Vernetzter Kampf gegen MRSA |
27.03.2009 13:15 Uhr |
Folgende Patientengruppen haben ein erhöhtes Risiko für eine MRSA-Kolonisation:
Patienten mit bekannter MRSA-Anamnese oder aus Regionen/Einrichtungen mit bekannt hoher MRSA-Prävalenz
Patienten mit einem stationären Krankenhausaufenthalt (länger als drei Tage) in den letzten zwölf Monaten
Patienten, die (beruflich) direkten Kontakt zu Tieren in der landwirtschaftlichen Tiermast (Schweine) haben
Patienten, die während eines stationären Aufenthalts Kontakt zu MRSA-Trägern hatten, zum Beispiel bei Unterbringung im selben Zimmer
Patienten mit zwei oder mehr der folgenden Risikofaktoren: chronische Pflegebedürftigkeit, Antibiotikatherapie in den letzten sechs Monaten, liegende Katheter, zum Beispiel Harnblasenkatheter oder PEG-Sonde, Dialysepflichtigkeit, Hautulcus, Gangrän, chronische Wunden, tiefe Weichteilinfektionen, Brandverletzungen
Quelle: RKI (2008)
Die zweite Gruppe ist nicht mit den typischen Risikofaktoren der haMRSA assoziiert. Sie tritt vor allem bei gesunden Personen, besonders Kindern und Jugendlichen, in Erscheinung. Man spricht von ambulant erworbenen, also community acquired oder caMRSA. Diese sind dadurch charakterisiert, dass sie häufiger Erkrankungen auslösen als haMRSA. Dies äußert sich zunächst in wiederholt auftretenden Hautabszessen, kann in der Folge aber auch zu schweren invasiven Infektionen, zum Beispiel einer nekrotisierenden hämorrhagischen Pneumonie, führen. Die Mehrzahl dieser caMRSA trägt das sogenannte Panton-Valentine-Leukozidin (PVL). PVL ist ein zytolytisches Toxin, das auch zu einer lokalen Granulozytopenie führen kann. Invasive Infektionen mit caMRSA verlaufen dramatisch, und vor allem junge Patienten können an der Folge einer schweren Lungenentzündung versterben. Zurückzuführen ist dies auf mehrere Faktoren: lokale Infektion und fehlende Immunantwort, Einschränkung der Therapie auf meist nur bakteriostatisch wirksame Antibiotika und deren eingeschränkte Wirksamkeit am Ort des Geschehens (Kompartiment Lunge).
Die dritte große Gruppe sind MRSA, die auch bei Tieren der landwirtschaftlichen Tierzucht und -mast nachgewiesen wurden. Weltweit betrifft dies vor allem Schweinemastbetriebe. Die Keime werden auch als »livestock-associated« oder laMRSA zusammengefasst. Die weitaus meisten Tiere sind nicht erkrankt. Bei Kontaktpersonen zu den Tieren werden laMRSA in den letzten Jahren jedoch mit steigender Häufigkeit nachgewiesen. Ob sie das gleiche Krankheitspotenzial wie haMRSA haben, ist noch nicht bekannt. Ebenso sind die genauen Übertragungswege (Kontakt versus Staub) unklar; dies wird derzeit in unterschiedlichen Studien europaweit untersucht.
Die drei Hauptgruppen von MRSA sind mit bestimmten spa-Typen assoziiert. Der Nachweis eines bestimmten Typs, zum Beispiel spa t032, lässt den Rückschluss auf einen haMRSA, spa Typ t044 auf einen caMRSA und spa Typ t011 auf einen laMRSA zu. Diese Erkenntnis hilft bei der Risikoabschätzung und Entscheidung über Weiterbehandlung und/oder notwendige Maßnahmen im ambulanten Bereich. So könnte es sinnvoll sein, beim Nachweis eines caMRSA stringenter vorzugehen als beim Nachweis eines laMRSA.
