Selbstmedikation oft erlaubt |
11.11.2014 11:14 Uhr |
Von Katja Renner / In der Schwangerschaft nehmen die meisten Frauen ein oder mehrere Medikamente ein, 70 Prozent davon sind nicht vom Arzt verordnet. Daher haben Apotheker eine besondere Verantwortung bei der Beratung.
Die Wahrscheinlichkeit ist relativ groß, dass eine schwangere Frau innerhalb dieser besonderen neun Monate unter Beschwerden leidet, die eine medikamentöse Therapie erfordern. Das können schwangerschaftsspezifische, aber auch schwangerschaftsunabhängige gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Erkältungssymptome, Kopf- und Gliederschmerzen oder Schlafstörungen sein.
Experten gehen davon aus, dass circa 90 Prozent der Schwangeren Arzneimittel einnehmen. Dies betrifft besonders Mittel der Selbstmedikation wie Analgetika, Antazida, Antiallergika, Antidiarrhoika, Antiemetika, Antihistaminika, Antihypotensiva, Antitussiva, Expektoranzien, Hypnotika und Laxanzien (1).
Bei der Beratung von schwangeren Frauen sollten Apotheker mehrere Ziele im Blick haben: über die Risiken von Arzneimitteln aufklären, deren Einsatz so niedrig wie möglich halten und auf notwendige Indikationen beschränken. Dabei sind empathische Kommunikation und fachliche Sicherheit gefragt. Die meisten Frauen suchen Sicherheit in der Apotheke. Wenn die fachliche Situation eindeutig für eine medikamentöse Therapie spricht, sollte der Berater den Nutzen auch mit derselben Klarheit erläutern.
Für fast jede Indikation gibt es Arzneimittel, die in der Schwangerschaft erlaubt sind. Grundsätzlich gilt für die Selbstmedikation:
So stehen Ärzte und Apotheker häufig vor der Herausforderung, die Frauen kompetent und sicher zu beraten, ob und wenn ja, welches Arzneimittel sie für die Linderung ihrer Beschwerden einsetzen dürfen. Die Hersteller beschränken sich auf zurückhaltende Angaben, die den Beratenden kaum weiterhelfen (2). So heißt es in der Roten Liste oder der Fachinformation häufig, die Anwendung des Medikaments in der Schwangerschaft sei aufgrund fehlender klinischer Erfahrungen nicht zu empfehlen oder nur bei strenger Indikationsstellung vom Arzt zu verordnen.
Da der Studienumfang zum Einsatz von Arzneimitteln in der Schwangerschaft sehr begrenzt ist, basieren die meisten Daten zur Beurteilung des fetalen Risikos auf Einzelfallbeschreibungen und Erfahrungen in der Langzeitanwendung. Betrachtet man die Gründe für angeborene Entwicklungsstörungen genauer, scheinen Arzneimittel, Genussmittel und Umwelteinflüsse zusammen nur circa 4 Prozent der vorgeburtlichen Schäden zu verursachen (3).
Die Art der Schädigung hängt von der Entwicklungsphase des Fetus zur Zeit der Exposition ab. Während in den ersten zwei Wochen nach Konzeption das »Alles-oder-Nichts-Prinzip« gilt, ist das Risiko für schwere Missbildungen in der Zeit zwischen der vierten und zehnten Schwangerschaftswoche (gerechnet ab dem ersten Tag der letzten Periode) am größten. Einflüsse in der Zeit danach bis zur Geburt (Fetalphase) beeinträchtigen vor allem die kognitive Entwicklung.
Grenzen der Selbstmedikation
Jetzt nur ja nichts falsch machen: In der Schwangerschaft sind viele Frauen besonders gesundheitsbewusst.
