Lästig bis lebensbedrohlich |
Infektiöse Durchfallerkrankungen gefährden vor allem Kinder und Säuglinge sowie Patienten mit Vorerkrankungen und im hohen Alter. Sie müssen stationär behandelt werden, wenn sie zu viel Flüssigkeit verlieren. / Foto: Adobe Stock/photophonie
Die akute Gastroenteritis zählt nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation zu den fünf häufigsten Todesursachen (4, 2). Durch den Kontakt mit Bakterien, Viren, Protozoen oder Würmern verändert sich das fein ausbalancierte Gleichgewicht der Magen-Darm-Flora. Die meisten Patienten werden ambulant behandelt, heißt es in der kürzlich aktualisierten S2k-Leitlinie »Gastrointestinale Infektionen« der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) (1). Jedoch steigt die Zahl der schweren Infektionen mit einem stationären Aufenthalt, zum Beispiel bei Clostridioides-difficile-Infektionen, an (3).
Infektiöse Durchfallerkrankungen gefährden vor allem Kinder und Säuglinge sowie Patienten mit Vorerkrankungen und/oder im hohen Alter. Bei Kindern von einem bis fünf Jahren ist die akute Gastroenteritis der zweithäufigste Grund für die Vorstellung in der Notaufnahme. Nicht selten sind eine stationäre Aufnahme und intravenöse Flüssigkeitszufuhr nötig.
Umgangssprachlich als »Magen-Darm« bezeichnet, zeigt sich die akute infektiöse, ambulant erworbene Gastroenteritis oft mit Durchfall. Die S2k-Leitlinie definiert diese Form als »plötzliche Änderung der Stuhlfrequenz und Stuhlkonsistenz über das individuell übliche Maß hinaus (über dreimal täglich) mit möglichem Erbrechen und Fieber« (1). Betroffene suchen in der Regel nach rund zwei Tagen eine Apotheke oder einen Arzt auf. Wenn keine Risiken für einen schweren Verlauf erkennbar sind, wird ein Zuwarten ohne spezifische Diagnostik und Therapie empfohlen.
Akute Magen-Darm-Infektionen zeigen sich mit Durchfall, Übelkeit und Erbrechen; manche Patienten entwickeln Fieber. / Foto: Adobe Stock/New Africa
Eine sorgfältige Anamnese-Erhebung im intensiven Beratungsgespräch (in der Apotheke) ist die wichtigste Voraussetzung für eine evidenzbasierte Therapieempfehlung oder eine weitere medizinische Diagnostik. Neben möglichen Rückschlüssen auf eine Infektionsquelle wie eine Reiseaktivität, Nahrungsaufnahme oder Erkrankungen im sozialen Umfeld sollten die Beschwerden näher erfragt werden. Risikofaktoren und Warnsignale für eine mögliche Clostridioides-difficile-Infektion oder einen schweren Verlauf sind Blutbeimengungen im Stuhl, Fieber, dysenterische Beschwerden sowie Antibiotikaexposition und Immunsuppression (1).
Sind epidemiologische Häufungen zu erkennen oder hatte der Betroffene beruflich Kontakt zu Nahrungsmitteln oder führt Tätigkeiten in einer nichtprivaten Gemeinschaftsverpflegung aus, muss der Arzt die Erkrankung nach § 6 und § 42 Infektionsschutzgesetz (IfSG) melden. Dann ist eine Erregerdiagnostik angezeigt (5, 6). Auch bei weiteren Symptomen wie einer blutigen Diarrhö, Fieber, Dehydrierung und anhaltendem Durchfall über mehr als 14 Tage sowie bei Komorbiditäten, Immundefizienz oder Antibiotikaeinnahme in den letzten drei Monaten soll eine Erregerdiagnostik erwogen werden.
Gemäß Leitlinie sollte eine Erregerdiagnostik nur erfolgen, wenn sich aus dem Resultat medizinische, organisatorische oder melderechtliche Konsequenzen ergeben. Müssen die Patienten ins Krankenhaus, ist eine Diagnostik auch wegen des eventuell nötigen stationären Hygienemanagements sinnvoll.
