Früh erkennen, Erblindung vermeiden |
Die Nebenwirkungen von Antiglaukomatosa sind je nach Wirkstoffklasse sehr unterschiedlich. Sie reichen von vorübergehenden, leichten Symptomen wie Rötung oder Reizung des Auges, über Erscheinungen kosmetischer Natur, wie verstärktes Wimpernwachstum oder Irispigmentierung durch Prostaglandin-Analoga, bis hin zu schweren okulären Symptomen wie einem trockenen Auge. Je nach Wirkstoffklasse setzen ungefähr 50 Prozent der Patienten ihre Medikamente innerhalb von sechs Monaten absichtlich ab.
Mit steigendem Alter nehmen zudem Probleme mit der Augenoberfläche zu. Bei Glaukompatienten ist die Prävalenz von Erkrankungen der Augenoberfläche (OSD) fünf bis zehnmal höher als bei Menschen ohne diese Erkrankung. Die Veränderungen zeigen sich in einer Instabilität des Tränenfilms mit Symptomen eines trockenen Auges. Subklinisch nehmen Entzündungsmarker und Apoptosevorgänge zu. Die subchronische Entzündung bereitet Probleme bei der Wundheilung nach bestimmten Glaukomoperationen und macht dann den Einsatz von antifibrotischen Medikamenten wie Mitomycin C notwendig.
In Deutschland ist Benzalkoniumchlorid (BAC) immer noch Bestandteil von circa 70 Prozent aller konservierten ophthalmischen Lösungen. Konservierungsmittel können Störungen der Augenoberfläche auslösen oder verstärken.
BAC hat toxisches und allergenes Potenzial. Es kann in der Bindehaut Entzündungsprozesse auslösen und wirkt in der Hornhaut zytotoxisch. Es erhöht die epitheliale Permeabilität und stört die Lipidschicht des Tränenfilms, was zu Oberflächenerkrankungen und trockenen Augen führen kann.
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) empfiehlt deshalb bei Unverträglichkeiten gegenüber konservierten Antiglaukomatosa und bei erforderlicher Langzeittherapie konservierungsmittelfreie Präparate (7). Auch im Hinblick auf möglicherweise nötige fistulierende Eingriffe sind unkonservierte Formulierungen vorzuziehen. Die Industrie bietet eine breite Palette an unkonservierten Antiglaukomatosa in Einzeldosenbehältnissen an. Entsprechende Präparate gibt es etwa mit den Wirkstoffen Dorzolamid, Tafluprost, Bimatoprost und Latanoprost.
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Beim Glaukom als chronisch fortschreitende Erkrankung ist eine gute Adhärenz des Patienten entscheidend für den Therapieerfolg. Die Non-Adhärenz ist besonders hoch bei Krankheiten ohne direkten Leidensdruck, beispielsweise bei arterieller Hypertonie, Diabetes oder eben beim Glaukom. Publizierte Daten belegen für Glaukompatienten eine Non-Adhärenz-Rate von 30 bis 80 Prozent, die sich mit zunehmender Therapiedauer und Anzahl der Medikamente weiter erhöht.
Ein wichtiger Aspekt ist die subjektive Wahrnehmung von Gesichtsfelddefekten im Alltag. Eine Studie hat gezeigt, dass selbst fortgeschrittene Defekte wie schwarze Flecken oder ein schwarzer Tunnel subjektiv nicht wahrgenommen werden, da das Gehirn fehlende Informationen ergänzt (5). Deshalb sehen Glaukompatienten häufig keine Notwendigkeit einer Therapie.
In einer Kohortenstudie der AOK Nordost mit 250.000 Teilnehmern lösten 33,5 Prozent der Glaukompatienten ihre Rezepte nicht regelmäßig ein. Alter, Erkrankungsdauer, Pflegestufe und Multimorbidität wirken sich zusätzlich negativ auf die Adhärenz aus (6). Dasselbe gilt auch für kognitive Faktoren wie Vergesslichkeit oder Demenz oder physikalische Einschränkungen durch Arthritis und Tremor, die die Anwendung der Augentropfen zur Herausforderung werden lassen.