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Stoffliche Eigenschaften

Das macht SARS-CoV-2 aus

Stabilität

SARS-Coronaviren sind bekanntermaßen ausgesprochen stabil. Sie sind auch nach Stunden in Aerosolen und auf Oberflächen noch aktiv (»Journal of Hospital Infection«, DOI: 10.1016/j.jhin.2004.12.023). Die Abstandsregel funktioniert nur, wenn unter üblichen Verhältnissen ausgeatmete Tröpfchen schnell genug zum Boden absinken. Wenn das nicht gewährleistet ist oder sich besonders feine Aerosole gebildet haben, können noch nach drei Stunden aktive Viren im Luftraum nachgewiesen werden. An Oberflächen können aktive SARS-Coronaviren noch bis zu 24 Stunden (Pappe) oder 72 Stunden (Plastik und Eisen) nachgewiesen werden (»NEJM«, DOI: 10.1056/NEJMc2004973). Es ist allerdings unklar, ob die detektierten Mengen für eine Infektion ausreichen würden.

Weder Hitze noch UV- oder γ-Strahlung können SARS-CoV viel anhaben. Die Inaktivierung ist auch nach 45 Minuten bei 75 °C noch nicht sicher abgeschlossen, und intensive UV-C-Bestrahlung inaktiviert das Virus erst nach einer Viertelstunde (»Journal of Virological Methods«, DOI: 10.1016/j.jviromet.2004.06.006). Es kann zusätzlich eine ungewöhnliche pH-Stabilität im pH-Bereich von 3 bis 10 beobachtet werden (»Electrophoresis«, DOI: 10.1002/elps.202000121).

Eine Achillesferse hat SARS-CoV-2 jedoch: seine flexible lipophile Hülle. Diese kann mit organischen Lösemitteln und Tensiden effektiv angegriffen werden. Deshalb sind diverse alkoholhaltige Desinfektionsmittel, zum Beispiel mit Ethanol sowie mit 1- und 2-Propanol, sehr effektiv. Auch Formaldehyd und Glutaraldehyd können das Virus innerhalb von zwei Minuten inaktivieren. Auch Tenside schädigen die Lipidhülle effektiv, worauf der bekannte Rat zum regelmäßigen Händewaschen beruht. Auch durch Waschen mit Waschmittel bei 60 °C werden SARS-Coronaviren auf Kleidung inklusive Stoffmasken zuverlässig inaktiviert.

Totimpfstoffe

Das Wissen über die stofflichen Eigenschaften von SARS-CoV-2 wird auch bei der Entwicklung von Totimpfstoffen benötigt. Zur Herstellung von Totimpfstoffen sollen die Viren nicht mehr infektiös sein, aber ihre Oberflächenantigene sollen mindestens teilweise erhalten bleiben. Möglicherweise ist hier β-Propiolacton als Alkylans und Crosslinker eine gute Wahl. In einer aktuellen Arbeit, die auf dem Preprint-Server »BioRxiv« publiziert ist, wurde dieses Inaktivierungsreagenz für 24 Stunden eingesetzt, danach wurde das Zwischenprodukt mittels Ionenaustausch- und Größenausschluss-Chromatographie gereinigt und mit einem Aluminiumsalz als Adjuvans versetzt (DOI: 10.1101/2020.04.17.046375).

Der so erhaltene Impfstoff war im Tierversuch wirksam und gut verträglich, vor allem wurden keine infektionsverstärkenden Antikörper gebildet, die bei einer Zweitinfektion zu einem schwereren Krankheitsverlauf führen würden. Weitere bisher diskutierte Adjuvanzien sind das Inulin-basierte Polysaccharid Advax-1 TM, MF59, eine Wasser-in-Öl-Emulsion aus Tween 80, Sorbitol-trioleat und Squalen, sowie die Adjuvans-System-Serie (AS01 bis AS04) von Glaxo-Smith-Kline. AS03 wurde bereits bei Pandemrix®, dem Pandemie-Impfstoff gegen das Schweinegrippe-Virus H1N1, eingesetzt.

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