Ebenfalls sinnvoll ist eine Erregerdiagnostik vor Beginn einer kalkulierten Antibiotikatherapie, um gegebenenfalls einen bakteriellen Erreger nachzuweisen und um die antiinfektive Therapie erregerspezifisch zu fokussieren. Bei Nachweis einer viralen Genese sollte die eingeleitete Antibiotikatherapie umgehend beendet werden.
Das Spektrum möglicher auslösender Pathogene ist sehr umfangreich (Tabelle). Am häufigsten sind in Deutschland enteropathogene Viren für eine Gastroenteritis verantwortlich. Spitzenreiter sind Norovirus-Infektionen. Ebenfalls häufig sind Campylobacter- und Salmonella-Spezies sowie Rotaviren.
Hohe Umweltresistenz und Infektiosität zeichnen Noroviren aus. Die Ausscheidung erfolgt über Stuhl und Erbrochenes. Die Übertragung erfolgt über Schmierinfektionen oder über virushaltige Aerosole nach dem Erbrechen. Besonders in den Wintermonaten sorgen die Viren für hohe Erkrankungszahlen in Kindergärten, Schulen, Pflegeheimen und Krankenhäusern (7). Alle Altersgruppen sind betroffen, am häufigsten Menschen unter fünf und über 80 Jahren.
Campylobacter und Salmonellen sind die häufigsten bakteriellen Erreger einer infektiösen Gastroenteritis (8). Die höchsten Mortalitätszahlen sind bei Salmonellen-Infektionen zu finden, die als sporadische Einzelfälle, aber auch gehäuft in Ausbrüchen innerhalb von Familien oder Personengruppen auftreten können (9).
Pathogen | Beispiele |
---|---|
Bakterien | Escherichia coli (EC), auch Enterotoxin-bildende EC (ETEC), enterohämorrhagische EC (EHEC) und enteroaggregative EC (EAEC)Yersinia enterocolitica und Y. pseudotuberculosisClostridioides difficileCampylobacter jejuniSalmonellen, ShigellenVibrio cholerae |
Viren | Rotaviren, Adenoviren, NorovirenSapoviren, Cytomegalievirus |
Verursacher einer Lebensmittelvergiftung | Staphylococcus aureusBacillus cereusClostridioides perfringens |
Protozoen | Giardia lambliaCryptosporidium parvumEntamoeba histolytica |
Helminthen (Würmer) | Platthelminthen (Trematoden, Schistosoma, Zestoden)Trichinellen |
Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr sind die wichtigsten therapeutischen Maßnahmen, um die durch Erbrechen und Durchfall verlorenen Flüssigkeitsmengen und Elektrolyte wieder auszugleichen. Die Leitlinie spricht sich für orale Rehydrationslösungen (ORL) aus. Diese kommen leider zu selten zum Einsatz. Sie sind nicht nur klassischen Hausmitteln wie der Kombination aus Salzstangen und Limonade (Cola) vorzuziehen, sondern auch – wann immer möglich – der intravenösen Substitution (1).
Zur oralen Rehydration eignen sich spezielle glucose- oder komplexe kohlenhydratbasierte Elektrolytlösungen. Nach Empfehlungen der WHO sollte die Salz- und Glucosetrinklösung (»WHO-Trinklösung«) eine Osmolarität von 245 mosm/l und folgende Zusammensetzung haben:
Die physiologische Grundlage für dieses Therapieprinzip lässt sich in den Enterozyten und dem gekoppelten Kotransport von Natrium und Glucose finden. Natrium wird effektiver über den SGLT-1-Transporter aus dem Darmlumen ausgeschleust, wenn es mit Glucose oder Galactose transportiert werden kann. Das Wasser folgt dem gerichteten Natriumstrom passiv nach. Da die ORL ein optimales Verhältnis von Natrium und Glucose enthält, kann mit einer maximalen Natriumresorption und einer damit verbundenen Wasserrückresorption gerechnet werden.
Patienten mit akuten Magen-Darm-Problemen kommen meist zuerst in die Apotheke. / Foto: Adobe Stock/contrastwerkstatt
Das Apothekenteam sollte darauf hinweisen, dass die Rehydrationslösung in Wasser und nicht in anderen Getränken wie Milch oder Limonaden in der vorgeschriebenen Verdünnung verabreicht werden sollte. Eine Kühlung erhöht sehr oft die Akzeptanz bei den Patienten. Bei kleinen Kindern und alten Menschen empfiehlt sich das häufige Anbieten von kleinen Flüssigkeitsmengen aus der Tasse oder vom Löffel.
