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Gendoping

Nachweis durch Bluttest möglich

09.11.2010  14:53 Uhr

Von Richard Schneider / Gendoping galt lange als nicht nachweisbar. Doch seit Kurzem ist auch hier ein sicherer Nachweis möglich. Zwei Ärzte der Uniklinik Tübingen haben einen Bluttest entwickelt, mit dem eingeschleuste körperfremde Gene oder Genabschnitte auch Monate nach dem Doping festgestellt werden können.

Bei großen Sportereignissen geht es nicht nur um Ruhm, sondern auch um viel Geld. Viele Sportler sind daher gewillt, auf unerlaubte Weise nachzuhelfen und für den Sieg zu unfairen Mitteln zu greifen. Gedopt wurde zum Beispiel mit verschiedenen Medikamenten, aber auch mit Hormonen, Wachstumsfaktoren oder Eigenblut. Viele Dopingmethoden sind heute durch Urin- und Bluttests zu erkennen.

Bislang nicht nachzuweisen war das sogenannte Gendoping, also die Veränderung des Erbguts zur Leistungssteigerung. Bei dieser Form werden fremde DNA-Frag­mente oder ganze Fremd-Gene in die Zelle oder in das Erbgut einge­schleust, die bereits vorhandene Gene unterstützen beziehungs­wei­se eine Überproduktion bestimmter körpereigener Stoffe bewirken. Da der Körper des Sportlers selbst diese leistungsfördernden Stoffe produziert, war ein Nachweis bis­lang nicht möglich. Gendoping könn­te daher für Sportler als Mög­lichkeit erschienen sein, dem er­sehnten Sieg nachzuhelfen. Ob und wenn ja in welchem Ausmaß im Profisport zu dieser riskanten Methode gegriffen wird, ist unklar. Fälle von Gendoping wurden bis­lang nicht aufgedeckt. Experten der Welt-Antidoping-Agentur (WADA) haben dennoch vorsorglich im Jahr 2003 Gendoping auf die Liste der verbotenen Strategien gesetzt. Zudem fördern sie die Forschung an Testmethoden mit großen Summen.

 

Das Prinzip des Gendoping ist einfach: Mithilfe eines Vektors (Transporters) werden fremde DNA-Abschnitte in die Zellen geschleust, wo sie abgelesen werden können und so zu einer Überexpression von Genen führen. Hier kommen verschiedene Ansatzpunkte infrage: Die Modulierung der Sauerstoff-Versorgung des Körpers, zum Beispiel über das Einschleusen des Gens für Erythropoetin, das die Produktion der roten Blutkörperchen stimuliert. Oder der Wachstumsfaktor VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) wird überexprimiert und zum verstärkten Aufbau von Muskulatur genutzt. Hier ist auch das Eiweiß Myostatin (»Muskelbremse«), auch »Schwarzenegger-Gen« genannt, bedeutend: Schaltet man das Gen für Myostatin aus, bewirkt man ungehemmtes Wachstum der Muskulatur. So könnten zum Beispiel die Gene für Myostatin-Inhibitoren wie Follistatin eingeschleust werden, um die Leistung zu steigern. Weitere Angriffspunkte für Gendoping sind unter anderem das Wachstumshormon HGH (Human Growth Hormone) in Verbindung mit den Wachstumsfaktoren IGF (Insulin-like Growth Factor) und der Unterform MGF (Mechano Growth Factor).

 

Fehlende Introns

 

