Lästig bis lebensbedrohlich |
Mit einem starken Konsens mit über 95 Prozent Zustimmungsanteil nimmt die aktualisierte Leitlinie Stellung zu Probiotika: Sie sollen bei akuter Gastroenteritis nicht eingesetzt werden.
Probiotika stellen eine sehr heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Mikroorganismen, zum Beispiel Bakterien oder Hefen, dar, die kaum miteinander zu vergleichen sind. Angeboten werden sie als Nahrungsmittel oder Nahrungsergänzungsmittel, einzelne Probiotika mit definierter Spezies auch als Arzneimittel. Doch warum nun diese Empfehlungslage?
Ein Cochrane-Review von 2010, in dem 63 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) mit insgesamt 8014 Patienten analysiert wurden, deutete erst darauf hin, dass der Verlauf einer akuten infektiösen Gastroenteritis bei Erwachsenen durch Probiotika positiv beeinflusst werden könnte. Jedoch waren nur 352 der 8014 Patienten über 18 Jahre alt. Eine Aussage für Erwachsene war damit nicht mehr möglich. Zudem stellten die Autoren die hohe Heterogenität der zusammengefassten Studien mit Blick auf die verwendeten Präparate, unter anderem Bifidobakterien, Lactobacillus-Spezies, E.coli Nissle 1917 und Saccharomyces boulardii, und die Studienendpunkte fest; daher ließ sich keine eindeutige Empfehlung ableiten. Auch waren die Qualität einiger Studien und die Probandenzahlen zu gering (1).
In zwei aufwendigen, 2018 publizierten RCT wurde der Effekt einer probiotischen Therapie mit Lactobazillen auf den Verlauf einer akuten Gastroenteritis bei Säuglingen und Kleinkindern bis vier Jahren untersucht (11, 12). Die Therapie beeinflusste weder die Dauer der Diarrhö noch andere untersuchte Endpunkte.
Auch im aktualisierten Cochrane-Review von 2020 mit neuen Studien ergaben sich keine anderen Effekte. Daher folgern die Leitlinienautoren, dass es weder für Kinder noch für Erwachsene eine hinreichende Evidenz für den routinemäßigen Einsatz von Probiotika bei einer akuten infektiösen Gastoenteritis gibt.
Eine »Kann«-Empfehlung sprechen die Autoren der Leitlinie für Antiemetika für Erwachsene aus.
Wenn überhaupt notwendig, sollten Metoclopramid, Dimenhydrinat, Ondansetron und andere Setrone kurzfristig zum Einsatz kommen. Jedoch kann Metoclopramid durch seine prokinetische Wirkung eine Diarrhö verstärken. Kleinkinder unter drei Jahren sollen die antiemetischen Wirkstoffe Dimenhydrinat oder Diphenhydramin nach Angaben des BfArM nur unter strenger Indikation und sorgfältiger Beachtung der Dosierung bekommen. Auch wenn einige dieser Substanzen in der Pädiatrie durchaus gute Erfolge in Studien gezeigt haben, muss die Nebenwirkungslage streng beurteilt werden, zum Beispiel das Risiko für QTc-Zeit-Verlängerungen oder Krampfanfälle (13).
Bei ausgeprägter Übelkeit können Erwachsene Prokinetika wie Metoclopramid oder Antiemetika einnehmen. / Foto: Adobe Stock/9nong
Eine »Kann«-Empfehlung geben die Leitlinienautoren auch für Loperamid. Das oral wirksame synthetische Antidiarrhoikum bindet an die μ-Opioidrezeptoren in der Darmwand und reduziert den Stuhldrang durch Hemmung der propulsiven Peristaltik und Erhöhung des Tonus im Analsphinkter. Zudem wirkt Loperamid antisekretorisch durch Hemmung von Calmodulin und Beeinflussung der intrazellulären Calciumkonzentration.
Loperamid kann bei Erwachsenen mit akuter Gastroenteritis ohne Fieber und Blut im Stuhl für maximal 48 Stunden verwendet werden. Bei Kindern soll es nicht zum Einsatz kommen.
Der Enkephalinase-Hemmer Racecadotril, der nach oraler Gabe und hydrolytischer Spaltung zum Metaboliten Thiorphan aktiviert wird, ist vergleichbar zu Loperamid in Bezug auf die klinische Wirksamkeit. Enkephaline hemmen über δ-Opioidrezeptoren die Sekretion von Wasser und Elektrolyten in das Darmlumen. Racecadotril wird hauptsächlich zur Therapie der Reisediarrhö angewendet; ansonsten wird es in Deutschland wenig eingesetzt.
Andere Antidiarrhoika wie Uzarawurzel, getrocknetes Apfelpulver, Tannine, Heilerde, Kohle und Myrrhe sollen laut Leitlinie aufgrund fehlender kontrollierter Studien nicht zum Einsatz kommen (1).
In der Apotheke fragen Kunden mit unspezifischen Durchfallerkrankungen oft nach medizinischer Kohle. Es gibt dazu am Markt auch einige Produkte, in deren Fachinformationen von einem Einsatz ab dem Kindesalter gesprochen wird. Durch die große Oberfläche der medizinischen Kohle sollen Bakterien, Bakterientoxine und andere Giftstoffe adsorbiert werden. Doch hat die Einnahme überhaupt einen Effekt? Die S2k-Leitlinie rät von einem Einsatz bei akutem infektiösen Durchfall ab (»soll nicht eingesetzt werden«). Es fehle die Evidenz für diese Indikation. Die Nichtempfehlung wurde in Bezug zur davor gültigen Leitlinienfassung noch weiter verschärft; hier hieß es noch: »medizinische Kohle sollte nicht eingesetzt werden«.