Im stationären Rahmen kann eine kontinuierliche Rehydration über eine nasogastrale Sonde gegeben werden (1). Dies steht der intravenösen Zufuhr in puncto Sicherheit und Effektivität auch bei Kindern in nichts nach.
Die zu verabreichenden Flüssigkeitsmengen richten sich nach den Flüssigkeitsdefiziten. Erwachsene mit akuter Magen-Darm-Infektion sollten darauf achten, nach jedem Stuhlgang zu trinken (mehr als 2 Liter pro 24 Stunden). Sollte zu Hause keine Rehydrationslösung zur Verfügung stehen, können bei milder akuter Gastroenteritis zu Beginn auch Wasser, Tee oder stark verdünnte Fruchtsäfte zur Flüssigkeitsergänzung genutzt werden. Der Patient kann die WHO-Lösung notfalls auch selbst anmischen (Kasten).
Unverdünnte Fruchtsäfte, Leitungswasser und Limonaden sind insbesondere bei schweren und starken Formen der Gastroenteritis ungeeignet. Sie enthalten entweder zu viel Zucker, was die Diarrhö weiter verstärken kann, oder zu wenig oder im falschen Verhältnis die notwendigen Elektrolyte.
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In jeder Hausapotheke sollten eine bis zwei Packungen einer oralen Rehydratationslösung griffbereit sein. Steht kein Fertigarzneimittel zur Verfügung, rät die WHO, die Lösung selbst herzustellen. Sie empfiehlt für Erwachsene, auf einen Liter Wasser vier Teelöffel Haushaltszucker, einen Dreiviertelteelöffel Salz und eine Tasse Orangensaft oder zwei zerdrückte Bananen zu geben. Unklar sind die Füllmenge der Löffel (flach gestrichen oder gehäuft) und die Tassengröße. Dazu werden keine Angaben gemacht.
Für die Rehydratation bei Säuglingen und Kleinkindern wird auf die Leitlinie der European Society for Paediatric Gastroenterology Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) in ihrer letzten Aktualisierung im Jahr 2014 verwiesen. Als Standardtherapie der Dehydratation bei akuter Gastroenteritis soll eine orale Rehydratation mit einer Glucose-Elektrolytlösung (Natrium 60 mmol/l, Glucose 74 bis 111 mmol/l) oder polymerbasierten Elektrolytlösung rasch begonnen werden.
Abhängig vom Ausmaß des Flüssigkeits- und Elektrolytverlusts kann es zu einer Austrocknung kommen. Patienten zeigen eine Tachykardie und Hypotonie, stehende Hautfalten, Bewusstseinsstörungen, Delir, eine verzögerte Rekapillarisierungszeit oder auch Nierenfunktionsstörungen und Obstipation.
Patienten mit akuter Gastroenteritis und schwerer Dehydratation (mehr als 9 Prozent des Körpergewichts), Kreislaufschock, Bewusstseinsstörungen oder unkontrolliertem Erbrechen sollen stationär behandelt werden. Da bei bestimmten bakteriellen Gastroenteritiden, zum Beispiel durch multiresistente Staphylokokken (MRSA) oder Clostridioides difficile, auch noch erregerspezifische Komplikationen, zum Beispiel Sepsis, Krampfanfälle oder andere Folgeerkrankungen, zu erwarten sind, sollte eine genaue Beobachtung im Krankenhaus erfolgen.
Bei einer akuten Gastroenteritis ohne Dehydratation werden keine spezifischen diätetischen Restriktionen empfohlen. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen wird von Diäten oder gar Teepausen abgeraten. Die Patienten dürfen alles essen, was sie gewöhnt sind und tolerieren (1).
Gemüsesuppe, gekochte Kartoffeln oder Reis eignen sich gut als Aufbaukost bei Magen-Darm-Infekten. Grundsätzlich darf der Patient essen, was er mag und gut verträgt. / Foto: Adobe Stock/weyo
Zu bevorzugen sind kleine Mahlzeiten, um keine Übelkeit oder Erbrechen auszulösen. Geeignet sind ballaststoffarme und fettreduzierte Kost wie gekochte Kartoffeln, Nudeln, Reis oder Hafer, ebenso Suppen, gekochtes Gemüse, Salzstangen, Bananen oder milder Joghurt.
