheker. »Die Patienten waren sehr zufrieden mit dem Konzept, dass Arzt und Apotheker sich gemeinsam intensiv um ihre Arzneimitteltherapie-Sicherheit (AMTS) kümmern«, betont Fink. Und ergänzt: »Sie fühlten sich mit dem Medikationsmanagement und der -analyse sehr sicher, weil auch OTC-Produkte und Nahrungsergänzungsmittel (NEM) berücksichtigt wurden und der Arzt dadurch über alle Präparate informiert wurde, die der Patient dauerhaft einnimmt.«

ARMIN-Errungenschaften in EPA umsetzen

Bis zuletzt hatten die beteiligten Projektpartner, die AOK Plus, Apotheker und Ärzte in Sachsen und Thüringen auf eine Weiterführung der ARMIN-Errungenschaften etwa durch eine Implementierung in der elektronischen Patientenakte (EPA) gedrängt. Doch die technische Umsetzung von EPA und Co. zieht sich bekanntlich. Die Beteiligten hätten der Gematik zwar ihre technischen Lösungen, die sich in der Praxis bewährt haben und die sie daher als Goldstandard sehen, gespiegelt, um sie in der EPA umzusetzen, so Fink. Und teilweise sei das auch gelungen. »Die EPA wird hoffentlich Funktionalitäten haben, die sich in ARMIN bewährt haben.« Aber weil die Entscheidungen dazu auf Bundesebene nur langsam vorankommen, gibt es nun erstmal kein Anschlussvorhaben für ARMIN.

Der Startschuss für die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN) fiel im April 2014. Die Projektpartner, der Sächsische und der Thüringer Apothekerverband (SAV, ThAV), die Kassenärztlichen Vereinigungen in Sachsen und Thüringen (KVS, KVT) und die AOK Plus hatten sich einiges vorgenommen: Das vom Bund geförderte Modellprojekt, ursprünglich als ABDA-KBV-Konzept gestartet, hatte das Ziel, die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung zu erhöhen und die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) und Therapietreue von multimorbiden Patienten zu verbessern.

Erreicht werden sollte dies durch eine elektronisch gestützte strukturierte Zusammenarbeit von Arzt und Apotheker bei der Patientenbetreuung. Das Modell war in drei Module aufgeteilt: Den Anfang machten die sogenannte Wirkstoffverordnung und der Medikationskatalog. Statt spezifischer Präparate stand auf dem Rezept lediglich der Wirkstoff, sodass der Patient in der Apotheke stets das jeweilige Rabattarzneimittel erhielt. Der von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erarbeitete Medikationskatalog wiederum lieferte eine Übersicht der für versorgungsrelevante Indikationen zugelassenen Wirkstoffe- und Wirkstoffkombinationen. Am 1. Juli 2016 startete dann mit dem Medikationsmanagement das Herzstück von ARMIN.

Seite123>

Mehr von Avoxa