Die in diesem Artikel beschriebenen Maßnahmen beziehen sich auf haMRSA, da diese in Deutschland den weitaus größten Anteil ausmachen. Ambulant erworben werden weniger als 5 Prozent aller MRSA; laMRSA kommen regional sehr unterschiedlich vor, dies ist möglicherweise mit der Tierdichte einer Region assoziiert.
Kolonisiert oder infiziert
Häufig löst der Nachweis von MRSA großen Schrecken aus, denn viele Patienten meinen, dass dies gleichbedeutend mit einer MRSA-Infektion sei. Das ist keinesfalls so.
MRSA ist zunächst nichts anderes als ein normaler Hautkeim. Staphylococcus aureus ist bei 20 bis 50 Prozent aller Menschen ein Teil der normalen Haut- und Schleimhautflora. MRSA, also die Antibiotika-unempfindliche Variante von S. aureus, kommt deutlich seltener vor. Aufgrund der vorliegenden Daten geht man in Deutschland davon aus, dass 0,3 bis 5 Prozent der Menschen MRSA-Träger sind. In Heimen soll die Prävalenz bei 1,1 bis 2,4 Prozent liegen, mit regional erheblichen Unterschieden.
Diese MRSA-Träger sind jedoch nicht erkrankt, sondern der Keim lebt (kolonisiert) lediglich auf den Schleimhäuten des Nasenvorhofs und des Rachens, seltener im Analbereich. Er teilt sich diese Haupt-Kolonisationsorte mit anderen Mikroorganismen, ohne in den Körper einzudringen und ihn krank zu machen. Nimmt der Mensch jedoch Antibiotika ein, erhält MRSA einen deutlichen Vorteil. Da er gegen fast alle peroral und damit ambulant verabreichten Antibiotika unempfindlich ist, kann er sich gegen seine »Konkurrenten« auf der Schleimhaut durchsetzen (Überwindung der Kolonisationsresistenz) und sich somit ungehindert weiter ausbreiten. In dieser Situation kann er sich offenbar dauerhaft auf dem Menschen einnisten.
Bis dahin ist der Mensch immer noch nicht krank. Um aus einem einfachen Hautkeim zu einem Krankheitserreger zu werden, benötigen haMRSA eine Grunderkrankung oder Risikofaktoren, die ihnen den Weg in tiefere Bereiche des Körpers eröffnen. Hierzu gehören minderdurchblutete Wunden wie der »offene Fuß«, Operationswunden oder Fremdkörper wie Venenkatheter oder Beatmungsschläuche. Bei etwa einem Viertel der Träger wird aus dem friedvollen Hautkeim unter diesen Umständen ein echter Wundkeim. Dringt er in Organe wie die Lunge vor, kann er zur Lungenentzündung führen; kommt er in die Blutbahn, kann er eine Blutvergiftung (Sepsis) auslösen.
Erst jetzt ist ein gut funktionierendes Immunsystem dringend notwendig. Ist dieses jedoch eingeschränkt, kann MRSA ungehindert wüten. Dann sind bakterizid wirksame Antibiotika erforderlich, die in den infizierten Körperregionen, zum Beispiel Weichteilen, Knochen und Lunge, auch eine ausreichende Konzentration erreichen müssen. Genau hier liegt das Problem.
Antibiotika züchten Resistenzen
Antibiotika gegen MRSA-Infektionen stehen nicht ohne Weiteres zur Verfügung. In der Regel greifen die Ärzte zu Reserve-Antibiotika wie Linezolid, Tigecyclin und Fosfomycin, häufig in Kombination mit anderen wirksamen Reservesubstanzen, die infundiert werden. Die Infektion ist nur sehr schwer therapierbar und der Erkrankungsverlauf von vielen Rezidiven gekennzeichnet.
Aus Sicht der Patienten können die Therapieversuche hilflos erscheinen, wenn zum Beispiel bei MRSA-assoziierten Osteomyelitiden wiederholt chirurgische und antibiotische Therapien folgen und die Infektion dennoch immer wieder »aufflackert«. Diese Situation ist leider das Ende einer meist seit Monaten oder Jahren bestehenden Erkrankung. Sie ist die Spitze des Eisbergs; oftmals hätte man sie Monate oder Jahre früher verhindern können.