Immer wieder wird über die Sinnhaftigkeit der Empfehlung diskutiert, Milch und Milchprodukte während und wochenlang nach einer akuten Gastroenteritis zu meiden. Die Datenbasis ist nach Leitlinienangaben sehr schwach. In einer Metaanalyse aus 2013 wurde zwar festgestellt, dass ein Lactose-Verzicht zur Verkürzung der Diarrhö beitragen kann. Für die Empfehlung einer bestimmten Diät reicht die Evidenz allerdings nicht aus.
Mit einem starken Konsens mit über 95 Prozent Zustimmungsanteil nimmt die aktualisierte Leitlinie Stellung zu Probiotika: Sie sollen bei akuter Gastroenteritis nicht eingesetzt werden.
Probiotika stellen eine sehr heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Mikroorganismen, zum Beispiel Bakterien oder Hefen, dar, die kaum miteinander zu vergleichen sind. Angeboten werden sie als Nahrungsmittel oder Nahrungsergänzungsmittel, einzelne Probiotika mit definierter Spezies auch als Arzneimittel. Doch warum nun diese Empfehlungslage?
Ein Cochrane-Review von 2010, in dem 63 randomisierte kontrollierte Studien (RCT) mit insgesamt 8014 Patienten analysiert wurden, deutete erst darauf hin, dass der Verlauf einer akuten infektiösen Gastroenteritis bei Erwachsenen durch Probiotika positiv beeinflusst werden könnte. Jedoch waren nur 352 der 8014 Patienten über 18 Jahre alt. Eine Aussage für Erwachsene war damit nicht mehr möglich. Zudem stellten die Autoren die hohe Heterogenität der zusammengefassten Studien mit Blick auf die verwendeten Präparate, unter anderem Bifidobakterien, Lactobacillus-Spezies, E.coli Nissle 1917 und Saccharomyces boulardii, und die Studienendpunkte fest; daher ließ sich keine eindeutige Empfehlung ableiten. Auch waren die Qualität einiger Studien und die Probandenzahlen zu gering (1).
In zwei aufwendigen, 2018 publizierten RCT wurde der Effekt einer probiotischen Therapie mit Lactobazillen auf den Verlauf einer akuten Gastroenteritis bei Säuglingen und Kleinkindern bis vier Jahren untersucht (11, 12). Die Therapie beeinflusste weder die Dauer der Diarrhö noch andere untersuchte Endpunkte.
Auch im aktualisierten Cochrane-Review von 2020 mit neuen Studien ergaben sich keine anderen Effekte. Daher folgern die Leitlinienautoren, dass es weder für Kinder noch für Erwachsene eine hinreichende Evidenz für den routinemäßigen Einsatz von Probiotika bei einer akuten infektiösen Gastoenteritis gibt.
Eine »Kann«-Empfehlung sprechen die Autoren der Leitlinie für Antiemetika für Erwachsene aus.
Wenn überhaupt notwendig, sollten Metoclopramid, Dimenhydrinat, Ondansetron und andere Setrone kurzfristig zum Einsatz kommen. Jedoch kann Metoclopramid durch seine prokinetische Wirkung eine Diarrhö verstärken. Kleinkinder unter drei Jahren sollen die antiemetischen Wirkstoffe Dimenhydrinat oder Diphenhydramin nach Angaben des BfArM nur unter strenger Indikation und sorgfältiger Beachtung der Dosierung bekommen. Auch wenn einige dieser Substanzen in der Pädiatrie durchaus gute Erfolge in Studien gezeigt haben, muss die Nebenwirkungslage streng beurteilt werden, zum Beispiel das Risiko für QTc-Zeit-Verlängerungen oder Krampfanfälle (13).
Bei ausgeprägter Übelkeit können Erwachsene Prokinetika wie Metoclopramid oder Antiemetika einnehmen. / Foto: Adobe Stock/9nong
Eine »Kann«-Empfehlung geben die Leitlinienautoren auch für Loperamid. Das oral wirksame synthetische Antidiarrhoikum bindet an die μ-Opioidrezeptoren in der Darmwand und reduziert den Stuhldrang durch Hemmung der propulsiven Peristaltik und Erhöhung des Tonus im Analsphinkter. Zudem wirkt Loperamid antisekretorisch durch Hemmung von Calmodulin und Beeinflussung der intrazellulären Calciumkonzentration.
