Pharmazeutische Zeitung online
In-vitro-Hautpermeation

Topika mit nicht steroidalen Antirheumatika untersucht

02.11.2010  10:15 Uhr

Von Stefanie Schmid und Christine Hoffmann / Dermal applizierbare Zubereitungen mit den beiden Arzneistoffen Diclofenac und Ibuprofen sollen ihre Wirkung in der Haut und tiefer liegenden Geweben entfalten. Ausmaß und Geschwindigkeit der Hautpermeation stellen daher relevante Kriterien dar und wurden im Rahmen des dritten Ausbildungsabschnitts des Apothekerberufes für verschiedene Formulierungen untersucht.

Unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes bieten lokal applizierbare Zubereitungen mit nicht steroidalen Antirheumatika in der Kurzzeitbehandlung von Rücken-, Muskel und Gelenkschmerzen eine Alternative zur systemischen Therapie, da unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie Magenreizungen bis hin zu Magenblutungen durch eine topische Applikation vermindert werden (1). Neben verschiedenen Cremes und Gelen sind auch Sprays auf dem Markt, wobei vor allem Zubereitungen mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Diclofenac verbreitet sind.

PZ-Originalia

In der Rubrik Originalia werden wissen­schaftliche Untersuchungen und Studien veröffentlicht. Eingereichte Beiträge sollten in der Regel den Umfang von zwei Druckseiten nicht überschreiten und per E-Mail geschickt werden. Die PZ behält sich vor, eingereichte Manuskripte abzulehnen. Die veröffentlichten Beiträge geben nicht grundsätzlich die Meinung der Redaktion wieder.

Ziel der durchgeführten Permeationsstudie war die Untersuchung der Menge an Arzneistoff, die in Abhängigkeit der Zeit durch isoliertes humanes Stratum corneum, welches aus mehreren Lagen toter verhornter Zellen besteht und die Hauptpermeationsbarriere darstellt, permeiert.

Wichtig für gute Permeationseigen­schaf­ten ist neben den Arzneistoffeigen­schaf­ten an sich vor allem die Beschaffenheit der verwendeten Formulierungs­grund­lage. Sogenannte Permeationsen­han­cer können zu einer verbesserten Perme­ation beitragen. Hierzu gehören zum Beispiel Alkohole wie Isopropanol, die aufgrund ihrer Molekülstruktur mit den Lipiden des Stratum corneums inter­agie­ren können und so durch Struktur­auf­weitung den Arzneistoffflux erhöhen. Auch Phospholipide können durch eine verbesserte Hydratisierung der Hornhaut die Permeation verbessern (2).

 

Ausgewählte OTC-Fertigarzneimittel

 

doc® Ibuprofen Schmerzgel (Hermes Arzneimittel GmbH, Großhesselohe/München), enthält 5 Prozent Ibuprofen und ist in Analogie zu Dolgit® Mikrogel ein poloxamerbasiertes transparentes Gel mit vollständig gelöstem Wirkstoff. Für Dolgit® Mikrogel wurde bereits nachgewiesen, dass nach dem Auftragen die Struktur der Hautlipide beeinflusst wird, sodass die Permeabilität durch das Stratum corneum erhöht wird. An dem auftretenden Enhancereffekt ist unter anderem das enthaltene Isopropanol beteiligt (3).

Ibutop® Creme (Deutsche Chefaro Pharma GmbH, Waltrup) enthält ebenfalls 5 Prozent Ibuprofen. Die Cremegrundlage besteht aus einer O/W-Emulsion.

 

Voltaren® Schmerzgel (Novartis Consumer Health GmbH, München) stellt ein mehrphasiges System aus einer O/W-Cremegrundlage mit flüssigkristallinen Strukturen an der Phasengrenze dar und enthält 1,16 Prozent Diclofenac-Diethyl­amin. Die dispergierten Emulsionstropfen der lipophilen Phase sind von hydratisierten Tendsiddoppelschichten in Form von flüssigkristallinen Lamellarphasen umgeben. Der Wirkstoff kann so aus einem lipophilen Depot langsam durch die multilamellare Grenzschicht diffundieren und zum Wirkort gelangen (3).

Gleichung

P = J / co

 

J = Arzneistoffflux [g/cm2 s]

co = Arzneistoffausgangskonzentration im Donator [g/cm3]

P = Permeationskoeffizient [cm/s]

Voltaren® Spray (Novartis Consumer Health GmbH), ist seit Januar 2010 neu in Deutschland auf dem Markt und enthält 4 Prozent Diclofenac-Natriumsalz. Der Wirkstoff ist in phospholipidhaltigen Mizellen enthalten, welche in einer Isopropanol-Wasser-Mischung dispergiert vorliegen. Nach dem Aufsprühen verdunsten die flüchtigen Bestandteile, in der Haut löst sich die Mizellenstruktur in ihre Bestandteile auf und der Wirkstoff wird so freigegeben (4).

 

Isoliertes humanes Stratum corneum

 

Es wurde eine Hautspende aus der plastischen Chirurgie verwendet. Zur Ablösung des Stratum corneums wurde die Haut in wässriger Trypsinlösung (Roth, D-Karlsruhe) inkubiert. Anschließend wurden aus dem getrockneten Stratum corneum kreisrunde Stücke ausgestanzt und nach Auflage auf einen Polycarbonat-Filter (TMTP 5 µg, Millipore, Eschborn) in modifizierte Franz-Zellen eingespannt (5).