Foto: Shutterstock/DmitriMaruta
Die Entscheidung, welches Arzneimittel für die jeweilige Schwangere geeignet ist, erfordert viel Fingerspitzengefühl (Kasten). Zunächst sollte das pharmazeutische Personal in Anlehnung an die Leitlinie »Information und Beratung des Patienten bei der Abgabe von Arzneimitteln – Selbstmedikation« (4) die Schwangere zu Art der Beschwerden, Dauer, bisherigen Maßnahmen, Einnahme von Arzneimitteln und Vorerkrankungen befragen. Ergänzend sind Informationen zur Phase der Schwangerschaft und etwaige Besonderheiten nötig, um zu entscheiden, ob eine Abgabe in der Selbstmedikation möglich ist.
Bei leichten Beschwerden, zum Beispiel Sodbrennen, Verstopfung oder Erkältung, können nicht-medikamentöse Maßnahmen oder gut erprobte Arzneistoffe meist Linderung verschaffen. Bei Fieber, Unterleibsblutungen, Schmerzen im Bauchraum, Hyperemesis, Sehstörungen, Bluthochdruck und allen über mehrere Tage bestehenden Beschwerden sollte die Frau einen Arzt zur Abklärung aufsuchen. In jedem Fall sollte sie ihren Arzt beim nächsten Kontrolltermin informieren, wenn sie Arzneimittel in Eigenregie eingenommen hat.
Hilfreich ist ein individueller Arzneimittelpass für Schwangere (5, 6), in den alle Arzneimittel eingetragen werden. So können Doppelverordnungen vermieden werden und Ärzte und Apotheker haben bei der Beratung Schwangerer immer die bisherige Arzneimitteltherapie im Blick.
Schwangerschaftsübelkeit
Viele Schwangere leiden unter gastrointestinalen Problemen wie Übelkeit, Sodbrennen, Meteorismus und Obstipation. Diese Beschwerden gehen überwiegend auf die physiologischen Veränderungen während der Schwangerschaft zurück.
Mehr als die Hälfte der Frauen leidet zu Beginn der Schwangerschaft unter Übelkeit und Erbrechen.
Foto: Picture Alliance
Im ersten Trimenon klagen 50 bis 60 Prozent der Frauen über Übelkeit und Erbrechen. Bei jeder fünften halten die Symptome noch im zweiten und dritten Trimenon an (7, 8). Einige Frauen spüren lediglich ein flaues Gefühl im Magen und sind insbesondere morgens geruchs- oder geschmacksempfindlich; andere leiden unter häufigem Erbrechen während des ganzen Tages. Ursache dafür sind psychische und hormonelle Veränderungen, insbesondere der Hormone β-HCG, Progesteron und Estrogen.
Mit einer Prävalenz von 0,3 bis 3 Prozent tritt ein ausgeprägtes Erbrechen auf, das als Hyperemesis gravidarum bezeichnet wird. Wenn eine Frau mehr als fünfmal pro Tag erbrechen muss, ihr Gewicht um mehr als 5 Prozent schwindet und die Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme erschwert ist, ist eine ärztliche Behandlung dringend erforderlich (9).
Das Institut für Embryonaltoxikologie in Berlin rät zu Doxylamin als Mittel der ersten Wahl. In Deutschland ist der Wirkstoff gegen Schlafstörungen, nicht aber für die Indikation Schwangerschaftserbrechen zugelassen. Im Gegensatz dazu ist in Kanada Doxylamin in Kombination mit Pyridoxin-HCl (Vitamin B6) als Retardformulierung für dieses Anwendungsgebiet verfügbar. Eine Studie belegt, dass sich die Symptome bei der Gabe von 20 mg Doxylamin zur Nacht gegenüber Placebo signifikant verbesserten (10). Um eine Verunsicherung der Schwangeren bei der Abgabe von Doxylamin zu vermeiden, sollte das Apothekenteam die Frau behutsam auf den Aspekt des Off-label-Einsatzes hinweisen und dazu informieren.
Da die Antihistaminika der ersten Generation Dimenhydrinat und Diphenhydramin einen wehenfördernden Effekt haben, sollten sie nicht abgegeben werden, wenn die Gefahr einer Frühgeburt besteht, und zudem nicht im dritten Trimenon. Ein teratogenes Potenzial besteht nicht. Auf die sedierenden Begleiteffekte und die Einschränkung der Reaktionsfähigkeit, zum Beispiel beim Autofahren, sollte die Frau hingewiesen werden. Die Dosierung und Anwendung erfolgt bei anhaltenden Beschwerden nach Vorgabe des Arztes.
