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Zukunftsstrategien

Schubladenzieher wird zum Visionär

13.12.2011  13:37 Uhr

Von Peter Sandmann / Apotheker finden sich heute in einem Haifischbecken wieder, in dem Krankenkassen, Versandhändler und Sanitätshäuser ihnen das Leben schwer machen. Um auch in Zukunft glückliche Kunden in der Offizin zu haben, gilt es, neue Konzepte zu entwickeln.

Die Apothekenwelt hat sich verändert. Der ehemals vorwiegend heilberuflich orientierte, gut verdienende und kollegiale Apothekeninhaber findet sich plötzlich in einem Haifischbecken wieder, in dem andere Marktteilnehmer ihm das Leben schwer machen. Krankenkassen, Versandhändler, Sanitätshäuser – um nur einige zu nennen – versuchen, sich heute Teile des Apothekenumsatzes zu sichern. In diesem Umfeld gilt es neue Konzepte zu entwickeln oder bestehende Konzepte zu adaptieren, die letztendlich nur ein Ziel haben: den glücklichen Kunden.

Doch wie macht man seine Kunden glücklich? Viele Einflussfaktoren spielen eine Rolle: Standort, Sortiment, Beratung, Qualität, Dienstleistungen; vor allem aber der Inhaber als Marke seines Unternehmens und sein Team. Egal welches Konzept man für seine Apotheke als optimal ausgewählt hat, alles steht und fällt mit der Eigenmotivation des Inhabers und seiner Fähigkeit, die eigene Begeisterung auf sein Mitarbeiterteam zu übertragen.

 

Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Dr. Gerhard Riegl spricht in diesem Zusammenhang von »Excellence in Menschlichkeit«, die eine Apotheke von der Bezugsstelle für Arzneimittel zu einer Anlaufstelle in allen gesundheitlichen Belangen werden lässt, zu einer wirklichen Stammapotheke.

 

Raus aus der Rolle des Getriebenen

 

Wer allerdings motiviert den Chef? Zuerst muss dieser erkennen, dass vieles nicht für die Ewigkeit gedacht ist. Festgefahrene Strukturen, selbstgeschaffene Abhängigkeiten und zahlreiche äußere Anforderungen hinterlassen bei nicht wenigen Apothekenleitern das Gefühl, sich in einer Art Tretmühle zu befinden. Manche Apotheker sind nicht mehr in der Lage abzuschalten, eine Entwicklung, die nicht selten in schlaflosen Nächten oder schlimmstenfalls im Burn-out endet.

 

Dies alles führt dazu, dass nicht aktiv und positiv auf Probleme und Veränderungen zugegangen, sondern nur noch darauf reagiert wird. Häufig zu spät angegangen, führt dies zu weiterem Motivationsverlust und dem Gefühl des Getriebenseins.

 

Selbstmanagement wird immer wichtiger

 

Die Apothekenlandschaft wird sich aber ungeachtet dessen weiter verändern, die Anforderungen weiter steigen und die Erträge weiter sinken. Selbstmanagement und persönliche Ressourcenverteilung werden zunehmend wichtiger und prägen die Marke der eigenen Apotheke in stärkerem Maße als je zuvor.

Die Serie

Mit der Serie »Erfolgreich handeln« beleuchtet die Pharmazeutische Zeitung einmal im Monat Themen aus den Bereichen Personalführung und Marketing. Ziel ist es, den Apothekern aktuelle Informationen, originelle Ideen und hilfreiche Tipps zu liefern, die den Arbeitsalltag erleichtern und die heilberuflich orientierte Apotheke in wirtschaftlich schwierigen Zeiten voranbringen. Bisher erschienen die Beiträge Inhabergeführte Unternehmen: Mit Nähe punkten, PZ 38/2011, und Angebote: Die hohe Kunst der Apothekenpreise, PZ 43/2011.

Welche Möglichkeiten bleiben aber in Zeiten hohen wirtschaftlichen Drucks? Kurz gesagt: viele, sehr viele sogar. Daher wird es zunehmend wichtig, sich in einem ersten Schritt über seine eigenen Vorstellungen und Wünsche, aber auch über die eigene Belastbarkeit ein Bild zu machen. Die ernsthafte Auseinandersetzung mit Themen wie Arbeitsbelastung, Fähigkeit zu delegieren und anderen sozioökonomischen Themen stellt in jedem Fall die Grundlage für eine Neu- oder Umorientierung dar.

