Impfen gegen resistente Bakterien |
Daniela Hüttemann |
03.03.2021 12:00 Uhr |
An Impfstoffen gegen Problemkeime wie Staphylococcus aureus und Clostridioides difficile arbeiten verschiedene große Impfstoffhersteller. Der Durchbruch blieb bislang aus. / Foto: Fotolia/natali_mis
Gegen SARS-CoV-2 konnten in Rekordzeit Impfstoffe entwickelt werden, auch auf Basis neuer Technologien wie messenger-RNA und viralen Vektoren. »Es ist das goldene Zeitalter der Impfungen«, sagte kürzlich Emmanuel Hanon, Chef der Forschung und Entwicklung bei GSK Vaccines, bei einer Pressekonferenz von GSK. »Covid-19 hat die Geschwindigkeit der Impfstoffentwicklung dramatisch beschleunigt.« Es gebe neue Player, aber auch mehr Kooperation zwischen den Pharmafirmen.
»Wir lernen derzeit sehr viel darüber, wie Impfen funktioniert, und etablieren neue Plattformen«, so Hanon. Die Unternehmen hoffen nicht nur auf noch besser wirksame Vakzinen mit höherer Immunogenität und Sicherheit, sondern auch auf schnellere, einfachere und effizientere Entwicklung und Produktion. »Davon werden auch Impfstoffe gegen andere Krankheiten profitieren«, prognostizierte der Wissenschaftler.
Denn es gebe noch einen immensen Bedarf an Impfstoffen, zum Beispiel gegen Erkrankungen wie Tuberkulose und Malaria, aber auch in Bezug auf die immer brennender werdende Problematik antibiotikaresistenter Bakterien. »Auch Bakterien können eine Pandemie auslösen«, erinnerte Sanjay Kumar Phogat, Vizepräsident beim Forschungs- und Entwicklungszentrum von GSK Vaccines in Italien. Für das Jahr 2050 gingen Hochrechnungen von weltweit jährlich 10 Millionen Toten durch resistente Bakterien aus. »Das ist aber kein Problem der Zukunft, sondern längst da«, so Phogat. Daher forsche GSK nicht nur weiter an neuen Antibiotika, sondern auch an Impfstoffen, die vor solchen Erregern schützen.
Hier hat das Unternehmen zwei Vakzinen in der Pipeline, die bereits in der klinischen Entwicklung sind. Sie sollen den Körper aktiv gegen die bekannten und weit verbreiteten Problemkeime Staphylococcus aureus und Clostridioides difficile immunisieren. Bei beiden Impfstoffen, die bislang die Kürzel GSK3878858A und GSK2904545A tragen, handelt es sich um rekombinant hergestellte Proteine, die jeweils mit dem Adjuvans AS01 kombiniert wurden.
Der Impfstoffkandidat gegen C. difficile soll prophylaktisch vor einer Erkrankung durch die anaeroben, grampositiven Bakterien schützen sowie ein Wiederauftreten der Symptome verhindern. Die Bakterien lösen teils schwere und langanhaltende Durchfälle aus. Eine Phase-I-Studie startete im Sommer 2019 in Belgien (NCT04026009 ); die Rekrutierung der 109 Probanden ist abgeschlossen. Überprüft werden die Sicherheit, Reaktogenität und Immunogenität der Vakzine bei gesunden Probanden im Alter von 18 bis 45 Jahren sowie 50 bis 70 Jahren mit und ohne Adjuvans. Die Ergebnisse der Studie sind noch nicht publiziert.
Clostridioides difficile ist einer der häufigsten Krankenhauskeime. In Immungeschwächten kann er lebensbedrohliche Durchfallerkrankungen verursachen. / Foto: Imago/Science Photo Library
Auch andere Firmen arbeiten an Impfstoffen gegen resistente Bakterien. Pfizer hat mit PF-06425090 einen Toxoid-basierten Kandidaten gegen C. difficile in der Pipeline, der bereits 2017 in die Phase III ging. Die CLOVER-Studie mit 17.526 Probanden sollte im Februar abgeschlossen werden (NCT03090191). Der Impfstoff hat von der US-Arzneimittelbehörde einen Fast-Track-Status bekommen.
