Impfpflicht-Kompromiss sieht Apothekenbeteiligung vor |
Sollte dieses Jahr eine Impfpflicht eingeführt werden, könnten Apotheken bald nicht nur Impfnachweise an die Krankenversicherungen weiterleiten, sondern die Personen auch mit entsprechenden analogen Nachweisen versorgen. / Foto: IMAGO/Michael Gstettenbauer
In dieser Woche könnte sich im Bundestag eine wichtige Entscheidung hinsichtlich der Coronavirus-Pandemie anbahnen. Am kommenden Donnerstag werden die Abgeordneten über die Einführung einer Covid-19-Impfpflicht diskutieren und voraussichtlich auch entscheiden. Darüber wird seit Monaten gerungen, nun scheint ein neuer Kompromiss im Raum zu stehen.
Die Abgeordneten um Janosch Dahmen (Grüne), Dirk Wiese (SPD), Till Steffen (Grüne) und Weiteren hatten sich bislang eigentlich für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren eingesetzt. Dieser war aber laut Gesundheitspolitikerinnen und –politikern der Ampel-Koalition wohl vergangene Woche bereits vom Tisch. Am heutigen Montag haben die Verfechter der Impfpflicht ab 18 Jahren aber einen Kompromiss vorgebracht und sich außerdem zu einer möglichen Beteiligung der Apotheken bei der Impfpflicht-Umsetzung geäußert.
Zur Erklärung: Bislang gab es insgesamt fünf verschiedene Ideen und Gesetzesanträge zur Impfpflicht. Die Grünen-Abgeordnete und Apotheken-Berichterstatterin für ihre Fraktion, Paula Piechotta, die sich für eine verpflichtende Impfaufklärung sowie eine mögliche Impfpflicht ab 50 Jahren (je nach Überlastung des Gesundheitssystems) einsetzt, hatte vergangene Woche gegenüber der PZ angekündigt, dass die verschiedenen Gruppen um die diversen Impfpflicht-Anträge außer der AfD gemeinsam nach einem Kompromiss suchen würden.
In einem Pressegespräch erklärte die Bundestagsabgeordnete Dagmar Schmidt (SPD) am Montag aber, dass die Gespräche mit der Union als auch den Vertreterinnen und Vertretern der Impfpflicht ab 50 Jahren eher stockend verliefen. So habe es vonseiten der Union keine richtige Verhandlungsbereitschaft gegeben. Stattdessen präsentierten die Abgeordneten am Montag einen Kompromiss-Vorschlag, der laut Steffen auch auf einigen Punkten der Union sowie der Impfpflicht ab 50 Jahren beruht. So soll der neue Vorschlag auch die Voraussetzung für die Einführung eines zentralen Impfregisters schaffen, damit die für die Impfnachweise erhobenen Daten später auch für das Register genutzt werden könnten, womit eine Forderung der Union berücksichtigt wäre. Zweitens setzen sich die Abgeordneten nun doch für eine altersgestaffelte Impfpflicht ein. So würde die Impfpflicht für alle Personen ab 50 Jahren laut diesem Kompromiss ab Oktober 2022 gelten.
Darüber hinaus wollen die Abgeordneten den Bundestag demnach im September darüber entscheiden lassen, ob eine Impfpflicht auch für die 18 bis 49-Jährigen nötig ist. Und: Die Abgeordneten wollen die Impfberatung verstärkt mit aufnehmen. Über den Sommer sollen demnach insbesondere 18 bis 49-Jährige, die nicht geimpft sind, verpflichtet werden, sich bezüglich Covid-19-Impfungen beraten zu lassen. Diese beiden letzten Punkte hatten sich unter anderem die Abgeordneten Professor Andrew Ullmann (FDP) und Paula Piechotta (Grüne) im Zuge der geplanten Impfpflicht ab 50 Jahren überlegt. Allerdings hatten sie die tatsächliche Einführung einer Impfpflicht ab 50 Jahren unter Vorbehalt einer Bewertung der Pandemie-Situation und der Belastung des Gesundheitssystems im Herbst gestellt.