Loperamid kann bei Erwachsenen mit akuter Gastroenteritis ohne Fieber und Blut im Stuhl für maximal 48 Stunden verwendet werden. Bei Kindern soll es nicht zum Einsatz kommen.
Der Enkephalinase-Hemmer Racecadotril, der nach oraler Gabe und hydrolytischer Spaltung zum Metaboliten Thiorphan aktiviert wird, ist vergleichbar zu Loperamid in Bezug auf die klinische Wirksamkeit. Enkephaline hemmen über δ-Opioidrezeptoren die Sekretion von Wasser und Elektrolyten in das Darmlumen. Racecadotril wird hauptsächlich zur Therapie der Reisediarrhö angewendet; ansonsten wird es in Deutschland wenig eingesetzt.
Andere Antidiarrhoika wie Uzarawurzel, getrocknetes Apfelpulver, Tannine, Heilerde, Kohle und Myrrhe sollen laut Leitlinie aufgrund fehlender kontrollierter Studien nicht zum Einsatz kommen (1).
In der Apotheke fragen Kunden mit unspezifischen Durchfallerkrankungen oft nach medizinischer Kohle. Es gibt dazu am Markt auch einige Produkte, in deren Fachinformationen von einem Einsatz ab dem Kindesalter gesprochen wird. Durch die große Oberfläche der medizinischen Kohle sollen Bakterien, Bakterientoxine und andere Giftstoffe adsorbiert werden. Doch hat die Einnahme überhaupt einen Effekt? Die S2k-Leitlinie rät von einem Einsatz bei akutem infektiösen Durchfall ab (»soll nicht eingesetzt werden«). Es fehle die Evidenz für diese Indikation. Die Nichtempfehlung wurde in Bezug zur davor gültigen Leitlinienfassung noch weiter verschärft; hier hieß es noch: »medizinische Kohle sollte nicht eingesetzt werden«.
Schmerzen und Krämpfe bei Magen-Darm-Infektion können gemäß dem Stufenschema der WHO mit Paracetamol bis hin zu Opioiden sowie mit Butylscopolamin behandelt werden. Dafür liegen aber keine randomisierten Daten vor. Daher kann die Therapie nur individuell unter Beachtung von Neben- und Wechselwirkungen sowie möglicherweise vorliegenden Kontraindikationen erfolgen.
Antibiotika sollten nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden. Da die meisten Infektionen selbstlimitierend und mit Flüssigkeits- und Elektrolytersatz gut behandelbar sind, sollen selbst immundefiziente Patienten nur in Ausnahmefällen antibiotisch behandelt werden. Zudem liegt sehr oft eine virale Infektion (Noro- und Rotaviren) zugrunde, die durch Antibiotika nicht gebessert würde.
In Ausnahmefällen werden zur Therapie auch Antibiotika eingesetzt. Zuvor sollte die bakterielle Genese der Infektion geklärt sein. / Foto: Getty Images/Karl Tapales
Ausnahmen, die einer antibiotischen Therapie bedürfen, sind schwere Krankheitsbilder mit hohem Fieber, blutig-schleimigen Stühlen, Sepsis oder bei funktionell relevanter Immundefizienz. Diese Symptome können auf eine invasive bakterielle Infektion hinweisen. Allerdings sollte vor Beginn der empirischen Antibiotikatherapie eine Probenentnahme mit Erregerdiagnostik erfolgen.
Orales Azithromycin ist das Mittel der Wahl für eine initiale empirische Therapie. Alternativ kann Aminopenicillin kombiniert mit einem Betalactamase-Inhibitor intravenös gegeben werden. Ungeeignet sind Cephalosporine der Gruppe 3a aufgrund von zunehmenden Resistenzen gegenüber Campylobacter sowie Fluorchinolone aufgrund des schlechten Nutzen-Risiko-Profils. Metronidazol hat keinen Stellenwert in der empirischen antiinfektiven Therapie der akuten Gastroenteritis.