Zuvor war Sanofi-Pasteur mit seinem Kandidaten ACAM-CDIFF™ an C. diffile in der Phase III gescheitert. Diese Vakzine enthielt die Toxoide A und B als Antigene plus ein Adjuvans. Die Studie wurde frühzeitig beendet, weil sich der ersten Zwischenanalyse zufolge nach der bivalenten Toxoid-Impfung sogar mehr Probanden angesteckt hatten als nach einer Placebo-Impfung (Wirksamkeit -5,2 Prozent). Sanofi-Pasteur gab das Programm 2017 auf. Die vollständigen Ergebnisse erschienen im September 2020 im Fachjournal »The Lancet Infectious Diseases« (DOI: 10.1016/S1473-3099(20)30331-5).
Eine Phase-II-Studie mit seinem C.-difficile-Impfstoffkandidaten VLA84 hatte auch das österreichische Unternehmen Valneva durchgeführt (NCT02316470). Hier nahmen 500 gesunde Probanden ab einem Alter von 50 Jahren teil. Die Ergebnisse wurden nicht in einem Fachjournal veröffentlicht. Das Unternehmen sei jedoch mit seinem Subunit-Impfstoff bereit für Phase III und suche hierfür noch nach einem Partner, heißt es auf dessen Website.
GSK3878858A von GSK soll vor primären und wieder auftretenden Haut- und Weichteil-Infektionen mit S. aureus schützen. Eine Phase-I-Studie startete im Sommer 2020 (NCT04420221). Teilnehmen sollen 632 Probanden im Alter von 18 bis 50 Jahren – sowohl gesunde als auch solche, die zuvor bereits einmal eine Haut- oder Weichteilinfektion mit S. aureus durchlitten haben. In diesem ersten klinischen Schritt werden Sicherheit, Immunogenität und Wirksamkeit verschiedener Dosen mit und ohne Adjuvans erprobt. Die Studie wird in den USA durchgeführt und soll bis November 2022 laufen.
Gegen Staphylococcus aureus hatten oder haben viele weitere Unternehmen Impfstoffkandidaten in der Pipeline, doch auch hier gab es viele Rückschläge. Zum Beispiel zeigte 2018 die Phase-IIb-Studie STRIVE von Pfizer mit dem Konjugatimpfstoff PF-06290510 an 3450 Probanden, die eine Rückenmarks-Operation hatten, nicht den gewünschten Erfolg und wurde vorzeitig abgebrochen (NCT 02388165). Seitdem hat Pfizer keine neue Studie mit diesem Kandidaten aufgelegt.
Gescheitert scheint auch der Impfstoffkandidat V710 von Valneva (vormals Intercell) und dem US-Pharmariesen Merck, Sharpe & Dohme (MSD) zu sein. In einer Phase-II/III-Studie mit mehr als 8000 Probanden verstarben mehr Patienten nach der Impfung als unter Placebo bei ausbleibender Wirksamkeit (NCT00518687).
Ebenfalls erfolglos war die Entwicklung einer bivalenten Konjugatvakzine namens StaphVAX von Nabi Biopharmaceuticals. Während die ersten klinischen Studien noch vielversprechende Ergebnisse brachten, zeigte sich der Impfstoff in einer Phase-III-Studie mit 3359 Patienten mit Niereninsuffizienz im Endstadium unter Hämodialyse unwirksam (DOI: 10.4161/hv.34414), ebenso in einer weiteren Phase-III-Studie mit Herzpatienten nach einem Eingriff (DOI: 10.1001/jama.2013.3010), sodass die Entwicklung vor einigen Jahren eingestellt wurde.
Die Entwicklung von Vakzinen gegen diese Problemkeime scheint ein steiniger Pfad zu sein. Bleibt zu hoffen, dass die Firmen ihren Weg fortsetzen und demnächst mehr Erfolg haben.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.