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Erst Astra-Zeneca, dann Biontech

Mehr Nebenwirkungen bei Impfstoffwechsel

Für viele, die einmal mit dem Covid-19-Impfstoff von Astra-Zeneca geimpft wurden, steht bei der zweiten Dosis ein Wechsel auf einen mRNA-Impfstoff an. Was weiß man bislang zu den Impfreaktionen? Und in welchem Abstand sollte die zweite Impfung folgen? Erste Daten liegen vor.
Christina Hohmann-Jeddi
14.05.2021  13:39 Uhr

Aufgrund seltener, aber gravierender Nebenwirkung des Impfstoffs Vaxzevria® von Astra-Zeneca soll dieser nur noch bei Personen ab 60 Jahren eingesetzt werden. Anfang April stellte die Ständige Impfkommission (STIKO) in einer Empfehlung klar, dass unter 60-Jährige, die bereits Vaxzevria erhalten hatten, für die Komplettierung der Grundimmunisierung als zweite Dosis einen mRNA-Impfstoff erhalten sollen. Zur Verfügung stehen hier Tozinameran (Comirnaty®) von Biontech-Pfizer und mRNA-1273 von Moderna. Zu dem heterologen Impfregime sind noch einige Fragen offen, etwa in welchem Abstand die zweite Dosis erfolgen soll.

Ursprünglich riet die STIKO zu einem Impfabstand von zwölf Wochen. Diese Empfehlung hat sie nun angepasst, nachdem Bund und Länder vergangene Woche beschlossen hatten, dass der Impfabstand bei Vaxzevria innerhalb des zugelassenen Intervalls von vier bis zwölf Wochen flexibel gehandhabt werden kann. Im »Epidemiologischen Bulletin« (19/2021) teilt die STIKO jetzt mit, dass bei unter 60-Jährigen anstelle der zweiten Vaxzevria-Impfstoffdosis innerhalb von neun bis zwölf Wochen nach Erstimpfung eine Dosis eines mRNA-Impfstoffs zu geben sei. Allerdings liege derzeit noch keine Evidenz zu Sicherheit und Wirksamkeit einer solchen heterologen Impfserie vor.

Hintergrund für den gewählten Zeitabstand sei die »beginnende Abnahme des von einer einmaligen Vaxzevria-Impfung ausgelösten Schutzes nach zwölf Wochen«, heißt es in der Publikation. Der Zeitraum von neun bis zwölf Wochen nach der Erstimpfung wurde gewählt, um eine gewisse organisatorische Flexibilität bei der Impfung zu ermöglichen.

Auch Professor Dr. Theo Dingermann, Senior Editor der Pharmazeutischen Zeitung, wies im Webcast von Pharma4u und PZ am Mittwoch darauf hin, dass zu dem bestmöglichen Abstand zwischen den Dosen bei einem heterologen Impfsystem noch keine endgültigen Daten aus Studien vorlägen. Untersucht wird das etwa in der britischen Com-Cov-Studie (»Comparing Covid-19 Vaccine Combination Schedules«), die Vaxzevria und Tozinameran in unterschiedlicher Reihenfolge und mit unterschiedlichen Abständen (vier und zwölf Wochen) testet. Die Studie wurde später auf den mRNA-Impfstoff »Covid-19 Vaccine Moderna« und NVX-CoV2373 von Novavax ausgeweitet. »Die Ergebnisse sollen in Kürze publiziert werden«, sagte Dingermann. Die STIKO wird dann vermutlich zeitnah die Empfehlungen anpassen, wenn belastbare Daten vorliegen.

Erste Daten der Com-Cov-Studie

Eine erste, am Donnerstag veröffentlichte Zwischenauswertung der Com-Cov-Studie befasst sich jedoch nicht mit der Wirksamkeit und initiierten Immunantwort des Impfsystems, sondern dessen Reaktogenität und Sicherheit. Das Fazit: Wer zwei unterschiedliche Corona-Impfstoffe bei seiner Erst- und Zweitimpfung erhält, hat eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für milde und moderate Nebenwirkungen nach der zweiten Dosis. Das berichten Forscher um Dr. Robert Shaw von der Universität Oxford im Fachjournal »The Lancet«. Anlass zur Sorge um die Patientensicherheit gebe es deswegen aber nicht, betonten die Wissenschaftler.

