»Durcheinander bei den klinischen Studien« |
Ein weiteres No-go ist für ihn die gepoolte Wirksamkeitsanalyse der Daten aus unterschiedlichen Studien. Laut MHRA ist dieses Vorgehen durch das ähnliche Design der vier COV-Studien gerechtfertigt. Es erfolgte eine Zwischenanalyse am Stichtag 4. November 2020. Die primäre Analyse basierte auf Daten, die 15 und mehr Tage nach der zweiten Dosis von Teilnehmern aus der gepoolten LDSD- oder SDSD-Gruppe erhoben wurden.
Wurde die Vakzine-Effizienz in den Untergruppen separat betrachtet, zeigte sich eine Effizienz (Verhinderung einer virologisch bestätigten Covid-19-Erkrankung) in der SDSD-Gruppe von 62,10 Prozent und in der LDSD-Gruppe von 90,05 Prozent – jeweils mit sehr breitem 95-Prozent-Konfidenzintervall. »Und jetzt wurde einfach gemittelt aus 62 und 90 Prozent; das bereitet mir Sorgenfalten.«
Die britische Behörde sehe keine überzeugende Evidenz für einen tatsächlichen Unterschied in der Vakzine-Effizienz zwischen SD- und LD-Schema und der scheinbare Unterschied werde eher als Ergebnis von Störfaktoren angesehen, insbesondere der variablen Dosierungsintervalle (im Allgemeinen länger bei der LD). Als weitere »Störfaktoren« nennt die MHRA Unterschiede in der untersuchten Population (jüngere Population bei der LD), im Land (nur Großbritannien bei der LD) und im Stadium der Pandemie.
Das Alter in der primären Analysepopulation reichte von 18 bis 88 Jahren, mit einem Median von 40 Jahren – also vergleichsweise jung. 88 Prozent der Population waren zwischen 18 und 55 Jahre alt, 8 Prozent zwischen 55 und 69 Jahren und nur 4 Prozent 70 Jahre oder älter.
Wer soll die Astra-Zeneca-Vakzine künftig bekommen – vielleicht eher die Jüngeren? / Foto: Adobe Stock/BaLL LunLa
Die MHRA konstatiert korrekt, dass nur begrenzte Informationen zur Wirksamkeit bei Teilnehmern ab 65 Jahren vorlägen, meint aber, dass nichts auf einen mangelnden Schutz hindeute. In dieser Subpopulation gab es nur zwei Covid-19-Fälle in der primären Analyse. Bei Betrachtung aller Fälle ab Dosis 1 gab es zwei Fälle unter AZD1222 im Vergleich zu acht unter der Kontrolle – wiederum bei einem breiten Konfidenzintervall.
Letztlich resümiert die britische Behörde, dass sie nach intensiver Prüfung zum Schluss komme, dass der Astra-Zeneca-Impfstoff nachweislich zur Vorbeugung von Covid-19 wirksam sei und die beobachteten Nebenwirkungen ähnlich wie bei anderen Impfstoffen seien. Anders resümierte Dingermann im Webcast: »Die klinischen Studien zur Zulassung wurden schlampig gemacht.« Unter Nicht-Pandemie-Bedingungen hätte der Impfstoff ein Problem bei der Zulassung.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.