Bei leichten Beeinträchtigungen können Apotheker auch Ingwer (1 g Droge pro Tag) oder Pyridoxin-HCl (10 bis 25 mg, dreimal täglich eine Tablette) versuchsweise empfehlen (11). Die Kombination von Vitamin B1, B6 und B12 ist als Diätetikum gegen Übelkeit in der Schwangerschaft verfügbar. Eine Cochrane-Metaanalyse (12) bewertet die Studienlage für die Anwendung von Ingwer als nicht vollständig überzeugend. Dennoch werden Zubereitungen aus Ingwer zur Behandlung von Übelkeit in der Frühschwangerschaft als günstig beurteilt.
Das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie in Berlin unter der ärztlichen Leitung von Privatdozent Dr. Christof Schäfer bietet seit 25 Jahren unabhängige Informationen zur Verträglichkeit der wichtigsten Arzneimittel und zur Therapie häufiger Erkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit.
Schnelle Informationen erhalten Suchende auf der Homepage www.em bryotox.de und seit neuestem über eine kostenlose App für Mac- und Android-Betriebssysteme. Die Internetseite bietet Suchmaschinen zur Beurteilung von Medikamenten und zu Therapieempfehlungen bei bestimmten Erkrankungen sowie aktuelle Informationen, Studien und einen Kontaktfragebogen für die individuelle Beratung.
Die App legt den Schwerpunkt auf die Suchfunktion und Bewertung der Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit. Sie kann auch off line genutzt werden und aktualisiert sich automatisch, wenn eine Internetverbindung besteht.
Sodbrennen
Viele Frauen klagen in der Mitte bis zum Ende der Schwangerschaft über Sodbrennen. Die vermehrte Progesteronbildung senkt den Muskeltonus des Ösophagussphinkters. Zusätzlich drückt der wachsende Uterus im Verlauf der Spätschwangerschaft auf den Magen und begünstigt das Aufsteigen von Magensaft in die Speiseröhre. Die typischen Symptome lassen sich leicht in der Apotheke erfragen und identifizieren: saures Aufstoßen, Brennen in der Speiseröhre, Verschlimmerung der Beschwerden im Liegen und nach dem Essen.
Schichtgitterantazida mit einer hohen Neutralisationskapazität sind ebenso wie die Kombination aus Calcium- und Magnesiumcarbonat die Antazida der Wahl in der Schwangerschaft. Alternativ kann ein Natriumalginat- und Kaliumhydrogencarbonat-haltiges Arzneimittel bei leichtem Sodbrennen Abhilfe schaffen. Nach der Einnahme bildet sich ein Alginsäure-Geldeckel, der auf dem Mageninhalt schwimmt und den gastroösophagealen Reflux verhindert. Eine offene unkontrollierte Studie an 146 schwangeren Frauen ergab keine Hinweise auf wesentliche unerwünschte Effekte auf den Verlauf der Schwangerschaft oder auf die Gesundheit des Fötus oder Neugeborenen. Unter Berücksichtigung des ebenfalls enthaltenen Calciumcarbonats wird empfohlen, die Behandlungsdauer so kurz wie möglich zu halten (13). Calciumcarbonat kann bei Dauergebrauch Hyperkalziämien oder Nephrokalzinosen begünstigen.
Können die Beschwerden mit diesen Maßnahmen nicht ausreichend behandelt werden, sind ärztlich verordnete Protonenpumpenhemmer oder Ranitidin die zweite Wahl. Magentees mit Anis, Kümmel oder Fenchel wirken zusätzlich entblähend und beruhigen den nervösen Magen. Die Frau kann sie in kleinen Mengen (eine bis zwei Tassen pro Tag) trinken.