Multiresistente Keime entwickeln sich nicht per Zufall. Einer der Hauptrisikofaktoren für die Entstehung und Weiterverbreitung von MRSA ist eine antibiotische Therapie. MRSA entstehen nicht jedes Mal neu, sondern werden in den allermeisten Fällen durch Selektion zum Leitkeim auf der Schleimhaut »gezüchtet«. Bei Menschen, die schleimhautgängige Antibiotika einnehmen oder eingenommen haben, kommen resistente Keime in höherer Konzentration vor. Dies erklärt zumindest teilweise, warum Patienten unter Selektionsdruck einerseits leichter MRSA übertragen und sich andererseits die Keime bei ihnen leichter als Teil der permanenten Hautflora etablieren können.
Die Gabe von Antibiotika korreliert europaweit mit der Verbreitung von MRSA. Um deren Wirksamkeit zu erhalten, ist es dringend notwendig, dass sie nur streng indikationsbezogen eingesetzt werden. Fast schon »automatisiert« verordnete Antibiotika und inadäquat verlängerte Prophylaxen fördern Auftreten und Ausbreitung von MRSA. Umso schwieriger ist dann die Therapie bei Menschen, die eine »echte« Infektion durch diese Keime erleiden.
Prävention durch Screening
Das MRSA-Problem besteht nicht isoliert im stationären oder ambulanten Bereich. Menschen, die sich im Krankenhaus mit dem resistenten Keim kolonisiert oder infiziert haben, verlieren diesen nicht einfach nach der Entlassung. Sie nehmen das »Souvenir« mit nach Hause oder in ein Pflegeheim, wo die Kolonisation aber nicht auffällt, da sie keine Beschwerden auslöst. Sie stellt auch keine Gefahr für (relativ gesunde) Mitbewohner dar. Der Keim kann sich über Monate oder sogar dauerhaft auf der Nasenschleimhaut oder im Rachen tummeln, ohne irgendwelche Probleme zu bereiten. Anders kann es werden, wenn die Menschen den Erreger beim nächsten stationären Aufenthalt wieder in das Krankenhaus mitbringen. Der MRSA kann den Träger selbst oder andere geschwächte Patienten infizieren und Erkrankungen auslösen.
Um eine Übertragung auszuschließen, sind besondere Hygienemaßnahmen wie konsequente Händehygiene dringend notwendig. Dies ist umso wichtiger, da viele Patienten von denselben Pflegenden betreut werden. Die hygienische Händedesinfektion, zum Teil vor und vor allem nach jedem Patientenkontakt, ist die wichtigste Prophylaxe! Andererseits kann der MRSA natürlich auch von einem Menschen zum anderen durch direkte Kontakte, zum Beispiel bei Benutzung derselben Nasszelle, übertragen werden. Daher ist die Unterbringung im Einzelzimmer eine wichtige Maßnahme zum Schutz vor Weiterverbreitung. Zudem werden Maßnahmen der Barrierepflege (isolierte Pflege) empfohlen wie Schutzkittel, Handschuhe, Mundschutz und wiederum Händedesinfektion. Das Personal trägt Kittel und Handschuhe primär nicht zum eigenen Schutz, sondern zum Schutz der nachfolgend gepflegten Patienten. Nur der Mundschutz dient dem Zweck, die Hauptlokalisation »Nasenvorhof« nicht mit der potenziell MRSA-kontaminierten Hand zu berühren.
Um diese Maßnahmen jedoch einleiten und umsetzen zu können, muss man wissen, ob ein Patient bei Aufnahme in ein Krankenhaus bereits MRSA-Träger ist oder nicht. Um das Screening zu vereinfachen, hat die KRINKO-Kommission am Robert-Koch-Institut (RKI) eine Liste mit Risikofaktoren herausgegeben (Kasten oben). Nur Patienten, die ein höheres Risiko für die Trägerschaft von MRSA haben, sollen vor oder kurz nach der Aufnahme auf eine Besiedelung hin untersucht werden. Ein mikrobiologisches Screening umfasst in der Regel Abstriche der beiden Nasenvorhöfe (mit demselben Abstrichtupfer), des Rachens und gegebenenfalls von Wunden einschließlich ekzematöser Hautareale und Ulcera.
