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Spinale Muskelatrophie

Hält doppelt besser?

Profitieren Säuglinge und Kinder mit der seltenen Erkrankung spinale Muskelatrophie von einer Gabe des Oligonukleotids Nusinersen, wenn eine vorherige Gentherapie nicht den erhofften Erfolg gebracht hat? Untersuchen soll dies die Studie RESPOND.
Kerstin A. Gräfe
26.08.2020  15:30 Uhr

Patienten mit spinaler Muskelatrophie (SMA) bilden nicht genug SMN-Protein (SMN: Survival of Motor Neuron) – ein Protein, das wie sein Name schon sagt für die Motoneuronen überlebenswichtig ist und somit für jene Nervenzellen, die das Sitzen, Gehen und andere grundlegende Lebensfunktionen wie Atmen und Schlucken ermöglichen. In ihrer schwersten Form führt SMA zum Tod.

Zur Therapie stehen in Deutschland derzeit zwei Optionen zur Verfügung: Den Anfang machte Nusinersen (Spinraza® von Biogen), das im Jahr 2017 zugelassen wurde. Das Antisense-Nukleotid wird etwa alle vier Monate als Erhaltungstherapie in die Wirbelsäule appliziert und führt dazu, dass vermehrt SMN-Protein gebildet wird. Seit diesem Jahr ist zudem eine Gentherapie verfügbar. Onasemnogen abeparvovec (Zolgensma® von Novartis) soll einen ähnlichen Nutzen wie Spinraza bringen. Es muss allerdings nur einmal appliziert werden und soll dann für den Rest des Lebens wirken. Des Weiteren könnte womöglich bald eine orale Behandlung zur Verfügung stehen: Risdiplam (Evrysdi® von Roche und PTC) ist in den USA bereits zugelassen.

Nusinersen-Hersteller Biogen plant nun eine klinische Studie der Phase IV mit dem Namen RESPOND, die den Nutzen und die Sicherheit von Nusinersen untersuchen soll, wenn trotz einer Zolgensma-Behandlung noch ein ungedeckter klinischer Bedarf besteht. Die Rationale liefern Daten der Langzeitbeobachtung START, aus denen hervorgeht, dass bis heute vier von zehn Patienten im Anschluss an die Gentherapie mit Nusinersen behandelt wurden.

RESPOND ist als zweijährige, unverblindete Studie angelegt und soll Anfang 2021 starten. In eine erste Behandlungsgruppe sollen 40 Säuglinge aufgenommen werden, die zum Zeitpunkt der ersten Anwendung von Nusinersen maximal neun Monate alt sind, zwei SMN2-Kopien besitzen (also wahrscheinlich eine SMA-Typ-1 entwickeln) und Zolgensma im Alter von sechs Monaten oder jünger erhalten haben.

In eine zweite Behandlungsgruppe sollen 20 ältere Kinder aufgenommen und somit Daten bei Patienten eines größeren Altersspektrums (bis zu einem Alter von drei Jahren bei der ersten Anwendung von Nusinersen) erhoben werden.

Nach einer Screeningphase erhalten die Teilnehmer Nusinersen gemäß Fachinformation in der zugelassenen Dosis von 12 mg – zunächst vier Aufsättigungsdosen und anschließend eine Erhaltungsdosis alle vier Monate über die Studiendauer von zwei Jahren.

»Wir wollen mit der Studie herausfinden, inwiefern Nusinersen die Outcomes möglicherweise verbessert«, so Dr. Maha Radhakrishnan, Chief Medical Officer von Biogen, in einer Pressemitteilung. Die Zulassung von Nusinersen sei ein Meilenstein in der Therapie der 5q-SMA gewesen. Von den präsymptomatischen Säuglingen aus der NURTURE-Studie seien nach fast fünf Jahren Therapie alle noch am Leben. 

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