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Kommentar

Ein fatales Signal an die Apotheker

Während Apotheker in der Pandemie immer mehr Gemeinwohlaufgaben übernehmen sollen, dürfen die Konzerne IBM und Zur Rose das System der zukünftigen Arzneimittelversorgung bauen. Dieser Zuschlag der Gematik ist nicht nur aus Wettbewerbsgründen höchst unfair, er weckt auch Sicherheitsbedenken. Außerdem ist er fragwürdig, weil Zur Rose es mit den regulatorischen Spielregeln hierzulande nicht immer so genau nimmt, meint PZ-Chefredakteur Benjamin Rohrer.
Benjamin Rohrer
16.11.2020  18:00 Uhr

Die Herstellung von Desinfektionsmitteln, Hygienekonzepte in Apotheken und nun auch noch die konzertierte Abgabe von Schutzmasken an Risikogruppen – die Politik traut den Apothekern in der Coronavirus-Krise zu Recht eine Menge zu und zählt auf sie. Und die Pharmazeuten liefern: Während der Krise stellten sie die Versorgung nicht nur sicher, sie bauten sie mit Hilfe eigener Investitionen sogar noch aus. Als Dankeschön bekommen sie nun die Nachricht, dass der US-IT-Konzern IBM mithilfe der Deutschlandtochter der Zur Rose-Gruppe (E-Health-Tec) das deutsche E-Rezept-System aufbauen soll.

Natürlich sind die Konzerne bei ihrer Arbeit am E-Rezept-System an strenge Datenschutz-Richtlinien gebunden und dürfen keine Patienten- und Apothekendaten einsehen. Sicherlich war es auch nicht leicht, bei einem so engen Bewerberkreis überhaupt einen Zuschlag zu erteilen. Trotzdem ist die Vergabe eine Fehlentscheidung, die auch Folgen für die Sicherheit der Arzneimittelversorgung haben kann. Denn die Schweizer haben in den vergangenen Jahren sehr viel Geld in die eigene E-Rezept-Plattform und in Übernahmen investiert. Was ist, wenn die prophezeiten Umsatzsteigerungen nicht eintreffen und Zur Rose in eine finanzielle Schieflage gerät? Zumindest im Frühjahr dieses Jahres steckte Zur Rose trotz Umsatzsteigerungen noch in den roten Zahlen. Und was wäre, wenn Zur Rose eines Tages von Amazon übernommen wird? Konzernchef Walter Oberhänsli hat mehrfach damit geliebäugelt… Die Gematik hat zwar streng genommen alleine IBM bezuschlagt. Mit an Bord ist aber ein Konzern, dessen Zukunft völlig offen ist.

Klarer Interessenkonflikt

Welche Aufgaben die Doc Morris-Schwester E-Health-Tec im Auftrag von IBM übernimmt, ist nicht bekannt. Denkbar ist aber, dass der Schweizer Mutterkonzern Zur Rose Einblicke in wichtige Prozesse rund um den Aufbau des E-Rezept-Fachdienstes bekommt. Das wäre ein massiver strategischer Vorteil für Zur Rose gegenüber anderen Anbietern. Doc Morris könnte die Spielregeln des Systems schneller adaptieren und sein Angebot daran anpassen. Hier handelt es sich also um einen klassischen Interessenkonflikt. Zur Rose baut das System, auf dessen Basis die eigenen Umsatzsteigerungen erwirtschaftet werden sollen, einfach selbst.

Aber auch aus rechtlicher Sicht ist die Mitwirkung von Zur Rose am E-Rezept-Fachdienst bedenklich. Denn der Konzern macht keinen Hehl daraus, dass er von den hierzulande gesetzlich etablierten Versorgungsgrundregeln nicht immer viel hält. Erinnert sei an die Arzneimittelpakete, auf denen jahrelang vorrangig eine deutsche Absenderadresse aufgedruckt war. Eine gerichtliche Anordnung dazu ignorierte der Konzern. Auch das Konstrukt Hüffenhardt war illegal, wie inzwischen der Bundesgerichtshof bestätigt hat. Und erst kürzlich hat Konzernchef Oberhänsli öffentlich bekundet, dass er die Trennung zwischen Verordnung und Abgabe in Frage stellt – schließlich hatte Zur Rose mit der Teleclinic kürzlich selbst eine Online-Praxis übernommen. Der rote Faden in der Zur Rose-Strategie ist deutlich: Die Destabilisierung des Apothekenmarktes zugunsten des eigenen Wachstums. Eine solche Strategie ist aus unternehmerischer Sicht sogar nachvollziehbar. Aber sollte ein solches Unternehmen an zukunftsweisenden, staatlichen Aufgaben beteiligt werden?

Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) muss sich in diesen Tagen fragen lassen, ob er seinen eigenen Prämissen noch gerecht wird. 2018 hatte er gesagt, dass er die Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht Konzernen wie Google überlassen wolle. Bis heute steht dieser Satz auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums. Zweieinhalb Jahre später hat er mit Google eine Kooperation geschlossen, die auch von zahlreichen Verlagen mit Blick auf die Pressefreiheit kritisiert wird, und schaut zu, wie eine von ihm kontrollierte Gesellschaft IBM und Zur Rose mit dem Bau des E-Rezept-Systems beauftragt.

Gemeinsame Konzepte im Markt dringend benötigt

Klar ist aber auch, dass der Gematik-Zuschlag dem hiesigen Apothekenmarkt zu denken geben sollte. Es ist traurig, dass es im Rennen um den Aufbau des E-Rezept-Fachdienstes neben IBM dem Vernehmen nach nur zwei weitere Anbieter gab. Warum gab es kein großes Konsortium aus Institutionen, die gemeinsam ein leistungsfähiges Angebot vorlegen, das die Vor-Ort-Apotheken nicht benachteiligt? Das zeigt erneut, dass es alle Marktbeteiligten noch immer nicht geschafft haben, Partikularinteressen und Insellösungen zu verdrängen, um eine konzertierte Aktion für einen stabilen, digitalisierten Apothekenmarkt ins Leben zu rufen.

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