Früh erkennen, gezielt behandeln |
Annette Rößler |
14.01.2024 08:00 Uhr |
Feinmotorische Bewegungen fallen Patienten mit Parkinson im Verlauf der Erkrankung zunehmend schwerer. / Foto: Getty Images/Alex Potemkin
Die Parkinson-Krankheit oder auch Morbus Parkinson ist eine chronische neurodegenerative Erkrankung, die nach dem Erstbeschreiber, einem Londoner Arzt namens James Parkinson (1755 bis 1824), benannt ist. Dieser veröffentlichte 1817 eine Arbeit unter dem Titel »An Essay on the Shaking Palsy« (»Eine Abhandlung über die Schüttellähmung«), in der er Symptome und Verlauf der Erkrankung sehr genau beschrieb. Parkinson vertrat darin nicht nur die Auffassung, dass Tremor und Bewegungsstörungen dieselbe Ursache haben, sondern sah diese zudem bereits in einer Erkrankung des Gehirns und nicht etwa der Muskeln.
Was James Parkinson ebenfalls bereits erkannte, ist, dass der von ihm beschriebenen Symptomatik eine lange Prodromalphase vorausgeht, in der andere Symptome wie Schlafstörungen auftreten können. Diese könne bis zu 20 Jahre dauern, hieß es im vergangenen November bei einer Pressekonferenz auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Berlin, bei der die neue S2k-Leitlinie »Parkinson-Krankheit« vorgestellt wurde. Neben der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) waren weitere 18 Fachgesellschaften, Berufsverbände und Organisationen am Konsensusprozess beteiligt, der von der DGN koordiniert wurde.
Laut der DGN ist die sporadische Parkinson-Krankheit (PK) eine Lewy-Körperchen-Krankheit, die zu einem Parkinson-Syndrom führt. Die bislang gängige Bezeichnung »idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS)« soll möglichst nicht mehr verwendet werden, da es laut DGN »eine nicht zu vernachlässigende Zahl von Fällen« gibt, die nicht idiopathisch sind. So seien mittlerweile bestimmte Mutationen bekannt, die das Erkrankungsrisiko drastisch erhöhen, und auch verschiedene Umweltfaktoren würden als treibende Faktoren diskutiert.
In Deutschland sind derzeit 250.000 bis 300.000 Menschen an Parkinson erkrankt. Der Erkrankungsgipfel liegt nach dem 60. Lebensjahr; nur selten (in etwa 8 Prozent der Fälle) treten erste Symptome bereits vor dem 40. Lebensjahr auf.
Was die Neurodegeneration in Gang setzt, ist zumeist unbekannt. Ein gestörter Abbau von fehlgefaltetem α-Synuclein in Lysosomen, aber auch eine Dysfunktion der Mitochondrien scheinen beteiligt zu sein. Die Genetik kann eine Rolle spielen, ist aber bei weniger als 10 Prozent der Patienten allein ursächlich. So erhöhen Mutationen im Glucocerebrosidase-Gen das Risiko, während Mutationen im α-Synuclein-Gen, beispielsweise PARK1, direkt krankheitsauslösend sein können. Genetische Befunde haben laut der Leitlinie derzeit noch keinen Einfluss auf die Therapie.
Die Fallzahlen steigen seit Jahren deutlich stärker, als es für die Alterserkrankung Parkinson infolge des demografischen Wandels zu erwarten wäre. Das gilt weniger für reiche Länder als vielmehr für Länder mit mittlerem Pro-Kopf-Einkommen und Bildungsstandard. Eine wahrscheinliche Erklärung hierfür sind laut der DGN bestimmte Schadstoffe und Umwelttoxine, die die Erkrankung zwar nicht direkt auslösen, aber das Risiko erhöhen können. Hierzu zählen unter anderem Lösungsmittel wie Trichlorethylen (TCE), Pestizide wie MPTP und Rotenon, aber auch Glyphosat, Schwermetalle wie Mangan, Blei und Quecksilber, Luftschadstoffe wie Feinstaub und Kohlenmonoxid sowie Weichmacher wie Bisphenol A. Der Zusammenhang zwischen Pestiziden und Parkinson ist laut DGN mittlerweile so gut belegt, dass die Erkrankung in Frankreich bei Personen, die etwa in Weinbaugebieten beruflich gegenüber Pestiziden exponiert waren, als Berufskrankheit anerkannt ist.
Eine Parkinson-Symptomatik mit einer identifizierbaren, nicht genetischen Ursache wird als symptomatisches oder auch sekundäres Parkinson-Syndrom bezeichnet. Mögliche Auslöser sind unter anderem lysosomale Speicherkrankheiten, traumatische Gehirnverletzungen, Schlaganfall, Hirntumor oder Enzephalitis. Auch Arzneistoffe wie Chlorpromazin, Haloperidol und Metoclopramid, die antidopaminerg wirken, können ein sekundäres Parkinson-Syndrom auslösen (medikamenteninduzierter Parkinsonismus).
Lewy-Körperchen sind kleine, runde Proteinablagerungen im Zytoplasma von Nervenzellen. Bei Patienten mit PK bestehen sie aus verklumptem α-Synuclein. Dieses Protein ist normalerweise löslich, kommt vor allem in den Synapsen von Neuronen vor und ist wahrscheinlich an der Ausschüttung von Neurotransmittern beteiligt. Eine Fehlfaltung von α-Synuclein führt dazu, dass das Protein aggregiert. Es entstehen Lewy-Körperchen und die betroffenen Nervenzellen gehen zugrunde. Bei erblichen Formen der PK können die Lewy-Körperchen auch fehlen.
Bei der Parkinson-Krankheit sterben Neuronen ab, die von der Substantia nigra ins Corpus striatum reichen und dort Dopamin freisetzen. Die Substantia nigra ist ein Kernkomplex im Mittelhirn, der reich an Neuromelanin und dadurch dunkel gefärbt ist. Das Neuromelanin ist ein Nebenprodukt bei der Synthese von Dopamin. Die Substantia nigra enthält bei der Geburt etwa 400.000 Zellen, die im Laufe des Lebens nach und nach absterben. Beim gesunden Menschen gehen etwa 2400 dieser Neuronen pro Jahr verloren; bei Patienten mit Parkinson-Krankheit deutlich mehr.