Indikation und Wirkstoffe | Erfahrungsumfang | Empfehlung Embryotox |
---|---|---|
Allergie | ||
systemische Antihistaminika: Loratadin, Cetirizin | hoch | Loratadin und Cetirizin können in allen Phasen der Schwangerschaft eingenommen werden. |
topische Antihistaminika: Azelastin, Levocabastin | gering | Im Einzelfall möglich, besser untersuchte Antihistaminika vorziehen, lokale Anwendung möglich, besser erprobte Alternativen: nasales Budesonid und Cromoglicinsäure |
Cromoglicinsäure | hoch | gehört zu den Mitteln der Wahl in der Schwangerschaft |
Schwangerschaftsübelkeit und Erbrechen | ||
Doxylamin | hoch | keine Zulassung bei Hyperemesis gravidarum, dennoch Mittel der Wahl, evtl. in Kombination mit Pyridoxin |
Dimenhydrinat, Diphenhydramin | hoch | vorübergehende Anwendung akzeptabel, nicht im 3. Trimenon wegen kontraktionsfördernder Wirkung auf den Uterus |
Pyridoxin | hoch | zur Therapie Dosis von 80 mg/Tag nicht überschreiten |
Ingwer | mittel | in allen Phasen der Schwangerschaft in üblicher Dosis anwendbar |
Obstipation | ||
Lactulose, Macrogol | mittel | Wenn Füll- und Quellstoffe nicht wirken, können Lactulose und Macrogol in allen Stadien eingesetzt werden. |
Bisacodyl | mittel | kann kurzfristig in der Schwangerschaft eingesetzt werden, wenn eine Obstipation behandelt werden muss und Lactulose und Macrogol nicht ausreichend wirken |
Schmerzen und Fieber | ||
Paracetamol | hoch | Analgetikum und Antipyretikum der Wahl im üblichen Dosisbereich, keine langfristige unkritische Einnahme |
Ibuprofen | hoch | Im 1. und 2. Trimenon neben Paracetamol Mittel der Wahl, im 3. Trimenon kontraindiziert |
ASS | hoch | ASS bis zur 28. Woche Analgetikum der 2. Wahl, ab 28. Woche nicht empfohlen, wegen Risikos des Verschlusses des Ductus arteriosus botalli |
Schnupfen | ||
Xylometazolin, Oxymetazolin | hoch | indikationsgerechte kurzzeitige Anwendung während der gesamten Schwangerschaft möglich |
Husten | ||
Expectoranzien: Acetylcystein, Ambroxol, Bromhexin | mittel | Wirken Inhalationsbehandlung und ausreichende Flüssigkeitszufuhr unzureichend, sind ACC, Bromhexin und Ambroxol in der gesamten Schwangerschaft möglich. |
Thymianextrakt | gering | Anwendung in der Schwangerschaft erscheint akzeptabel, systematische Studien zur Verträglichkeit in der Schwangerschaft fehlen. Alkoholhaltige Zubereitungen sind zu meiden. Anwendung als Teedroge (nicht exzessiv) oder als Gewürz erfordert keine Einschränkung. |
Antitussivum: Dextromethorphan | hoch | kann in allen Phasen der Schwangerschaft als Antitussivum eingesetzt werden; wegen des geringen, aber doch vorhandenen Suchtpotenzials Anwendung auf wenige Tage beschränken |
Sodbrennen | ||
Antazida: Magaldrat, Calcium-/Magnesiumcarbonat | hoch | Magaldrat kann in der Schwangerschaft als Antazidum in normaler Dosierung eingesetzt werden. Lt. Fachinfo kann das Antazidum aus Calcium- und Magnesiumionen während der Schwangerschaft gemäß den Einnahme- empfehlungen eingenommen werden. |
Vaginalmykose | ||
Clotrimazol, Nystatin | hoch | Beide gehören zu den Mitteln der Wahl bei Pilzinfektionen in der Schwangerschaft. |
Lippenherpes | ||
Aciclovir (topisch) | hoch | lokale Anwendung in der Schwangerschaft unbedenklich |
Verdauungsprobleme
Obstipation ist sehr häufig in der Schwangerschaft. Dafür verantwortlich sind die relaxierende Wirkung von Progesteron auf die Darmmuskulatur, die gesteigerte Wasserresorption und der Volumenzuwachs des Uterus. Auch eine Eisen-Supplementation, die oft in der Spätschwangerschaft empfohlen wird, kann zu Verstopfung führen. Die verlangsamte Darmpassage sorgt für stärkere Eindickung des Stuhls und verzögerte Entleerungen, die mit Krämpfen oder Schmerzen verbunden sein können. Starke Schmerzen und blutiger Stuhl sind klare Grenzen der Selbstmedikation.
