Fünf im Einsatz, viele am Start |
Zusätzlich zu den genannten Präparaten könnten in Zukunft noch weitere in der EU zugelassen werden. Derzeit befinden sich vier Covid-19-Impfstoffe bei der Europäischen Arzneimittelagentur in Prüfung: der russische Vektorimpfstoff Sputnik V (seit 4. März 2021 im Rolling Review), der chinesische Ganzvirus-Impfstoff Covid-19 Vaccine (Vero Cell) Inactivated von Sinovac (seit 4. Mai 2021), der adjuvantierte proteinbasierte Impfstoff Vidprevtyn® von Sanofi und Glaxo-Smith-Kline (seit 20.Juli 2021) und der inaktivierte Ganzvirus-Impfstoff VLA2001 des österreichisch-französischen Unternehmens Valneva (seit 2. Dezember 2021).
Letzterer könnte trotz des späten Starts als erster Kandidat ein positives Votum der EMA erhalten: Das Unternehmen rechnet mit einer Zulassung im ersten Quartal 2022.
Insgesamt sind zahlreiche weitere Covid-19-Vakzinen in verschiedenen Stadien der Entwicklung. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) befinden sich 139 Kandidaten in klinischer und 194 in präklinischer Prüfung (Stand 17. Januar 2022). In klinischen Studien werden auch 16 DNA-basierte Kandidaten und zwei attenuierte Lebendvakzinen getestet.
Welche Kandidaten schaffen es bis zur Zulassung? Hier deuten sich Enttäuschungen, aber auch Hoffnungen an. Eine Enttäuschung könnte man bei den klassischen Totimpfstoffen mit inaktivierten Viren erleben. Waren die Erwartungen anfangs hoch, da dieser Typ auf einer seit 60 bis 70 Jahren eingesetzten Impfstofftechnologie mit bewährten Verfahren und sehr hoher Sicherheit fußt, lassen neuere Ergebnisse Zweifel an der Wirksamkeit aufkommen.
Die Ganzvirus-Impfstoffe von Sinovac und Sinopharm wurden in vielen Ländern der Welt eingesetzt. Zunächst wurde ihnen eine hohe Wirksamkeit von mehr als 80 Prozent bescheinigt. Allerdings deuteten sich bereits Mitte des letzten Jahres Probleme an, da die Schutzwirkung innerhalb kurzer Zeit rapide nachlässt. Die WHO bescheinigte Sinovac im Juni 2021 eine Wirksamkeit von 51 Prozent gegen symptomatische Verläufe. In Thailand, Malaysia oder Indonesien, in Singapur, der Mongolei, Kuala Lumpur und sogar in China selbst begannen die Behörden an der Wirksamkeit des Impfstoffs zu zweifeln.
Mittlerweile verfestigt sich dieser Trend. Selbst die Hoffnung, Impfstoffe auf Basis inaktivierter Viren zumindest als Booster einzusetzen, scheint nicht berechtigt, wie die britische Vergleichsstudie CovBoost zeigt. Ihr zufolge hatte VLA2001 die schwächste Boosterwirkung von sieben geprüften Impfstoffen (7).
Hoffungsvoll stimmen hingegen Meldungen zu einem neuen Impfstofftyp, der darauf abzielt, eine T-Zell-Antwort zu induzieren. Die Entwicklung des Prototyps dieser Impfstoffklasse »CoVac-1« findet in Deutschland an der Universität Tübingen statt. Der Sechs-Peptid-Impfstoff enthält Fragmente von fünf SARS-CoV-2-Proteinen (Spike, Nukleokapsid, Membran, Hülle und offener Leserahmen 8), die von antigenpräsentierenden Zellen aufgenommen und den T-Zellen präsentiert werden. Zudem enthält der Impfstoff den neuartigen Toll-like-Rezeptor (TLR)1/2-Agonisten XS15 und die Wasser-in-Öl-Emulsion Montanide ISA51 VG als Adjuvanzien. Diese fördern die Aktivierung und Reifung von antigenpräsentierenden Zellen und tragen entscheidend dazu bei, dass eine starke T-Zell-Reaktion induziert wird.
Ende November veröffentlichte ein Team um Professor Dr. Juliane Walz vom Uniklinikum Tübingen Phase-I-Daten. Diese zeigten, dass eine Einzeldosis des Impfstoffs gut verträglich war und multifunktionale CD4- und CD8-T-Zell-Reaktionen in einer Größenordnung auslöste, die deutlich über denen lagen, die durch natürliche Infektionen oder andere Impfstofftechnologien hervorgerufen wurden (8).
T-Zell-induzierende Peptidimpfstoffe werden auch von anderen Gruppen entwickelt, wie in einem News-Beitrag in »Nature Biotechnology« berichtet wird (9). So plant das britische Unternehmen »Emergex Vaccines«, Anfang 2022 mit der Erprobung seines Impfstoffs auf Nanopartikelbasis zu beginnen. Der experimentelle Impfstoff enthält neun synthetisch hergestellte Proteinfragmente, die eine T-Zell-Immunität gegen Coronaviren vermitteln sollen. Der Impfstoff wird zudem nadelfrei über die Haut appliziert. Das französische Unternehmen »OSE Immunotherapeutics« testet in Phase I einen ähnlichen Kandidaten mit elf Peptiden, der auf die Aktivierung von T-Zellen abzielt, allerdings injiziert wird. Vorläufige Ergebnisse der ersten acht Studienteilnehmer zeigten sechs Wochen nach der Injektion starke virusspezifische T-Zell-Reaktionen.