Lukrativ für die Hersteller, teuer für die Kassen |
07.12.2010 17:09 Uhr |
Von Daniela Biermann / HPV- und Influenza-Vakzine sind die größten Posten auf der Rechnung der Gesetzlichen Krankenversicherung für Impfstoffe. Daher sollen die Kosten für teure Vakzine wie die HPV-Impfung gesetzlich gedeckelt werden. Davon lassen sich die Hersteller nicht beirren: Die drei großen Impfstoff-Produzenten versuchen, neue Indikationen zu erschließen – und haben potenzielle Blockbuster-Vakzinen in ihren Pipelines.
Im Januar geht es los: Nach dem Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarkts (AMNOG) sollen alle neuen Arzneimittel innerhalb weniger Monate ihren Mehrwert gegenüber bisherigen Therapien unter Beweis stellen. Impfstoffe betrifft das jedoch nicht. Denn ihr Nutzen lässt sich in der Regel erst langfristig belegen. Trotzdem will die Regierung auch die Impfstoffpreise strenger reglementieren: Sie sollen sich demnächst an den Preisen von fünf EU-Staaten orientieren, und zwar an denen, deren nationale Bruttoeinkommen dem deutschen am ähnlichsten sind.
Die Entwicklung von Impfstoffen ist aufwendig. Dass Vakzinen kaum austauschbar sind, macht sie trotzdem zu einem lohnenden Geschäft für die wenigen Hersteller.
Foto: Sanofi-Pasteur
Wie der Preisvergleich genau aussehen soll, ist noch nicht klar. Denn es gelten zum Beispiel unterschiedliche Mehrwertsteuersätze. Während Deutschland 19 Prozent nimmt, sind es in Frankreich 2,1 Prozent; Großbritannien und Spanien erheben gar keine Mehrwertsteuer. Zudem ist schwer, die Apothekenverkaufspreise zu vergleichen, da der Großteil der Impfstoffe über Praxisbedarf abgerechnet wird und die Großhandelsspanne gering ist. In der Realität sind die Kosten also bereits niedriger, als es der Apothekenverkaufspreis suggeriert.
Empfehlungen steigern Impfkosten
Wie sich die Entwicklung bei den Impfstoffkosten entwickeln wird, ist schwer vorherzusagen. Im Jahr 2007 wurden die Krankenkassen verpflichtet, alle von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Immunisierungen zu übernehmen. Da im selben Jahr die teure HPV-Impfung darunterfiel, stiegen die Kosten zunächst stark an. So lag der Impfstoffumsatz im Jahr 2006 bei 799 Millionen Euro nach Zahlen der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. 2007 stieg er auf 1257 Millionen Euro, 2008 gipfelte er bei 1349 Millionen Euro und reduzierte sich 2009 auf 1176 Millionen Euro – allerdings ohne die über die Bundesländer abgerechneten Kosten für den Schweinegrippe-Impfstoff. Die mit Abstand höchsten Kosten entfielen im vorigen Jahr auf Influenza-Impfstoffe – sie lagen bei 335 Millionen Euro. Es folgten FSME-Impfstoffe mit 171 Millionen Euro, Pneumokokken-Vakzinen mit 149 Millionen Euro und die beiden verfügbaren HPV-Vakzinen mit 90 Millionen Euro.
Kaum Rabatte auf Impfstoffe
Das Entwickeln und Produzieren von Impfstoffen ist sehr aufwendig, daher gibt es für viele Präparate nur wenige Anbieter. Verschiedene Herstellungsverfahren und Antigene machen die Präparate schwer vergleichbar. Dies behindert laut einem Gutachten des IGES-Instituts im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums den Abschluss von Rabatt- oder Selektivverträgen. Doch gerade die Alleinstellung der Produkte macht die Entwicklung von Impfstoffen attraktiv. Deshalb sind die Pipelines der drei größten Impfstoffhersteller derzeit gut gefüllt. Gemeint sind Sanofi-Pasteur, Glaxo-Smith-Kline (GSK) und Novartis Behring beziehungsweise Novartis Vaccines.
Darunter findet sich Altbekanntes in neuen Varianten, zum Beispiel neue Kombinationsimpfstoffe gegen Kinderkrankheiten. Aber die Hersteller versuchen, ihre Produkte nicht nur technisch zu verbessern, sondern auch weitere Stämme einer Krankheit abzudecken. Erst im März kam Novartis mit einem Vierfach-Impfstoff gegen Meningokokken auf den Markt. Gegen den gefährlichen Subtyp B befindet sich eine Vakzine in Phase III der klinischen Studien. Nicht nur Kinder und Jugendliche werden routinemäßig gegen Meningokokken geimpft. Auch für muslimische Mekka-Pilger ist die Impfung Pflicht. Dementsprechend groß ist das weltweite Potenzial.
Neue Kombinationsimpfstoffe gegen Kinderkrankheiten sind genauso in der Entwicklung wie Vakzinen gegen Tropenkrankheiten und Tuberkulose.
Foto: dpa
Ein großer Markt wartet auch auf Vakzinen gegen die tropischen Krankheiten Malaria und Dengue-Fieber. An Malaria erkrankten laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 2008 rund 243 Millionen Menschen, 863 000 starben. Der am weitesten entwickelte Ansatz kommt von GSK und wird momentan in einer Phase-III-Studie an afrikanischen Kindern erprobt. Bei der Entwicklung einer Dengue-Vakzine hat derzeit Sanofi-Pasteur die Nase vorn. Erst vorigen Monat ging der Impfstoff in die Phase III. Die WHO rechnet mit 50 Millionen Erkrankungsfällen weltweit pro Jahr.
Rund 1,3 Millionen Menschen starben laut WHO im Jahr 2008 an Tuberkulose, etwa jeder dritte Mensch weltweit ist infiziert. Die Krankheit befindet sich dank multiresistenter Bakterienstämme wieder auf dem Vormarsch. Der seit Jahrzehnten verfügbare Lebend-Impfstoff gegen einen abgeschwächten Bakterienstamm (BCG) ist jedoch nur bedingt wirksam und verträglich. Daher wird er in Deutschland nicht mehr empfohlen. GSK und Sanofi-Pasteur arbeiten derzeit an besseren Impfstoffen, die sich in frühen klinischen Phasen befinden. Novartis und GSK testen zudem HIV-Impfstoffe in Phase I.
Impfstoffe gegen Keime
Ein weiteres interessantes Feld sind Impfstoffe gegen nosokomiale Infekte. Nach einem Bericht der europäischen Seuchenkontrollbehörde infizieren sich 3,5 bis 10,5 von 100 Patienten in europäischen Krankenhäusern mit Keimen wie Clostridium difficile, Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus aureus. Laut Gesundheitsberichterstattung des Bundes betrifft das 500 000 bis 800 000 Deutsche jedes Jahr
Bedrohlich daran ist, dass einige der Erreger Multiresistenzen ausbilden. Während die Pharmaindustrie bei der Entwicklung neuer Antibiotika spart, sind jedoch zumindest gegen die genannten Keime Impfstoffe in der frühen Entwicklungsphase. /