Helfen nicht-medikamentöse Maßnahmen wie gesteigerte Flüssigkeitszufuhr, regelmäßige körperliche Bewegung und ballaststoffreiche Ernährung nicht, sind Flohsamenschalen, Macrogole und Lactulose wirksame und schonende Laxanzien. Pflanzliche Abführmittel, zum Beispiel mit Aloe oder Senna, werden vom Institut für Embryonaltoxikologie nicht empfohlen. Lactulose oder Macrogol sind besser erprobte Alternativen (14).
Viele Schwangere nehmen in der Schwangerschaft zur Muskelentspannung orales Magnesium wie Magnesiumoxid oder -citrat ein. Dieses wirkt außerdem im Darm osmolaxierend – ein günstiger Begleiteffekt.
Husten, Schnupfen, Heiserkeit
Erstmal ohne Medikamente: Ruhe, Wärme und ausreichend Flüssigkeit lindern manche Erkältungsbeschwerden.
Foto: DAK Gesundheit
Erkältungssymptome zählen auch in der Schwangerschaft zu den häufigsten Beratungsanlässen in der Apotheke. Halsschmerzen, Schnupfen, Husten sowie Kopf- und Gliederschmerzen beeinträchtigen das Allgemeinbefinden.
Grundsätzlich gilt: Kombinationspräparate sind in der Schwangerschaft abzulehnen. Da viele Grippemittel beim Laien als harmlos gelten und nicht verschreibungspflichtig sind, ist die Verantwortung der Apotheker besonders hoch. Auch wenn teratogene Eigenschaften nicht bekannt sind, steigt das Risiko mit der wachsenden Anzahl von eingenommenen Wirkstoffen. Im ersten Trimenon gilt die Empfehlung, so wenig Medikamente wie möglich einzunehmen und zunächst mit Inhalation, reichlicher Flüssigkeitszufuhr und Schonung die Beschwerden zu lindern.
Neben der erkältungsbedingt »verstopften« Nase leiden etwa 20 bis 30 Prozent der Schwangeren unter einer Schwangerschaftsrhinopathie (1), bei der die Hormonumstellung zu Schwellungen der Nasenschleimhaut führt und typische Schnupfensymptome hervorruft. Kurzfristig dürfen sie lokal abschwellende Alphasympathomimetika wie Xylometazolin oder Oxymetazolin einsetzen. Diese wirken in höherer Dosierung vasokonstriktiv; daher ist ein Langzeitgebrauch nicht erlaubt. Meerwasserhaltige Präparate mit oder ohne Dexpanthenol gelten als unbedenklich.
Eine Nasendusche hat sich bei erkältungs-, aber auch allergiebedingtem Schnupfen bewährt. So werden Erreger und Allergene an der Adsorption an der Nasenschleimhaut gehindert und die Symptome reduziert.
Husten ist in der Schwangerschaft besonders lästig und quälend. Viele Frauen verlangen daher pflanzliche Zubereitungen (Kasten). Wegen des geringen Erfahrungsumfangs gelten Präparate mit Thymian, Efeu oder Cineol als zweite Wahl hinter Ambroxol, Bromhexin und Acetylcystein. Problematisch ist, dass es sich bei Phyto-Extrakten um Wirkstoffmischungen handelt, zu deren Sicherheit keine verlässlichen Daten existieren. Cineol ist plazentagängig, sodass in den Fachinformationen angegeben wird, die jeweiligen Produkte nur nach Rücksprache mit dem Arzt anzuwenden. Festzuhalten ist jedoch, dass es bei den üblichen Phytopharmaka zur Behandlung von Husten und Atemwegsinfekten keinerlei Hinweise auf teratogene Wirkungen gibt.
