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Demenzen

Langsamer Abschied für alle

Frühe Diagnose

Je früher eine Alzheimer-Krankheit festgestellt wird, desto besser, um eine Therapie zu beginnen. Der schleichende Krankheitsverlauf und die Neigung, leichtere kognitive Probleme zu ignorieren, erschweren häufig eine zeitige Diagnosestellung. Erste Untersuchungen mit einer eingehenden Anamnese und Befragung des Patienten und seiner Angehörigen macht der Hausarzt. Eine weitergehende Befundung findet bei geriatrischen oder neurologischen Fachärzten statt.

Mithilfe von Demenztests kann der kognitive Zustand überprüft werden. Der Mini-Mental-Status-Test (MMST) ist einer dieser kognitiven Tests. Hierbei muss der Patient zum Beispiel das aktuelle Datum, den Monat oder die Jahreszeit nennen. Geprüft werden Orientierung, Merk- und Konzentrationsfähigkeit sowie Sprache. Bei dem Uhrentest soll der Patient eine vorgegebene Uhrzeit in eine Blanko-Uhr einzeichnen. Diese Tests sind bei leichtgradiger Erkrankung in ihrer Sensitivität begrenzt.

Weitergehend sind der CERAD-Test (Consortium to Establish a Registry for Alzheimer’s Disease), der Standard in deutschen Gedächtnisambulanzen ist, und der ADAS (Alzheimer’s Disease Assessment Scale), der standardmäßig von der FDA empfohlen wird, um die klinische Wirksamkeit von Antidementiva zu prüfen (5). Für die Differenzialdiagnose einer Alzheimer-Erkrankung werden außerdem Untersuchungen von Blut, Liquor und Gehirn (mit CT oder MRT) vorgenommen.

Mit cholinerger Therapie beginnen

Die degenerativen Prozesse betreffen insbesondere cholinerge Neuronen. In den Regionen des Gehirns, in denen besonders viel Acetylcholin produziert wird, ist der Zellverlust besonders massiv. Dadurch entsteht ein Mangel an Acetylcholin, das ein wichtiger Transmitter für die Steuerung kognitiver Prozesse (Lernen, Orientieren, Aufmerksamkeit) ist. Acetylcholinesterase-(AChE-)Hemmer sollen die Konzentration an Acetylcholin im synaptischen Spalt der Neurone erhöhen.

Donepezil, Rivastigmin und Galantamin sind als zentral wirksame Substanzen zur Behandlung der leichten bis mittelschweren Alzheimer-Demenz zugelassen. Rivastigmin-Kapseln sind auch bei Demenz bei Morbus Parkinson indiziert. Die antidementive Wirksamkeit der AChE-Hemmer ist dosisabhängig, aber in ihrer klinischen Wirksamkeit begrenzt. Belegt ist eine Stabilisierung der kognitiven Leistung über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten, wobei sich die einzelnen Substanzen bezüglich der Wirksamkeit nicht klinisch relevant unterscheiden (6).

Gemäß der S3-Leitlinie Demenzen führen AChE-Hemmer zu einer Verbesserung des Gesamteindrucks des Patienten. Die Alltagskompetenz bleibt länger erhalten und Verhaltensauffälligkeiten, zum Beispiel Halluzinationen, Aggression und Depression, werden zunächst gemildert (7). Es gilt die Empfehlung, die Therapie bei guter Verträglichkeit fortzuführen, auch wenn die anfänglichen Verbesserungen irgendwann nachlassen. Die Substanzen verlieren auch nach dem ersten Jahr nicht ihre Wirksamkeit.

Alle Substanzen sollten bei Therapiebeginn langsam auftitriert werden, um die Nebenwirkungsrate zu reduzieren. So sollte bei Erstabgabe in der Apotheke nach der Dosisempfehlung gefragt werden. Viele Patienten erhalten einen Einnahmeplan ihres Arztes. Das Apothekenteam sollte hier klare Angaben machen, um die Adhärenz des Patienten zu verbessern, zum Beispiel (bei Rivastigmin): »Nehmen Sie in den ersten zwei Wochen zunächst drei Milligramm pro Tag, damit sich Ihr Körper an das Medikament gewöhnt. Wenn Sie das gut vertragen, verdoppeln Sie die Dosis, wie es der Arzt aufgeschrieben hat.«

Nach einer Therapiepause von mehr als drei Tagen sollte man wieder mit einer niedrigen Dosis beginnen. Typische Nebenwirkungen der AChE-Hemmer sind Kopfschmerzen und gastrointestinale Beschwerden. Donepezil wird laut Fachinformation (8) unabhängig von den Mahlzeiten am Abend eingenommen, sodass der Patient die möglichen Nebenwirkungen »verschläft«.

Für Patienten mit Schluckstörungen eignen sich Tropfen oder Schmelztabletten anstelle von Kapseln oder Tabletten. Rivastigmin gibt es auch als Transdermales Therapeutisches System (TTS). Der Wechsel von Tabletten auf TTS ist eine Option zur Reduktion von gastrointestinalen Nebenwirkungen. Da leichte lokale Hautirritationen auftreten können, sollte die Hautstelle regelmäßig gewechselt werden. Sind die gastrointestinalen Nebenwirkungen zu belastend, können diese kurzfristig mit Antiemetika behandelt werden. Achtung: Das H1-Antihistaminikum Dimenhydrinat zählt laut Priscus-Liste zu den potenziell inadäquaten Medikamenten (PIM), aber auch Metoclopramid hat leichte anticholinerge Effekte.

Ein weiterer unerwünschter Effekt der Acetylcholinesterase-Hemmer ist die Bradykardie. Patienten, die einen Betablocker bekommen oder eine Herzerkrankung haben, sollten regelmäßig überwacht werden. Auch bei Asthmatikern besteht eine Anwendungsbeschränkung wegen obstruktiver Nebenwirkungen.

Donepezil und Galantamin werden im Gegensatz zu Rivastigmin über das Cytochrom-P450-System metabolisiert. Bei der Therapie mit Donepezil ist deshalb besonders die Komedikation mit Hemmstoffen oder Induktoren von CYP2D6 zu beachten. Enzyminhibitoren wie Paroxetin, Fluvoxamin oder Fluoxetin verstärken die Wirkung, CYP-Induktoren wie Carbamazepin oder Johanniskraut senken die Plasmaspiegel.

In der Gesamtmedikation sollte – bei allen Senioren – möglichst auf Anticholinergika verzichtet werden. Sie wirken konträr, verschlechtern die cholinerge Transmission und heben die kognitiven Verbesserungen durch die antidemenzielle Medikation auf. Auch Arzneistoffe mit anticholinergen Nebenwirkungen, zum Beispiel trizyklische Antidepressiva, Antihistaminika der ersten Generation oder einige Antipsychotika, sind zu vermeiden. Ziel muss sein, die anticholinerge Last gering zu halten.

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