Und: Auch Dahmen und Co. sehen mit der Impfpflicht eine Einbindung der Apotheken vor. Vergangene Woche hatte die PZ bereits über einen solchen Vorstoß des anderen Antrags (Impfpflicht ab 50 Jahren) berichtet. Nun erklärte Dahmen am Montag auf Nachfrage der PZ, wie die Impfnachweise an die Krankenversicherungen übermittelt werden sollen. Hierzu soll es sowohl einen digitalen als auch einen analogen Weg geben. Über eine Schnittstelle sollen die Impfnachweise aus Anwendungen wie der CovPass-App, bzw. Corona-Warn-App digital an die Krankenversicherungen übermittelt werden können. Oder: Um den Impfnachweis zu erbringen, könnten die Menschen auch in einer Apotheke vorstellig werden, dort entsprechende Nachweise vorlegen und damit soll ebenfalls eine Weiterleitung an die Krankenversicherung möglich gemacht werden, erläuterte Dahmen.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens, ergänzte zudem, dass die Apotheker diesen Impfnachweis zudem für Versicherte in einer gedruckten Form aushändigen könnten, damit diese bei möglichen Kontrollen einen entsprechenden Nachweis hätten. Dies soll für Versicherte möglich werden, die kein Smartphone haben oder den Nachweis nicht in einer digitalen Anwendung wie der CovPass-App auf dem Smartphone speichern wollen. Die Apotheker sollen die Impfnachweise aber nicht kontrollieren, betonte sie. Und: Dieses Prozedere sei noch nicht mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) abgestimmt, so Baehrens.
Ob dieser Vorschlag eine Mehrheit am Donnerstag im Bundestag erreichen wird, ist noch offen. Laut den Abgeordneten Steffen, Dahmen und Co. hätten sich aber bereits 237 Abgeordnete hinter der geplanten Impfpflicht ab 18 Jahren versammelt, darunter auch der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Diese Abgeordneten stünden demnach auch hinter dem neuen Kompromissvorschlag, deutete zudem die Abgeordnete Schmidt an. Für eine entsprechende Mehrheit im Bundestag müssten mehr als die Hälfte der insgesamt 736 Abgeordneten (also mindestens 369) hierfür stimmen.
Die PZ hakte auch bei Vertretern der Impflicht ab 50 Jahren nach, ob sie diesen Vorschlag unterstützen werden. Die Bundestagsabgeordneten Andrew Ullmann (FDP), Paula Piechotta, Kordula Schulz-Asche (beide Grüne), Franziska Mascheck und Herbert Wollmann (SPD) begrüßten den Vorschlag, wollen ihm aber dennoch nicht zustimmen: »Wir begrüßen es sehr, dass sich die Gruppe der Befürworter der allgemeinen Impfpflicht nun auf die anderen Gruppen zu bewegt. Dies ist auch ein Ergebnis aus den Gesprächen in den vergangenen Wochen, die sehr konstruktiv geführt wurden. In vielen Punkten hat sich der Vorschlag unserem Gruppengesetzentwurf angenähert. Dennoch können wir ihm in der jetzigen Form nicht zustimmen.« Eine sofortige Impfpflicht ab 50 ohne Würdigung der vielen unbekannten Variablen im Herbst, von dann denkbaren Virusvarianten bis zur Immunitätsquote in der Bevölkerung, könne auf der Basis der aktuellen Datenlage nicht ausreichend gut begründet werden. »Für uns steht im Mittelpunkt, die Menschen mit verbesserter und vertrauensvoller Beratung von der Impfung zu überzeugen. Bei drohender Überlastung im Gesundheitswesen sieht auch unsere Gruppe vor, dass der Deutsche Bundestag eine Impfpflicht ab 50 beschließen kann. Dazu benötigen wir gute und valide Daten zum Immunstatus in den Bevölkerungsgruppen, um eine zuverlässige Gefahrenvorhersage zu treffen.« Die Abgeordneten um Ullmann wollen damit weiterhin »für einen echten Brückenschlag zwischen den aktuellen Befürworter_innen einer konditionierten Impfpflicht im Bundestag« werben. »Wir stehen jederzeit weiterhin bereit, uns gemeinsam mit der Union und der Gruppe um Heike Baehrens auf einen gemeinsamen Weg zu verständigen«, so die Abgeordneten.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.