Pharmazeutische Zeitung online
Inhabergeführte Unternehmen

Mit Nähe punkten

20.09.2011  13:53 Uhr

Von Christian Riethmüller / Immer mehr stehen inhabergeführte Handelsunternehmen in Deutschlands Innenstädten den omnipräsenten Mitbewerbern aus dem Internet und den großen Filialketten aus dem In- und Ausland gegenüber. Das ist in allen Branchen so, bei Textilien, Büchern oder Apotheken. Neben dem wichtigen Faktor Personal ist der Einsatz von lokalem Marketing ein Alleinstellungsmerkmal und bietet Wettbewerbsvorteile gegenüber diesen Mitbewerbern.

Backnang, an einem Samstag im Juli. Vor der Tür der Buchhandlung Osiander tummeln sich um kurz vor zehn Uhr über 70 Kinder und ihre Eltern, vorwiegend Väter. Jedes zweite Kind ist im Trikot des VFB Stuttgart da, die anderen tragen sonstige Fußball-Trikots. Die Stimmung ist erwartungsfroh, weil um zehn Uhr das VFB-Maskottchen Fritzle zu Osiander kommt. Zum Signieren, Fotos machen, Tanzen, einfach zur puren Unterhaltung.

Die Stunde mit Fritzle wird zum Riesenerfolg, Kinder und Eltern ziehen begeistert weiter, und selbst die zum Teil wenig fußballbegeisterten Mitarbeiter hatten ihren Spaß. Kosten: 300 Euro fürs Fritzle, 250 Euro für die Anzeige in der Zeitung. Nutzen: über 100 begeisterte Menschen, Artikel und Foto in der regionalen Zeitung, Stadtgespräch des Wochenendes. Und Fotos mit Fritzle samt Osiander-Logo.

 

Solche Aktionen können Internetwettbewerber und wollen Filialketten nicht bieten. Ob als inhabergeführte Apotheke oder als Filialbetrieb einer familiengeführten Buchhandlung mit regional verwurzeltem Filialleiter, der alle Freiheiten für lokale Marketing-Aktivitäten hat – oft kann mit wenig Aufwand viel Publicity erreicht werden, und es kommen neue Kunden, die bisher noch nicht da waren.

Die Serie

Mit der neuen Serie »Erfolgreich Handeln« beleuchtet die Pharmazeutische Zeitung einmal im Monat Themen aus den Bereichen Personalführung und Marketing. Ziel ist es, den Apothekern aktuelle Informationen, originelle Ideen und hilfreiche Tipps zu liefern, die den Arbeitsalltag erleichtern und die heilberuflich orientierte Apotheke in wirtschaftlich schwierigen Zeiten voranbringen.

Mit regionalen Partnern zusammenarbeiten

 

Wichtig ist dabei, mit regionalen Unternehmen, Anbietern, sozialen oder kulturellen Einrichtungen zusammenzuarbeiten. Dann sind beide Partner gleichermaßen am Erfolg interessiert, beide profitieren und Kosten können oft gemeinsam getragen werden. Dabei ist es zunächst völlig unerheblich, ob der eigene Betrieb zum Beispiel an gemeinsamen Aktionen des örtlichen Handels- und Gewerbevereins teilnimmt oder ob er eigene Veranstaltungen auf die Beine stellt, gemeinsam mit anderen im eigenen Haus oder außerhalb.

 

Durch regelmäßige Präsenz wird den Menschen in der Stadt bewusst, welches Geschäft aktiver und integraler Bestandteil ihrer Stadt ist – und welcher Mitbewerber eben nicht.

Nach Möglichkeit werden immer wieder alle Zielgruppen angesprochen – wobei Kinder nicht vergessen werden sollten, da sie einen großen Einfluss darauf haben, wo die Familie vor allem am Wochenende gemeinsam einkauft. Zu den Sommerferien und Schulzeugnissen bekommt in Städten mit Osiander-Buchhandlungen jeder Schüler mit der Note 1 in Deutsch oder einer Verbesserung um mindestens eine Note im Vergleich zum Vorjahr einen Drei-Euro-Buchgutschein und zwei Tafeln Bio-Ritter-Sport-Schokolade – eine sehr beliebte Kooperation mit einem regionalen Schokoladenhersteller.

 

Erwachsene werden durch regelmäßige Lesungen und andere Veranstaltungen in die Buchhandlungen gezogen, das ältere Publikum beispielsweise durch sonntägliche Matineen zu einem bestimmten Thema. Sportler und Fahrradfahrer spricht Osiander mit dem deutschlandweiten Städte- und Firmen-Wettbewerb »Stadtradeln« mit eigenem Team aus Kunden und Mitarbeitern an – das schafft Kundenbindung. Umweltbewusste Menschen werden dadurch an Osiander gebunden, dass alle Internetbestellungen in Tübingen, Reutlingen und Heilbronn Kohlendioxid-neutral mit Bus, Rad oder zu Fuß ausgeliefert werden – in Kooperation mit einer regionalen Schülerfirma.