Die vorbeugende Untersuchung nützt in vielerlei Hinsicht. Sie dient dem Patienten selber, weil eine elektive invasive Maßnahme verschoben werden kann, bis eine Sanierungstherapie beendet wurde. Ist die medizinische Versorgung dringend nötig, können die Ärzte den MRSA von Anfang an berücksichtigen, falls eine Infektion auftritt und Antibiotika notwendig werden. Die vorbeugende Untersuchung schützt zudem das Personal, weil sie klärt, bei welchen Patienten die Hygienemaßnahmen besonders sorgfältig auszuführen sind. Damit wird die Gefahr einer Übertragung auf Mitpatienten, aber auch einer Besiedlung des Personals mit MRSA, insbesondere im Fall von caMRSA, vermindert.
Die vorbeugende Untersuchung von Risikopatienten vor oder kurz nach Aufnahme in ein Krankenhaus ist eine der wichtigsten präventiven Maßnahmen, um die Ausbreitung von MRSA und nosokomiale schwere MRSA-Infektionen zu vermeiden.
Sanierungszyklus
Die Standardsanierung bei MRSA dauert fünf bis sieben Tage und umfasst folgende Maßnahmen:
dreimal täglich Mupirocin-Nasensalbe (Mittel der Wahl) in beide Nasenvorhöfe einbringen,
zwei- bis dreimal täglich Rachenspülung mit antiseptischer Lösung,
bei positiven Befunden von anderen Körperstellen gegebenenfalls Hautwaschungen mit einer antiseptischen Seife, zum Beispiel ein- bis zweimal täglich duschen (inklusive Haare). Bei jedem Wirkstoff sind die Einwirkzeiten nach Herstellerangaben zu beachten!
Bei Sanierung zu Hause empfiehlt sich zur Vereinfachung die Anwendung eines MRSA-Sanierungskits oder -Sets.
Auf jeden Fall muss der Sanierungserfolg kontrolliert werden. Dies erfolgt drei Tage nach Beendigung dieser Therapie mithilfe von Kontrollabstrichserien aus Nase, Rachen und gegebenenfalls anderen Lokalisationen. Im Krankenhaus werden an drei aufeinander folgenden Tagen drei Serien, in der Arztpraxis wird zunächst eine Kontrollabstrichserie vorgenommen. Liegen sanierungshemmende Faktoren (siehe unten) vor, müssen die Ärzte im Einzelfall über den Beginn der endgültigen Sanierung entscheiden. In diesem Fall kann eine Behandlung zur Keimreduktion sinnvoll sein. Nach Entlassung des Patienten muss eine Sanierung stets weitergeführt und der Erfolg kontrolliert werden.
Auch ambulant möglich
Nicht immer ist die Dekolonisierung während des stationären Aufenthalts möglich oder erfolgreich. Als sanierungshemmende Faktoren gelten vor allem eine Antibiotikatherapie, liegende Katheter und offene Wunden. Die Sanierung mit dem Ziel der Eradikation des Keims von Haut- und Schleimhaut soll erst dann beginnen, wenn sich das sogenannte Sanierungsfenster öffnet, also die Hemmfaktoren (weitgehend) beseitigt oder geheilt sind. Mitunter ist dies erst Wochen oder Monate nach der Entlassung der Fall. Aber auch dann ist die Therapie nicht immer erfolgreich. Es sei nochmals betont, dass der Patient den MRSA nicht einfach verliert. Eine Trägerdauer von 12 bis zu 40 Monaten ist bekannt.
Wenn eine Sanierungstherapie nicht erfolgreich ist, muss geklärt werden, welcher sanierungshemmende Faktor dafür verantwortlich ist. Bei Patienten, bei denen dauerhaft solche Faktoren vorliegen, muss nach Rücksprache mit einem Facharzt für Hygiene oder Mikrobiologie im Einzelfall entschieden werden.