Gemäß der Empfehlung des Instituts für Embryonaltoxikologie erscheint die Anwendung von Thymianextrakt akzeptabel. Systematische Studien zur Verträglichkeit in der Schwangerschaft fehlen jedoch. Alkoholhaltige Zubereitungen sind zu meiden. Die Anwendung als Teedroge (nicht exzessiv) oder als Gewürz ist nicht eingeschränkt (14).
Zur Hustenstillung kann Dextromethorphan jenseits des ersten Trimenons (im ersten Trimenon relative Kontraindikation) in Einzelgaben angewendet werden. Die Indikation sollte jedoch streng gestellt werden. Kurz vor der Entbindung darf das Opioid Dextromethorphan wegen möglicher atemdepressiver Effekte beim Neugeborenen nicht gegeben werden (1). Das gleiche gilt für den verschreibungspflichtigen Wirkstoff Codein.
Die Anwendung von Phytopharmaka in der Schwangerschaft ist generell schwer zu beurteilen. Zu den meisten Präparaten gibt es keine systematischen Studien, die deren Unbedenklichkeit nachweisen. So gilt die Maßgabe, aus Sicherheitsgründen immer eher auf konventionelle Arzneimittel mit einem höheren Erfahrungsumfang zurückzugreifen, obwohl nur wenige Fallberichte über teratogene Schäden im Zusammenhang mit pflanzlichen Präparaten vorliegen. Prinzipiell sollten die therapeutischen Dosierungen immer eingehalten und Schwangeren vom exzessiven Genuss von Tees abgeraten werden. Außerdem sind viele pflanzliche Präparate auf alkoholischer Basis, ein weiteres Ausschlusskriterium bei der Auswahl des geeigneten Medikaments.
Pflanzliche Mittel werden in der Schwangerschaft deutlich seltener verwendet als außerhalb dieser Zeit. In einer norwegischen Studie griffen nur vier von zehn Frauen zu dieser Alternative. Die Frauen nahmen vor allem Ingwer gegen Übelkeit, Eisen-Präparate gegen Anämie, Echinacea gegen Erkältung und Cranberries gegen Blasenentzündungen (15).
Vorsicht bei der Schmerztherapie
Kopfschmerzen und Fieber in der Schwangerschaft sind keine Bagatelle. Sie können infolge eines banalen Erkältungsinfekts auftreten, Kopfschmerzen können aber auch ein Signal von Schwangerschaftskomplikationen (Hypertonie, Präeklampsie Hypoglykämie) sein. Die sorgfältige Befragung einer Schwangeren, die ein Analgetikum in der Apotheke verlangt, ist daher sehr wichtig und sollte im Zweifel immer zu einem Arztbesuch überleiten.
Bei behandlungsbedürftigen Schmerzen und hohem Fieber ist Paracetamol die erste Wahl in der gesamten Schwangerschaft. Hinweise in einigen Untersuchungen, dass diese Medikation asthmatische Beschwerden später beim Kind begünstigt, konnten bisher nicht eindeutig belegt werden. Ebenso wie die Ergebnisse zum Hodenhochstand waren auch diese Studien widersprüchlich und die beobachteten Effekte nur grenzwertig signifikant (14). Dennoch sollte eine Maximaldosis von 3 g/Tag nicht überschritten werden.
Im ersten Trimenon ist Ibuprofen eine mögliche Alternative. ASS sollten Schwangere in dieser Zeit wegen des erhöhten Blutungsrisikos nur als Einzeldosis und als Reserveanalgetikum einnehmen. Im dritten Trimenon sind nicht-steroidale Antirheumatika wie ASS und Ibuprofen wegen der erhöhten Blutungsgefahr unter der Geburt und des möglichen Verschlusses des Ductus arteriosus botalli kontraindiziert. Dieses fetale Gefäß überbrückt den venösen und den arteriellen Blutkreislauf. Ein vorzeitiger Verschluss kann eine primäre pulmonale Hypertonie beim Neugeborenen auslösen (1).
