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Inhalativa

Bei der Auswahl auch ans Klima denken

Seit Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) wegen des Ozonlochs weitgehend verboten wurden, enthalten auch Dosieraerosole andere Treibmittel. Diese sind aber sehr klimaschädlich. Eine neue Leitlinie rät daher, sie möglichst zurückhaltend einzusetzen.
Annette Rößler
23.06.2022  18:00 Uhr

Den eigenen CO2-Fußabdruck gering zu halten, ist heutzutage sehr vielen Menschen ein Anliegen. Aus diesem Grund fahren sie Fahrrad statt Auto, verzichten auf Flugreisen oder ernähren sich vegetarisch. Bei der Versorgung mit Arzneimitteln spielt Nachhaltigkeit bislang nur eine untergeordnete Rolle, doch sie gewinnt mittlerweile auch hier an Bedeutung. Nicht nur die Pharmaziestudierenden, auch Krankenhaus- und Offizinapotheker räumen dem Thema hohe Priorität ein.

Eine Möglichkeit der Einflussnahme bietet sich für Apotheker etwa bei der Beratung zu Inhalativa. Denn ein hoher Anteil dieser Arzneimittel sind Dosieraerosole (DA) und enthalten Treibmittel, die stark klimaschädigend wirken. Wo es geht, sollten daher stattdessen lieber treibgasfreie Pulverinhalatoren (Dry Powder Inhaler, DPI) eingesetzt werden, betont die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) in ihrer neuen S1-Handlungsempfehlung »Klimabewusste Verordnung von inhalativen Arzneimitteln«.

Wie die DEGAM ausführt, haben Hydrofluoroalkane (Flurane) die früher gebräuchlichen FCKW als Treibgase in Dosieraerosolen abgelöst. In den meisten DA sei Norfluran enthalten, daneben werde auch Apafluran eingesetzt. Der Beitrag dieser Verbindungen zur Klimaerwärmung lässt sich anhand ihres sogenannten Treibhauspotenzials (Global Warming Potential, GWP) abschätzen. CO2 ist dabei der Bezugspunkt und hat definitionsgemäß ein GWP von 1. Die gleiche Masse an Norfluran hat ein GWP von 1430 und Apafluran sogar von 3220.

Nennenswerter Anteil am CO2-Fußabdruck

Schon die sehr geringen Mengen, die von den Fluranen bei der Anwendung von DA freigesetzt werden, haben somit starke Auswirkungen auf die Atmosphäre (siehe Kasten). Das führt dazu, dass beispielsweise in Großbritannien DA für 3,5 Prozent der Treibhausgasemissionen des gesamten britischen Gesundheitssystems verantwortlich sind – ein enorm hoher Anteil. Erst kürzlich hatten dies Forscher im Fachjournal »Thorax« berichtet (DOI: 10.1136/thoraxjnl-2021-218088) und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Umstellung von einem DA auf einen DPI für die meisten Patienten problemlos möglich wäre.

Die DEGAM verweist darauf, dass in Deutschland DA knapp die Hälfte der verordneten Inhalativa ausmachen (48 Prozent). Damit ist ihr Anteil zwar nicht so hoch wie in den USA (88 Prozent), aber auch nicht so gering wie in Japan (34 Prozent). Es gäbe also durchaus Einsparpotenzial.

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