Nosokomiale Diarrhöen durch Clostridioides-difficile-Infektion (CDI) gehören zu den häufigsten Komplikationen bei hospitalisierten Patienten. Und dies hat gravierende Folgen: deutlich längere Krankenhausaufenthalte, höhere Kosten für die Behandlung und die umfangreichen Hygienemaßnahmen, die eine Ausbreitung vermeiden sollen, sowie stark erhöhte Morbidität und Mortalität der Betroffenen. Essenziell für spezifische Maßnahmen zu Diagnostik, Therapie und Hygienemanagement ist die Identifikation möglicher Infektionsquellen (1).
Anders als noch vor wenigen Jahren ist die Inzidenz für nosokomiale CDI in Deutschland heute doppelt so hoch wie diejenige für MRSA. C. difficile ist der häufigste Erreger nosokomialer Infektionen.
Patienten mit CDI brauchen – unabhängig davon, ob sie die Infektion ambulant oder nosokomial erworben haben – oft eine Antibiose. Das ehemalige Erstlinien-Präparat Metronidazol musste bereits 2021 in der europäischen Clostridioides-Leitlinie (14) seinen Führungsplatz räumen und nun folgen auch in der aktualisierten S2k-Leitlinie Fidaxomicin und Vancomycin als Ersatz für Metronidazol.
Durchfälle durch Clostridioides-difficile-Infektion sind hochgradig belastend für die Patienten. Das Krankenhauspersonal muss umfangreiche Hygienemaßnahmen beachten, um eine Ausbreitung zu vermeiden. / Foto: Adobe Stock/Westend61
Zudem sollten supportive Maßnahmen ergriffen werden, darunter die Substitution von Volumen mithilfe von kristalloiden Lösungen und Elektrolyten sowie das Absetzen des auslösenden Antibiotikums. Denn es gibt Patienten, bei denen sich durch antibiotische Therapien für andere Indikationen, zum Beispiel eine Atemwegsinfektion, das Darmmikrobiom so stark verändert, dass C.-difficile-Erreger die Oberhand gewinnen. Diese Erreger sind im Normalfall immer schon ein Teil der Darmflora, erhalten aber durch das veränderte mikrobielle Gleichgewicht im Darm einen »Wachstumsvorteil«. In diesem Fall sollte das auslösende Antibiotikum abgesetzt werden. Ebenso ist auf Motilitätshemmer, Opioide und Protonenpumpenhemmer zu verzichten.
Nur bei leichtem Krankheitsbild des Patienten ohne Risikofaktoren ist nach Absetzen des auslösenden Antibiotikums unter engmaschiger klinischer Beobachtung eine abwartende Haltung erlaubt; das heißt, dass auf eine klinische Therapie verzichtet wird.
Nicht selten kommt es zu einem Rezidiv bei CDI. Menschen mit einem erhöhten Rezidivrisiko können zusätzlich zur Antibiose einmalig den Antikörper Bezlotoxumab zur Sekundärprophylaxe erhalten. Der Antikörper bindet an das Clostridium-difficile-Toxin B. Nach einer gepoolten Auswertung sank das Rezidivrisiko von 26,6 auf 16,5 Prozent.
Bei einem Rezidiv richtet sich das therapeutische Vorgehen nach dem Antibiotikum, mit dem die erste Therapie begonnen wurde. War dies Vancomycin oder Metronidazol, sollte nun Fidaxomicin gegeben werden. Bei einem Rezidiv unter Fidaxomicin kann mit Fidaxomicin plus Bezlotoxumab gearbeitet werden.
Maßnahmen zur Vermeidung einer CDI wären wünschenswert, sind aber in der aktuellen Leitlinie nicht vorhanden. Auch lassen heterogene Studienergebnisse keine Empfehlung für einen prophylaktischen Einsatz von Probiotika zu. Ebenfalls keine Option ist die antibiotische Prophylaxe aufgrund eines unklaren Nutzen-Risiko-Verhältnisses. Ein präventiver Antibiotikaeinsatz wird in der Leitlinie nicht empfohlen.