Eine »Low-dose«-Behandlung mit ASS, zum Beispiel zur Prophylaxe wiederholter Spontanaborte, hat keine Auswirkung auf den Ductus arteriosus botalli (3).
Das Apothekenpersonal sollte eine Schwangere immer auch auf Entspannungsmaßnahmen, Kühlung oder die äußerliche Anwendung von Pfefferminzöl hinweisen. Spielen Verspannungen beim Kopfschmerz eine Rolle, sind Magnesium und Wärmeanwendungen sinnvoll.
Heuschnupfen und Allergie
Zu Risiken und Nebenwirkungen weiß der Apotheker oft besseren Rat als die Fachinformation.
Foto: Shutterstock/Image Point Fr
In den vergangenen Jahrzehnten wurde eine deutliche Zunahme von allergischen Erkrankungen beobachtet, sodass mittlerweile bei fast jeder fünften Schwangeren Allergien bekannt sind (14). Die Antihistaminika der zweiten Generation, Loratadin und Cetirizin, sind aufgrund der großen Erfahrung die erste Wahl bei der systemischen Gabe von Antiallergika. Zur topischen Therapie der allergischen Rhinopathie sind Cromoglicinsäure und nasales Budesonid den topischen Antihistaminika Azelastin und Levocabastin deutlich vorzuziehen, da hier der Erfahrungsumfang am größten ist.
Zusätzliche Tipps zur Vermeidung der Allergenexposition sind sehr wichtig. Hydrocortison-haltige Externa können kurzfristig in der Schwangerschaft gegen Juckreiz und allergische Exantheme eingesetzt werden.
Vorsicht vaginale Infektionen
Die veränderten Hormonspiegel in der Schwangerschaft begünstigen Candida-Infektionen im Vaginalbereich. Bei einer vaginalen Entbindung besteht das Risiko, das Neugeborene zu infizieren. Insbesondere bei Frühgeborenen kann es zu schweren Komplikationen kommen. Einige Gynäkologen überprüfen mittels Pilzkultur zum Ende des letzten Schwangerschaftsdrittels den Status der Frau. Candida-Infektionen können wirksam und sicher mit Clotrimazol, Miconazol, aber auch Nystatin in allen Phasen der Schwangerschaft therapiert werden. Orale Antimykotika wie Ketoconazol sind kontraindiziert.
Auch Viren, zum Beispiel Herpes-Viren, können Probleme während der Geburt bereiten. Solange die Viren bei Lippenherpes am Mund bleiben, droht keine Gefahr. Ein akuter Herpes genitalis der Frau kann jedoch unter der Geburt den Säugling infizieren. In Deutschland zählt man pro Jahr etwa 100 bis 500 erkrankte Säuglinge. Ein Herpes neonatorum kann schwere Nervenschäden und lebenslange Behinderungen hervorrufen.
Die lokale Behandlung mit Aciclovir ist in der Schwangerschaft erlaubt. Nach Kontakt mit den betroffenen Arealen ist Händewaschen das A und O; außerdem sollte Oralsex mit dem Partner vermieden werden. /
Literatur
Katja Renner studierte Pharmazie an der Rheinischen Friedrich Wilhelm Universität, Bonn, und wurde an der Universität Köln promoviert. Seit 1996 ist sie in öffentlichen Apotheken tätig, zuletzt in der Park-Apotheke in Wassenberg. Sie arbeitet seit 2000 als Dozentin für verschiedene Apothekerkammern und die ABDA. Ihr Schwerpunkt ist die praxisnahe Fortbildung zu Themen wie Depression, Kinder- oder Atemwegserkrankungen sowie zu Arzneimitteln in der Schwangerschaft. Sie ist Mitglied des Fort- und Weiterbildungsausschusses der Apothekerkammer Nordrhein und gehört zum Projektteam von ATHINA. Dr. Renner veröffentlichte zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften und ist Buchautorin.
Dr. Katja Renner
Patersgraben 9
41849 Wassenberg
E-Mail-Adresse: k.k.renner(at)t-online.de