Im Alten- und Pflegeheim sind Hygienemaßnahmen über die Standardhygiene hinaus nicht erforderlich. Unter Einhaltung der erforderlichen persönlichen Hygiene sind soziale Kontakte ohne Weiteres möglich.
Zur Verbesserung der Kommunikation zwischen den Krankenhäusern und den niedergelassenen Ärzten wurde ein »MRSA-Übergabebogen« entwickelt. Er soll den weiterbehandelnden Arzt nach der Krankenhausentlassung über Stand und Fortführung der Sanierungsbehandlung von MRSA-Trägern informieren. Zudem legt er das Augenmerk auf die Grunderkrankung und somit den unter Umständen sanierungshemmenden Faktor. Liegt ein solcher vor, ist die Dekolonisierung nur in sehr seltenen Fällen wirklich erfolgreich.
Wichtig ist es, die Hygienemaßnahmen im ambulanten Bereich auf das notwendige Maß zu beschränken. Hierzu gehört in jedem Fall eine gute Händehygiene. Außerhalb des Akutkrankenhauses reichen situationsangepasste Hygienemaßnahmen aus, um Übertragungsketten von MRSA zu vermeiden. Da dies häufig zur Verunsicherung führt, wird auch dieses Thema im MRSA-Übergabebogen angesprochen.
Um die Versorgung der Patienten zu verbessern, wurde im Rahmen des EUREGIO MRSA-net (siehe unten) gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) und der AOK Westfalen-Lippe eine zwölfmonatige Weiterbetreuung von MRSA-Patienten nach Entlassung aus dem Krankenhaus entwickelt. Spezielle Abrechnungsziffern sollen die vorbeugende Betreuung von MRSA-Patienten im ambulanten Bereich und die zusätzlich rasche Kontrolle von Ausbrüchen durch community-acquired MRSA fördern.
In den Niederlanden seltener
In Deutschland kommen MRSA bis zu 20-mal häufiger vor als in den Niederlanden. In den letzten 15 Jahren wurde ein Anstieg der Prävalenz von MRSA in klinischen MRSA-Isolaten von 2 auf etwa 20 Prozent beobachtet. Auch wenn sich die Rate in Deutschland in jüngster Zeit stabilisiert, sind die Prävalenzraten benachbarter Länder (Niederlande, Dänemark) deutlich niedriger. In Dänemark liegt sie beispielsweise seit Jahren stabil unter 5 Prozent. Hier zeigt sich deutlich, dass sich das MRSA-Vorkommen im Krankenhaus durch ein konsequentes und koordiniertes Vorgehen nach dem niederländischen Prinzip »search and destroy« deutlich verringern lässt.
Jedoch können niederländische Strategien nicht einfach übernommen werden, denn das deutsche Gesundheitswesen unterscheidet sich sehr stark vom niederländischen. So sind statistisch gesehen doppelt so viele Menschen am Ende eines Jahres in Deutschland im Krankenhaus gewesen (21 versus 9 Prozent). Der Kontakt zu Antibiotika und gleichzeitig zu anderen MRSA-Trägern ist daher viel wahrscheinlicher. Ebenso ist die ambulante Versorgung vollkommen anders strukturiert. Das in Deutschland eher mäßige Ineinandergreifen von stationärer und ambulanter Versorgung ist ein »Knackpunkt« für den Erfolg einer MRSA-Sanierungstherapie und die Vermeidung von Infektionen.
Regionale Netzwerke als Lösung
Einen Lösungsansatz bieten regionale Netzwerke. Ein Beispiel ist das Projekt MRSA-net. Im Mittelpunkt steht die Schaffung eines deutsch-niederländischen Netzwerks, das die Bevölkerung in der Region Twente/Münsterland vor Infektionen mit dem resistenten Keim schützen soll und in das die wichtigsten Partner der Gesundheitsversorgung aus der EUREGIO (Krankenhäuser, Reha-Einrichtungen, Arztpraxen und Laboratorien, Gesundheitsämter, Alten- und Pflegeheime, Versicherungen) binational eingebunden sind. Die Universität Twente erarbeitete einen Vergleich der in beiden Ländern geltenden MRSA-Hygienerichtlinien. Grundvoraussetzung für die flächendeckende Umsetzung von Präventionsstrategien ist eine intensive Fort- und Weiterbildung des Personals sowie die Aufklärung der Bürger und des öffentlichen Gesundheitsdienstes.