Mit einer Wahrscheinlichkeit von 15 bis 50 Prozent erkranken Reisende in Hochrisikogebieten wie dem tropischen Afrika oder Südasien an einer Reisediarrhö. Die Inzidenz für Mittelamerika, China oder die Karibik wird mit 8 bis 50 Prozent angegeben. Weltweit liegt die Zahl der Betroffenen nach Schätzungen bei 40 Millionen. Risikofaktoren sind Unterschiede im Hygienestandard zwischen Heimat- und Reiseland, die unterbliebene Nahrungshygiene im Reiseland und der zunehmende Einsatz von Protonenpumpenhemmern.
Eine Reisediarrhö zählt zu den häufigsten Gesundheitsproblemen bei Fernreisen. / Foto: Adobe Stock/absolutimages
Unter einer Reisediarrhö versteht man eine milde bis moderate Durchfallerkrankung, die oft innerhalb der ersten Woche im Reiseland auftritt und nach drei bis fünf Tagen spontan zum Stillstand kommt. Gemäß Leitlinie liegen drei oder mehr ungeformte Stühle pro Tag im Reiseland vor (1). Wenn das Übel nach Reiseende noch persistiert, wird von einer Diarrhö beim Reiserückkehrer gesprochen.
Schwere Verläufe (weniger als 10 Prozent der Fälle) sind gekennzeichnet durch fieberhafte Durchfallepisoden, blutige Diarrhö und Erbrechen und sind assoziiert mit Komorbiditäten und Alter des Patienten. Somit gehören Säuglinge, Kinder, Senioren oder Immunsupprimierte zu den Risikogruppen. Komplikationsträchtige Verläufe können zu Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlusten mit Nierenversagen und Kreislaufproblemen führen.
Problematisch ist oft das Erregerspektrum, das sich sehr von »heimischen« Erregern für erworbene Durchfallerkrankungen unterscheidet. Je nach der Reiseregion können Enterotoxin-bildende E.-coli-Stämme (ETEC), andere pathogene E.-coli-Stämme (wie EAEC, EIEC), Shigellen oder Protozoen die Auslöser darstellen (1).
Das Apothekenteam sollte Reisende vor Reiseantritt ausführlich über das Thema beraten. In den meisten Fällen ist eine Reisediarrhö selbstlimitierend und die orale Rehydratation reicht aus, um den Flüssigkeits- und Elektrolytmangel auszugleichen. Bei ausgeprägter Symptomatik, aber ohne Fieber und Blutabgang können der Motilitätshemmer Loperamid oder der Enkephalinase-Inhibitor Racecadotril eingesetzt werden (kurzfristig für maximal zwei Tage). Bei Fieber und Blutabgang sind Motilitätshemmer kontraindiziert.
Unbedingt sollte die Prophylaxe in der Reiseberatung enthalten sein. Es empfiehlt sich, den Kunden alle Informationen über Nahrungsmittelhygiene sowie Handhygiene und -desinfektion schriftlich mitzugeben. Es gibt keine klare Evidenz für Antibiotika; im Gegenteil kann der unreflektierte Antibiotikaeinsatz die Resistenzlage im Reiseland befeuern. Bei Fieber oder Blutbeimengungen im Stuhl, Abgeschlagenheit, Erbrechen und deutlich reduziertem Allgemeinzustand ist oftmals eine empirische antibiotische Therapie angezeigt. Als Mittel der Wahl kommt Azithromycin zum Einsatz. Sinnvoll ist ein Antibiogramm, da sich die Resistenzlage von Erregern aus dem Reiseland stark von der hiesigen unterscheiden kann.
Eine Empfehlung für den prophylaktischen Einsatz von Probiotika und Antibiotika geben die Leitlinienautoren nicht, da die Datenlage keine klaren evidenzbasierten Informationen liefert.
Daniel Finke ist Fachapotheker für Allgemeinpharmazie sowie AMTS-Manager. Von November 2015 bis Juni 2019 war er stellvertretender Filialleiter der Burg-Apotheke in Nienborg bei Münster. Danach wechselte er nach Osnabrück in eine öffentliche Apotheke mit Schwerpunkt Rheumatologie und Onkologie. Finke arbeitet seit 2015 als unabhängiger Referent für zahlreiche Apothekerkammern, Verbände und Pflegeeinrichtungen, wobei im Fokus praxisrelevante Themen, vor allem aus der Selbstmedikation, stehen. Zudem betreut er Pharmazeuten im Praktikum in Arbeitszirkeln der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.