 

Der wesentliche zweite Schritt: Was muss man ändern? Problemerkennung oder Zielsetzung geben die Möglichkeit, vorhandene Optionen in zwei Gruppen einzuteilen: Auf der einen Seite stehen Maßnahmen zur Effizienzsteigerung wie Umstrukturierung, Personalveränderung, Neuverhandlung des Einkaufs und andere Rationalisierungsmaßnahmen. Viele sind sehr sinnvoll und haben schnell Auswirkungen auf das Betriebsergebnis. Aber oft sind sie auch nur begrenzt möglich, denn ohne Personal gibt es keinen Service am Kunden, Verhandlungen mit dem Großhandel werden ab 2012 nur eingeschränkt möglich sein.

 

Vorsicht vor Betriebsblindheit

 

Zudem wird dieser Schritt häufig durch »Betriebsblindheit« behindert, es empfiehlt sich daher unter Umständen, hierfür eine professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen.

 

Auf der anderen Seite finden sich strategische Ansätze: Ist mein Standort zukunftssicher? Welche Neuausrichtung macht Sinn? Je nach Beantwortung dieser Fragen bietet sich eine Reihe von Möglichkeiten. Seit 2004 besteht die Möglichkeit der Filialisierung; bereits etwa 4000 Apotheken in Deutschland werden als Filialen geführt, viele inzwischen mit betriebswirtschaftlichem Erfolg.

 

Für den Fall dass der eigene Standort nicht ausbaufähig ist, kann die Hinzunahme weiterer Standorte unter Umständen sinnvoll sein. Es ergeben sich in vielen Bereichen Synergieeffekte, die sich nicht nur in einer Verbesserung der Einkaufskonditionen, sondern besonders auch in der Erhöhung der Freiheitsgrade des Inhabers niederschlagen.

Spezialisierung auf bestimmte Sortimentsbereiche ist eine weitere Op­tion. In jüngster Zeit erhalten Prävention, Ernährungsberatung oder alternative Heilmethoden wie orthomolekulare Medizin, traditionelle chinesische Medizin (TCM) oder Homöopathie nicht nur einen erheblich höheren Stellenwert, sondern bringen auch neue Umsätze. Ansätze zur Intensivierung der Patientenbetreuung können – gut eingesetzt und kommuniziert – ebenfalls ihren Deckungsbeitrag leisten. Hierunter sind auch die beim Apothekertag vorgestellten Modelle zum Medikationsmanagement (ABDA-KBV-Modell)zu verstehen.

 

Einen Versandhandel zu gründen oder sich als Discounter zu versuchen, sind alternative Wege, die hier der Vollständigkeit halber genannt werden sollen. Beide »Apothekenversionen« erfordern aber profunde Kenntnis der Marktsituation und gehorchen zudem anderen Gesetzen als der übrige Apothekenmarkt. Egal welchem Weg der Inhaber folgt, er sollte zu ihm und seiner Vorstellung von Apotheke passen. Für alle Konzepte lassen sich gute, aber auch schlechte Beispiele finden, sowohl in der Durchführung als auch im Ergebnis. Der Apothekeninhaber muss lernen, sich als Visionär seines Unternehmens zu verstehen.

 

Soziale und Fachkompetenz entscheiden über den Erfolg

 

Erfolg wird in der Zukunft zunehmend von der Fähigkeit abhängen, seine Apotheke frühzeitig auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten.

 

Letztendlich darf man den wesentlichsten Erfolgsfaktor nie aus den Augen verlieren: den Kunden und Patienten. Nur wer diesem mit Fach-, aber auch mit sozialer Kompetenz begegnet, bindet ihn dauerhaft. Ein Lächeln bei der Begrüßung sollte selbstverständlich sein. /

Der Autor

Dr. Peter Sandmannstudierte Pharmazie in Regensburg und München. Nach seiner Promotion im Fach pharmazeutische Technologie übernahm er 2000 die elterliche Apotheke in München. Neben seiner Arbeit als Apothekenleiter ist Sandmann ehrenamtlich für den Bayerischen Apothekerverband (BAV) und die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) tätig.

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