Seit dem Abschluss der Arbeiten der beiden Ärzte Professor Dr. Perikles Simon (jetzt Universität Mainz) und Professor Dr. Michael Bitzer (Universität Tübingen) hat sich die Lage grundlegend verändert: Der heimliche Transfer von körperfremder DNA ist jetzt nachweisbar. Ihr Testverfahren, so Simon, liefere eindeutige »Ja-oder-Nein-Antworten« auf die Frage, ob sich im untersuchten Blut transgene DNA (tDNA) befindet. Diese tDNA wird mithilfe viraler Vektoren in die Körperzellen des Sportlers eingeschleust. Da die Vektoren eine geringe Kapazität haben, dürfen die auf diese Weise transportierten DNA-Abschnitte nicht zu groß sein. Sie besitzt aus diesem Grund keine Introns. Dies sind nichtcodierende Abschnitte, die in Genen vorkommen und die nach der Transkription (dem Ablesen des Gens) aus dem RNA-Molekül herausgeschnitten werden. Die codierenden Abschnitte des Gens (Exons) werden also von nichtcodierenden unterbrochen. Durch das Fehlen dieser Unterbrechungen unterscheidet sich die eingeschleuste DNA von der normalen zellulären Erbsubstanz. Diese Tatsache macht sich der von Simon entwickelte Test zunutze.

Für den Nachweis der tDNA genügen 200 Mikroliter Blut sowie ein hochspezifisches, sicher wiederholbares DNA-Amplifizierungs-Verfahren mithilfe der Polymeraseketten­reaktion (PCR). Mit einem PCR-Verfahren können spezielle DNA-Abschnitte tausendfach vervielfältigt und auf diese Weise nachgewiesen werden. Hierfür muss die Basensequenz des Zielgens bekannt sein. Um die Vervielfältigung zu starten, werden kurze DNA-Fragmente (sogenannte Primer) benötigt, die an die Zielsequenz binden und die Vervielfältigung in Gang setzen. Bei dem von Simon entwickelten Testverfahren sind die Primer so gewählt, dass sie sich nur an die nicht von Introns unterbrochenen Gene anlagern können. Somit weist das Verfahren spezifisch intronfreie, also künstlich eingeführte DNA-Fragmente nach. Bislang wurden Primer für sechs möglicherweise zum Gendoping nutzbare Gene entwickelt. Sie können in kleinsten Mengen von Blutproben und bis zu 56 Tage nach einer Injektion von fremdem Genmaterial nachgewiesen werden.

 

Ob der Test funktioniert, wurde zunächst im Mausmodell überprüft. Hierbei wurden die Mäuse »gengedopt«, indem ihnen per Injektion in die Muskulatur eine Erbsubstanz verabreicht wurde. Dadurch wurde in ihrem Körper ein Hormon produziert, das die Blutgefäßneubildung anregt. Noch zwei Monate nach der Injektion konnten Simon und Bitzer mittels kleiner Blutproben sicher feststellen, welche Tiere ein Gendoping erhalten hatten und welche nicht.

 

Dass ihr Nachweisverfahren sicher und fehlerfrei arbeitet, wiesen die Tübinger Wissenschaftler inzwischen in einer Spezifitätsprüfung an 327 Blutproben von Leistungs- und Freizeitsportlern innerhalb und außerhalb ihrer Trainingszeiten nach. Es gab kein einziges falsch-positives Resultat. Veröffentlicht wurde ihre Arbeit in der Fachzeitschrift »Gene Therapy« (doi: 10.1038/gt.2010.122). Die WADA unterstützte ihre Forschung in den letzten vier Jahren mit insgesamt 980 000 Dollar.

 

Die beiden Forscher gehen davon aus, dass sich ab sofort für Athleten der Missbrauch der Gentherapie zu Dopingzwecken nicht mehr lohnt. »Das Wissen um das Risiko, auch Monate nach einem durchgeführten Gentransfer noch bei einer Wettkampfkontrolle entdeckt zu werden, dürfte auch die waghalsigsten Doper abschrecken«, glaubt Simon. Ein einziger Gendoping-Test pro Jahr genügt für den Nachweis. »Durch die Entwicklung dieses zuverlässigen Nachweisverfahrens für den Missbrauch von Gentransfer soll gewährleistet werden, dass die neue Technologie mit bisher nur zum Teil bekannten Nebenwirkungen nur bei schwerwiegenden Erkrankungen eingesetzt wird«, sagt Bitzer. Die Universitätsklinik Tübingen plant in den nächsten Monaten eine erste Gentherapiestudie bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren. /

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