 

Da Apotheken oder Buchhandlungen in vielen Fällen an Standorten mit hoher Passanten- und Kundenfrequenz liegen, bietet es sich an, die Schaufenster gelegentlich Dritten zur Verfügung zu stellen, als »kostenlose Werbewand«. Schulen oder Kindergärten nutzen die Plattform für einen Malwettbewerb, soziale Organisationen wie »Studieren ohne Grenzen« oder Umweltschutzorganisationen machen im Schaufenster auf sich, ihr Programm und ihre Aktionen aufmerksam. Andere soziale Einrichtungen werben dort für Spendenaktionen.

 

Positive Wahrnehmung

 

Schulklassen, die eine Schülerfirma leiten, bekommen die Chance, ihre Firmenidee zu präsentieren und bekannter zu machen. Die Vorteile sind vielfältig. Zum einen wird man von diesen Organisationen positiv wahrgenommen. Zum zweiten kommen diejenigen, die sich um das Schaufenster kümmern, in den Laden. Und zum dritten nimmt die Bevölkerung es positiv wahr, wenn man sich für andere engagiert – im Gegensatz zu den oft gesichtslosen Groß-Filialisten.

 

Immer beliebter wird es, Schulklassen das Geschäft oder den Platz davor an einem stark frequentierten Samstag zur Verfügung zu stellen, um die Kunden zu bewirten – mit Getränken, selbst gebackenen Plätzchen in der Adventszeit, Waffeln oder selbst gebackenem Kuchen. Auch hier werden wieder zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Schulklassen bessern ihre Klassenkasse auf, und das mit eigenem Engagement, und die Kunden bekommen gegen wenig Geld etwas zu essen und zu trinken. Dem Ladeninhaber ist es überlassen, für einzelne Kunden Gutscheine auszustellen und die Kosten selbst zu tragen. Eine solche Aktion kostet so gut wie kein Geld.

 

Sehr hilfreich, um neue Gesichter ins Haus zu bekommen, ist ein Schreibwettbewerb für Kinder, zum Beispiel zu den Apotheken-nahen Themen Gesundheit oder Sport – da ist ein wenig Kreativität gefragt. Suchen Sie sich eine Zeitung als Kooperationspartner, schreiben Sie alle Schulen oder Kindergärten an, suchen Sie attraktive Preise aus (zum Beispiel gesponsert von einem anderen Geschäft in der Stadt, das als Kooperationspartner auftritt), hängen Sie die besten Beiträge im Laden oder Schaufenster aus. Wenn das Thema und die Preise attraktiv sind und über Plakate, Handzettel oder Briefe innerhalb der Stadt ein breit gefächertes Marketing erfolgt, können Sie eine hohe Aufmerksamkeit erlangen.

 

Die oben genannten Beispiele sind exemplarisch für unendlich viele Möglichkeiten und bedeuten alle kein Hexenwerk. Sie sind größtenteils mit wenig Aufwand und Kosten verbunden, sollen die hohe Frequenz vor dem Ladengeschäft nutzen und neue Kunden ins Geschäft ziehen. Sie sorgen für ein positives Image in der Stadt als integraler, aktiver, sozial eingestellter Laden, der nicht nur auf eine hohe Rendite aus ist, sondern sich am Stadtleben, an Kultur und Sozialem beteiligt. Deswegen kaufen nicht sofort mehr Menschen bei einem ein. Die Wirkung, die erzielt werden soll, ist langfristiger Art. Im Unterbewusstsein der Menschen müssen nach und nach kleine Samen gesät werden, die im Laufe der Zeit langsam wachsen.

 

Nachhaltigkeit zählt

 

Dann kann in einer Gesellschaft, die in den vergangenen Jahren wieder ein bisschen zu traditionellen Werten zurückgefunden hat und sich für das Thema Nachhaltigkeit immer mehr zu interessieren scheint, tatsächlich der eine oder andere Kunde dazu gebracht werden, bei einem einzukaufen. Weil die Menschen sagen: »Schau her, der engagiert sich ja weit über sein eigentliches Geschäft hinaus.« / 

Der Autor

Christian Riethmüller ist geschäftsführender Gesellschafter der familiengeführten Buchhandlung Osiander mit Stammsitz in Tübingen. Er studierte an der Fachhochschule Trier European Business und arbeitete danach bei Aldi Süd, wo er in Birmingham als Bereichsleiter eingesetzt wurde. Seit 2002 arbeitet er bei Osiander, seit 2004 in der Geschäftsführung. Osiander ist mit 22 Betrieben die zweit­größte familiengeführte Buchhandlung Deutschlands.

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