Als besonders wichtig zeigte sich, dass es nicht ausreicht, die Maßnahmen auf das Krankenhaus zu konzentrieren. Ein MRSA-Träger muss beginnend im Krankenhaus, jedoch auch nach Entlassung, gegebenenfalls in der Arztpraxis oder im Pflegeheim bis hin zum nächsten Krankenhausaufenthalt betreut werden (»MRSA-Kreislauf«). Entscheidend ist, dass die Behandlung von sanierungshemmenden Faktoren, zum Beispiel chronischen Wunden, nach der Entlassung konsequent fortgeführt wird. Dabei muss der MRSA-Status jederzeit weiter berücksichtigt werden.
Die gezielte Suche nach Keimträgern im Krankenhaus und die angepasste Weiterbetreuung der Patienten entlang der Versorgungskette kann als deutsche Version der niederländischen Strategie gelten. Sie lässt sich mit dem Begriff »search and follow« zusammenfassen.
In diesem Projekt verpflichteten sich die teilnehmenden Krankenhäuser zur Erfüllung von Qualitätszielen. Dies wird durch die zuständigen Überwachungsbehörden gemeinsam mit den Projektkoordinatoren überprüft und führt zur Kennzeichnung mit dem EUREGIO MRSA-net Qualitäts- und Transparenzsiegel. Dieses ist zwei Jahre gültig. Seine Verlängerung im Jahr 2010 ist an die Erfüllung neu definierter Qualitätsziele gebunden. Die kontinuierliche Umsetzung der Präventionsmaßnahmen, zum Beispiel Screening von potenziellen Trägern, wird regelmäßig überprüft.
Ein Krankenhaus erhält das Siegel, wenn es die erforderlichen Qualitätsziele kontrolliert umgesetzt hat. Das hat Öffentlichkeitswirkung: Es zeigt den Patienten, dass das Krankenhaus alles tut, um die nosokomiale Übertragung und Infektionen durch MRSA zu vermeiden. Patienten können sich auf der Homepage des Projekts (www.mrsa-net.eu) über die Krankenhäuser informieren, die das EUREGIO Qualitäts- und Transparenzsiegel erhalten haben. Zusätzlich können sie ermitteln, welcher Arzt und welche Fachpflegekräfte als Ansprechpartner im jeweiligen Krankenhaus zur Verfügung stehen und dort weitere Informationen erfragen. Dieser offene Umgang soll Transparenz und Vertrauen fördern.
Die Rate der MRSA-Infektionen wird in jedem teilnehmenden Krankenhaus von den Gesundheitsämtern regelmäßig mindestens einmal jährlich überprüft. In jedem Fall muss beachtet werden, dass die Prävention eine gezielte Suche voraussetzt. Dadurch werden mehr MRSA-Träger entdeckt, aber es gibt weniger Übertragungen und als Konsequenz seltener nosokomiale Infektionen.
Präventionsparadox
Diese Situation, dass die gezielte Präventionsstrategie die MRSA-Zahlen zunächst ansteigen lässt, zeitgleich jedoch weniger nosokomiale Übertragungen und schwere Infektionen erfolgen, wird »MRSA-Präventionsparadox« genannt. Steigt die Anzahl von MRSA in den ersten zwölf Monaten nach Umsetzung des Risikoscreenings nicht an, ist dies ein Hinweis dafür, dass das Krankenhaus die geforderten Maßnahmen nicht adäquat umsetzt.
