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Covid-19

Keine Gefahr durch Zytokin-Hemmer für Autoimmun-Patienten

Patienten mit Autoimmunerkrankungen sollten ihre immunsuppressiven Medikamente nicht aus Angst vor einer Covid-19-Infektion absetzen. Einer Studie aus Erlangen zufolge haben sie kein erhöhtes Risiko für eine Erkrankung. Die Forscher stellen sogar zur Diskussion, ob die Therapie vor einer SARS-CoV-2-Infektion schützt.
Daniela Hüttemann
30.04.2020  14:42 Uhr

Mediziner der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen haben in den vergangenen Wochen rund 1000 Testpersonen auf Antikörper gegen das neue Coronavirus untersucht. Sie wollten dabei herausfinden, wie groß das Infektionsrisiko für Patienten mit verschiedenen Autoimmunerkrankungen ist, die Zytokin-Hemmer einnehmen.

Ihre Hypothese ist, dass diese Medikamente, zu denen TNF-α-Hemmer und die gegen verschiedene Interleukine oder deren Rezeptoren gerichtete Antikörper gehören, Coronaviren daran hindern, sich im Körper auszubreiten; die Patienten aufgrund ihrer Medikation also sogar vor einer Infektion geschützt sind. Denn den Forschern zufolge gibt es Ähnlichkeiten der molekularen Mechanismen von Covid-19 und chronischen Entzündungen, wie Professor Dr. Georg Schett, Lehrstuhl für Innere Medizin III, Professor Dr. Michael Sticherling, Lehrstuhl für Haut- und Geschlechtskrankheiten, und Professor Dr. Markus Neurath, Lehrstuhl für Innere Medizin I und Sprecher des Deutschen Zentrums Immuntherapie (DZI) am Universitätsklinikum Erlangen der FAU, am 15. April im Fachjournal »Nature Reviews Immunology« beschrieben.

Dieselben Forscher haben nun festgestellt, dass circa 4 Prozent der medizinisch-tätigen Probanden und 2 Prozent der nicht medizinisch tätigen Kontrollpersonen  Antikörper gegen SARS-CoV-2 aufwiesen, aber keiner der untersuchten Probanden, die an Rheuma, einer entzündlichen Darmerkrankung oder Schuppenflechte litten. Wie groß die Testgruppen jeweils waren, wird nicht angegeben.

»Es scheint, dass die Zytokin-Hemmer die Infektion mit SARS-CoV-2-Viren von Anfang an einschränken, sodass keine Antikörper gebildet werden«, vermutet Schett in einer Pressemitteilung seiner Universität. »Personen mit Rheuma, Darmentzündung oder Schuppenflechte sind somit nicht als Risikogruppe für Covid-19 zu betrachten, sondern dürften aufgrund ihrer Therapie vor der Krankheit geschützt sein«, heißt es weiter.

Tatsächlicher Schutz vor Coronavirus wird bezweifelt

Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) griff die Meldung auf und sieht ihre Empfehlung bestätigt, dass Patienten unter einer laufenden Therapie ihrer entzündlichen rheumatologischen, dermatologischen oder gastroenterologischen Erkrankung keine besondere Risikogruppe darstellen und daher die Therapie allein aus Furcht vor einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht absetzen sollten.

Aber dass die Therapie auch vor einer Infektion oder einem schweren Covid-19-Verlauf schützt, halten sie für eine unbegründete und gefährliche Schlussfolgerung. Die Patienten sollen weiterhin konsequent die empfohlenen Hygiene- und Abstandsregeln befolgen und ihre Therapie nicht abbrechen. »Aber es gibt auch keinen Grund, in der aktuellen Situation sorglos zu sein oder gar Biologika ohne medizinische Indikation zum Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion oder einem schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung einzunehmen«, so der Vorstand der DGRh.

Der Einsatz einiger Zytokin-Hemmer wird derzeit bei schwer erkrankten Covid-19-Patienten erprobt. Dabei handelt es sich um die IL-6-Rezeptorantagonisten Sarilumab (Kevzara®) und Tocilizumab (RoActemra®) zugelassen für die Behandlung schwerer rheumatoider Arthritis.

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