Muslime in der Apotheke |
Mit der Patientenadhärenz befasste sich eine 2020 als Abstract veröffentlichte kleine Studie (DOI: 10.1136/annrheumdis-2020-eular.4062). Sie untersuchte den Einfluss des intermittierenden Fastens im Ramadan auf die Adhärenz und Verträglichkeit von krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARD) bei Patienten mit rheumatoider Arthritis.
Sieben Männer und 29 Frauen nahmen entweder Methotrexat, Sulfasalazin oder Leflunomid ein. Zu zwei Zeitpunkten wurden Daten erhoben: sechs Monate vor Beginn des Ramadan und nach dem Fasten von mindestens sieben Tagen. Das Ramadan-Fasten beeinflusste die Verträglichkeit der Wirkstoffe nicht und es wurden keine zusätzlichen Nebenwirkungen berichtet. Jedoch nahm weniger als Hälfte der Patienten Methotrexat wie empfohlen außerhalb der Mahlzeiten ein. Auch wenn die Verträglichkeit der antirheumatischen Medikation durch das Fasten bei der Mehrheit der Patienten nicht beeinträchtigt war, sank die Adhärenz, hauptsächlich aufgrund der fehlenden Zeit zwischen den beiden Hauptmahlzeiten.
Biologika, die immer injiziert werden, brechen das Fastengebot nicht und können somit auch während des Tages appliziert werden.
Bei zahlreichen Indikationen, zum Beispiel bei rheumatoider Arthritis, nehmen Patienten Peroralia ein. Das kann im Ramadan zum Problem werden. / Foto: Adobe Stock/9nong
Eine weitere Medikation, die im Ramadan Probleme bereiten kann, sind Schilddrüsenhormone, die nüchtern eingenommen werden müssen. Für den besten Einnahmezeitpunkt im Ramadan gibt es unterschiedliche Empfehlungen. So kann der Gläubige die Tagesdosis unmittelbar nach Sonnenuntergang schlucken und muss dann mindestens eine halbe Stunde mit der ersten Mahlzeit warten. Oder er steht morgens früher auf, um ausreichenden zeitlichen Abstand von mindestens einer halben Stunde zur Morgenmahlzeit zu wahren. Ein drittes mögliches Einnahmefenster liegt mindestens vier Stunden nach der Abendmahlzeit, also spät in der Nacht. Einige Patienten warten diesen Zeitpunkt ab und nehmen ihr Schilddrüsenpräparat, bevor sie zu Bett gehen.
Eine 2019 publizierte klinische Studie hat den besten Einnahmezeitpunkt untersucht (DOI: 10.1155/2019/9843961). Verglichen wurden die beiden erstgenannten Zeitpunkte, also direkt nach Sonnenuntergang und am Morgen ausreichend lange vor dem Frühstück. Es ergaben sich keine Vorteile für einen der beiden. Die Patienten sollten deshalb die Einnahme so terminieren, dass sie ihrem Tagesrhythmus am besten entspricht und sie dieses Einnahmeschema im gesamten Fastenmonat sicher durchhalten können.
Foto: Staiger
Welche Missverständnisse bei der Arzneimittelanwendung auftreten können, zeigt ein Beispiel (DOI: 10.1097/PTS.0000000000000175). Bei einer 19-jährigen Türkin mit männlichem Behaarungstyp, die in den USA lebte, setzte die Pubertät sehr verzögert ein. Die von den Ärzten empfohlene Hormonersatztherapie mit Dexamethason-Tabletten verlief zunächst erfolgreich. Verschiedene Laborwerte und Begleitumstände erforderten jedoch die Umstellung auf eine Dexamethason-Lösung (0,5 mg/5 mL). Die junge Frau sollte einen halben Teelöffel (2,5 mL) täglich einnehmen. In der Folge verschlechterte sich ihr Zustand massiv. Die Frau versicherte, ihre Medikation gewissenhaft eingenommen zu haben.
Was führte zum Therapieversagen? Simpel, aber kulturbedingt: die Größe des Teelöffels. Ein türkischer Teelöffel ist wesentlich kleiner (Abbildung) und wird nur zum Umrühren des Tees im typischen Glas benutzt. Größere, auch unserem »Teelöffel« entsprechende Löffel heißen im kulturellen Umfeld der Patientin einfach »Löffel«. Sie hatte gemäß der Angabe »halber Teelöffel« nicht nach der absoluten Menge in mL dosiert. Eine Erklärung des Begriffs »Teelöffel« oder die Mitgabe einer Dosierhilfe hätten das Missverständnis vermeiden können. Tipp für die Praxis: bei der Abgabe von Arzneimitteln an Patienten mit Migrationshintergrund immer an das Thema Dosiergenauigkeit denken.