Apotheker wollen Belastungen des Großhandels nicht mittragen |
14.12.2010 17:23 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Geht es nach den Großhändlern, sollen allein die Apotheker die Kürzung der Großhandelsspanne stemmen. Der Phagro hat angebliche Ertragseinbrüche seiner Mitglieder verkündet. Sie könnten die Belastungen aus dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) daher unmöglich tragen, heißt es. Der DAV ist empört und warnt vor einem Großhandelskartell.
Der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) spricht von einem deutlichen Gewinnrückgang im 1. Halbjahr 2010 und beruft sich auf Zahlen des Instituts für Handelsforschung in Köln. Demnach erzielte die Branche bis Ende Juni einen Ertrag von 59 Millionen Euro. Für das Gesamtjahr erwartet der Phagro einen Gewinn vor Steuern von »kaum über 100 Millionen Euro«, heißt es in einer Pressemitteilung. 2009 hatten die Großhändler noch 172 Millionen Euro erwirtschaftet. Als Grund für den Ertragseinbruch nennt der Verband die Sparmaßnahmen im Arzneimittelmarkt. »Der Zwangsrabatt für Hersteller, das Preismoratorium, die Rabattverträge und die neuen Festbetragsregelungen hinterlassen tiefe Spuren und beeinflussen das Branchenergebnis zusätzlich negativ.«
Die Großhändler wollen die Belastungen aus dem AMNOG auf die Apotheken abwälzen.
Foto: Fotolia/emmi
Zudem gebe es seit Jahren einen Verfall der Großhandelsspanne, behauptet der Phagro. Seit 2004 sei der Wert um nahezu einen vollen Prozentpunkt gefallen. Diese vermeintlich negative Entwicklung hat allerdings auch positive Aspekte. Der Phagro verschweigt hier allerdings die positive Komponente des Margenverfalls. Dieser ist auch ein Resultat der 15. AMG-Novelle. Sie hat dem Großhandel einen Belieferungsanspruch beschert. Es wurden wieder mehr teure Medikamente über ihn ausgeliefert. Diese Arzneimittel haben zwar eine – gemessen am Arzneimittelpreis – relativ geringe Marge, absolut ist sie aber überdurchschnittlich hoch. Ansonsten hätte sich der Großhandel auch kaum für einen Belieferungsanspruch eingesetzt.
Aus Sicht des Phagro ändert dies an der Lage des Großhandels wenig: Die Kürzung der Großhandelsvergütung um 200 Millionen Euro, wie sie im AMNOG vorgesehen ist, könnten die Unternehmen angesichts der Ertragsrückgänge unmöglich stemmen. »Schon bei den auf 2009 basierenden Ertragszahlen hätte dieses Volumen den gesamten Gewinn der Branchen überstiegen.« Die Konsequenz ist klar: Die Belastungen werden an die Apotheker weitergereicht.
Der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), Fritz Becker, zeigte sich vom Vorgehen des Phagro empört. Er bezweifelte die Angaben des Großhandelsverbands. »Das Phagro-Zahlenwerk soll die milliardenschweren Handelsunternehmen arm rechnen und ihnen ermöglichen, die Last auf die Apotheker abzuwälzen.« Es sei nicht das erste Mal, dass der Phagro mit fragwürdigen Zahlen arbeite. So habe der Verband bei den Beratungen zum AMNOG Zahlen für 2009 vorgelegt, obwohl einige Unternehmen der Branche für diesen Zeitraum noch nicht einmal ihre Bilanz fertiggestellt hätten.
Becker appellierte an Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), den Apothekern zur Seite zu stehen. Sie würden über die Anhebung des Apothekenabschlags bereits einen Sparbeitrag von 200 Millionen Euro jährlich leisten. »Wir erwarten von Gesundheitsminister Rösler nun, dass er Wort hält und einem möglichen Kartell von Großhändlern rechtzeitig die Stirn bietet. Der Großhandel soll seine Last selbst tragen.« Nur wenige Großhändler dominieren den deutschen Pharmagroßhandel. Zuletzt entstand mit der Mehrheitsübernahme der Andreae-Noris-Zahn AG (ANZAG) durch den britischen Konkurrenten Alliance Boots ein neuer Player am Markt.
Ein Fall für die Kartellbehörden
Die Kürzung der Großhandelsspanne hat in den vergangenen Monaten immer wieder für Diskussionen gesorgt. Ursprünglich sollten Apotheker und Großhändler zusammen 400 Millionen Euro über eine Spannenkürzung beim Großhandel aufbringen. Schließlich einigte sich die schwarz-gelbe Koalition darauf, über eine Anhebung des Apothekenabschlags 200 Millionen Euro bei den Apothekern abzuschöpfen. Denselben Sparbeitrag sollen die Großhändler leisten. Doch die sind dazu offenbar nicht bereit.
Becker sieht in den jüngsten Aktivitäten des pharmazeutischen Großhandels einen Fall für die Kartellbehörden. »Die aktuellen Entwicklungen richten sich konzertiert gegen den Qualitäts- und Preiswettbewerb, damit gegen die Apotheken und auch gegen die Arzneimittelversorgung der Menschen.« Es sei Zeit, dass sich die Politik endlich einschalte. /