Im Rahmen der Überwachung werden mit einer speziellen Software (EpiMRSA) (eu)regional vergleichbare epidemiologische MRSA-Kennzahlen gewonnen. Zwei sind besonders bedeutend. Zum einen die Anzahl von Nasenabstrichen pro 100 stationären Aufnahmen. Je höher diese Zahl ist, desto stärker ausgeprägt ist das Präventions-Engagement des Krankenhauses und der Schutz vor MRSA-Übertragungen. Die zweite Zahl ist die Anzahl von Patienten mit einem MRSA-Nachweis in der Blutkultur, angegeben zum Beispiel pro 1000 Patiententagen. Dies ist ein Indikator für die medizinische Bedeutung des MRSA-Problems in einem Krankenhaus oder in einer gesamten Region.
Daneben ist noch die Anzahl von MRSA, die nicht aus Nasenscreenings isoliert wurden (bezogen auf Patienten, Nasenabstriche oder Patiententage), und der Anteil der caMRSA an allen MRSA von Bedeutung. Selbstverständlich ist die Erfassung der aus dem MRSA-KISS bekannten epidemiologischen Kennzahlen empfehlenswert.
Europaweite Initiativen
Das Thema der Antibiotika-resistenten Erreger, dazu zählen auch Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) oder Extended-spectrum-Betalactamase bildende gramnegative Erreger (ESBL), steht europaweit ganz oben auf der Agenda der Gesundheitsexperten. Es ist sogar ein Schwerpunktthema der aktuellen EU-Ratspräsidentschaften. Am 18. November 2008 wurde auf Initiative der Europäischen Infektionsschutzbehörde (ECDC, Stockholm) zum ersten Mal der »Europäische Antibiotikatag« begangen, der jährlich stattfinden und auf die Bedeutung des Erhalts der Antibiotikawirksamkeit durch Prävention von Resistenzen hinweisen soll. In Deutschland hat die Gesundheitsministerkonferenz 2006 die Bildung regionaler Netzwerke empfohlen. Federführend bei der Weiterentwicklung ist das RKI.
Pünktlich zum 1. Europäischen Antibiotikatag hat die Bundesregierung einen Kabinettsbeschluss vom 12. November 2008 präsentiert: die Deutsche Antibiotikaresistenz-Strategie (DART). Hier hat das Bundesministerium für Gesundheit nach Diskussion mit der Fachwelt die wichtigsten Handlungsfelder zur Prävention von Resistenzen detailliert erarbeitet. Vor allem der Antibiotikaeinsatz in Tier- und Humanmedizin, neue Forschungsansätze und Hygienemaßnahmen wurden strukturiert erfasst und präventive Ansätze in einem strikten Zeitplan festgelegt. Auch diese nationale Agenda empfiehlt die Bildung regionaler Netzwerke. Die Gesundheitsämter sollen dabei die Funktion des Moderators übernehmen und die lokalen Akteure im Gesundheitswesen, unter anderen Apotheker und Ärzte, einbinden.
Letztlich soll hierdurch auch der vorbeugende Infektionsschutz verbessert werden, weil lokale Strukturen zur Vermeidung von MRSA natürlich ebenso für andere Infektionen, zum Beispiel mit Noroviren oder H5N1, nutzbar sind. Vorrangiges Ziel ist immer, die Sicherheit der Patienten und natürlich auch des Personals im Gesundheitswesen zu stärken.
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Alexander W. Friedrich studierte Medizin und erhielt 1999 die Approbation als Arzt. Seine Promotion fertigte er am Institut für Hygiene und Mikrobiologie der Universität Würzburg an. 2004 erhielt er die Anerkennung als Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie, ein Jahr später als Infektiologe. Seit 2005 leitet das EUREGIO-Projekt MRSA-net. Dr. Friedrich hat sich 2006 für das Fach Hygiene und Mikrobiologie an der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms Universität Münster habilitiert und arbeitet derzeit als Oberarzt am Institut für Hygiene des Universitätsklinikums Münster.
Privatdozent Dr. Alexander W. Friedrich
Institut für Hygiene des Universitätsklinikums Münster
Robert-Koch-Straße 41
48149 Münster
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