Von insgesamt 830 Probanden hatten 463 Freiwillige im Abstand von vier Wochen zwei Impfdosen erhalten: entweder zuerst das Präparat von Astra-Zeneca und dann das von Biontech/Pfizer oder umgekehrt oder jeweils zwei Dosen des gleichen Impfstoffs. Bei den homologen Impfserien war die systemische Reaktogenität bei Astra-Zeneca (zweimal Vaxzevria in vier Wochen) nach der ersten Dosis höher. Wer zweimal Tozinameran von Biontech/Pfizer erhielt, hatte dagegen bei der zweiten Dosis mehr systemische Reaktionen wie Fieber oder Schüttelfrost.

Im Vergleich zu den homologen Impfsystemen war bei beiden heterologen Systemen die Häufigkeit der leichten und moderaten Impfreaktionen erhöht. In der Gruppe der 110 Probanden, die zuerst Vaxzevria und dann Tozinameran erhalten hatten, berichteten 34 Prozent von Fieber. Im Vergleich dazu trat Fieber nur bei 10 Prozent der 112 Probanden auf, die zweimal Vaxzevria erhalten hatten. Ähnliches war auch bei der mRNA-Vakzine zu beobachten: Von den 114 Probanden, die Tozinameran als Prime- und Vaxzevria als Booster-Impfung erhalten hatten, berichteten 41 Prozent von Fieber, im Vergleich zu 21 Prozent beim homologen Tozinameran-Regime.

Ähnliche Anstiege wurden für Schüttelfrost, Fatigue, Kopf- und Gliederschmerzen, Unwohlsein und Muskelschmerzen beobachtet. Die meisten Reaktionen traten innerhalb von 48 Stunden nach den Impfungen auf, Hospitalisierungen waren nicht notwendig. Die hämatologischen und biochemischen Profile unterschieden sich zwischen den heterologen and homologen Impfsystemen nicht. Thrombozytopenie wurde bei keinem Probanden beobachtet.

»Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass die Gabe zweier unterschiedlicher Dosen zu vermehrten Arbeitsausfällen am Tag nach der Impfung führt«, sagte Matthew Snape von der Universität Oxford, der die Studie leitet. Das sei etwa wichtig für die Planung von Impfungen bei Beschäftigten im Gesundheitsbereich. Zu beachten sei auch, dass die 463 Probanden in der Zwischenauswertung im Durchschnitt 57 Jahre alt waren und somit zu einer Altersgruppe gehören, in der Impfreaktionen weniger stark ausfallen als bei Jüngeren. In Deutschland ist das heterologe Impfsystem jetzt aber gerade für Jüngere vorgesehen.

Wie gut die Immunreaktionen bei den heterologen im Vergleich zu den homologen Impfsystemen ist, wurde noch nicht ausgewertet. Die Daten hierzu werden im Juni erwartet. Auch die Ergebnisse zu dem längeren Impfabstand von zwölf Wochen und zu der Erweiterung der Com-Cov-Studie um die zwei zusätzlichen Impfstoffe stehen noch aus. Es bleibt daher abzuwarten, ob die verstärkten Nebenwirkungen auch mit einem guten Immunschutz belohnt werden. 

Erste Daten aus Tierversuchen legen aber nahe, dass ein heterologes Impfsystem einen guten Schutz induziert. So zeigte eine im März veröffentlichte Studie an Mäusen, dass eine Prime-Dosis mit einer Adenovirus-Vektorvakzine gefolgt von einem mRNA-Impfstoff als Booster höhere Titer neutralisierender Antikörper induzierte als ein homologes Impfschema. Das berichtete ein Forscherteam von der chinesischen Arzneimittelbehörde in Peking im Journal »Emerging Microbes & Infections«. Auch die Th1-basierte T-Zell-Antwort fiel bei einem heterologen System besser aus. Allerdings untersuchten die Wissenschaftler Covid-19-Impfstoffe, die in China entwickelt wurden, und keine in der EU zugelassenen Vakzinen.

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