 

Permeationsuntersuchung

 

Als Donator wurden die oben aufgeführten Zubereitungen in Infinite-dose-Technik eingesetzt. Als Akzeptormedium diente ein auf 37 °C temperierter salinischer Phosphatpuffer pH 7,4. Die Versuchsdauer betrug 30 Stunden, wobei insgesamt zehn Proben zu definierten Zeitpunkten gezogen und durch reinen Phosphatpuffer ersetzt wurden. Die permeierte Menge der Wirkstoffe wurde mittels Hochleistungs-Flüssigchromatografie mit einem System der Firma Waters (Eschborn) quantitativ bestimmt (5, 6).

 

Auswertung der Permeation erfolgte grafisch, wobei die permeierte Menge an Arzneistoff gegen die Versuchsdauer aufgetragen wurde. Im Steady-State-Bereich, welcher sich im linearen Abschnitt des Graphen befindet, lässt sich der Arzneistoffflux J und unter Berücksichtigung der Ausgangskonzentration c0 im Donator auch der Permeationskoeffizient P errechnen (siehe Gleichung), der häufig als Maß zur Beurteilung der Permeationseigenschaften von isolierten Häuten und Zellkulturmodellen herangezogen wird. Der Arzneistoffflux gibt die permeierte Arzneistoffmenge pro Fläche und Zeit direkt an und ist von besonderem Interesse für den erreichbaren Wirkeffekt.

 

Ergebnisse

 

Wie bereits in früheren Untersuchungen für Dolgit® Mikrogel gezeigt wurde (7), ist auch die aus dem doc® Schmerzgel permeierte Wirkstoffmenge zu allen Zeitpunkten größer als bei der gleich konzentrierten ibutop® Creme und ist nach 30 Stunden viermal so groß (Abbildung 1). Der beim doc® Schmerzgel erzielte Arzneistoffflux ist somit deutlich größer und beträgt mehr als das Vierfache (Tabelle). Dies bedeutet, dass der Arzneistoff nach Anwendung des doc® Ibuprofen Schmerzgels wesentlich schneller anflutet, was vorteilhaft für eine schnelle Schmerzlinderung ist. Der wesentlich höhere Permeationskoeffizient zeigt zudem, dass durch diese Formulierung eine deutliche Steigerung der Hautpermeabilität erreicht wird. Allerdings berücksichtigt der für ibutop® Creme berechnete Permeationskoeffizient nicht die Zweiphasigkeit der Formulierung und einen Ibuprofen-Verteilungskoeffizienten zugunsten der lipophilen dispersen Phase. Beim doc® Schmerzgel handelt es sich um ein einphasiges System, wodurch ein hoher Ibuprofen-Konzentrationsgradient zwischen der Zubereitung und dem Stratum corneum besteht, was eine schnelle Arzneistoffdiffusion begünstigt. Bei der ibutop® Creme hingegen fungiert die disperse Phase als Depot, aus dem weiterer Wirkstoff über eine Gleichgewichtseinstellung in die wässrige Phase diffundieren muss, bevor er aus der Zubereitung freigesetzt wird.

Tabelle: Vergleich der Permeationseigenschaften der vier Zubereitungen

Arzneistoffflux [10-9g/cm 2s] ± SD Permeationskoeffizient [10-7cm/s] ± SD permeierte Wirkstoffmenge pro Fläche nach 30 h [µg/cm2] ± SD
doc Ibuprofen ­Schmerzgel
(c0=5%) n = 5
8,90 ± 2,32 1,78 ± 0,46 831,65 ± 195,56
Ibutop Creme
(c0=5%) n = 4
1,93 ± 0,89 0,39 ± 0,18 194,15 ± 91,98
Voltaren Schmerzgel
(c0=1,16%) n = 6
0,83 ± 0,33 0,71 ± 0,28 79,14 ± 26,72
Voltaren Spray
(c0=4%) n = 4
2,91 ± 0,28 0,73 ± 0,07 287,94 ± 19,43

Die aus dem Voltaren® Schmerzgel permeierte Wirkstoffmenge ist deutlich geringer als diejenige aus dem Voltaren® Spray (Abbildung 2). Zwar ist das Spray mit 4 Prozent Wirkstoffgehalt im Vergleich zu 1,16 Prozent auch höher konzentriert, sodass sich für den auf den Wirkstoffgehalt bezogenen Permeationskoeffizienten ähnliche Werte ergeben. Die Hautpermeabilität wird demnach von beiden Zubereitungen nahezu gleich beeinflusst. Dennoch kann durch das Voltaren® Spray aufgrund des größeren diffundierbaren Arzneistoffgehalts ein etwa 3,5-fach höherer Arzneistoffflux und somit ein stärkeres Anfluten des Wirkstoffs erzielt werden (Tabelle). Diese Unterschiede können in der Praxis ausgeglichen werden, indem unterschiedliche Mengen der beiden Formulierungen appliziert werden. Einen Vorteil bietet das Voltaren® Spray durch die Applikation als Spray, wodurch zusätzlich ein Kühleffekt durch Verdunstungskälte erreicht wird.

Fazit

 

In-vitro-Permeationsuntersuchungen durch isoliertes Stratum corneum bieten eine gute Orientierung zur Beurteilung der Grundlagen wirkstoffgleicher Fertigarzneimittel, ein Vergleich von verschiedenen Wirkstoffen ist wegen der unterschiedlichen Wirkpotenz und somit unterschiedlichen Dosierung nicht möglich. Sie haben nicht das Ziel, In-vivo-Untersuchungen zu ersetzen, auch wenn in einigen Fällen bereits eine gute In-vitro/in vivo-Korrelation gezeigt werden konnte (8). /

Literatur

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Billigmann, P., Hergarten, K. und Kandziora, J. Therapiewoche 8,9, S. 548-554. 1993.

Williams, Adrian C. und Barry, Brian W. Advanced Drug Delivery Reviews 56, S. 603–618. 2004.

Müller-Goymann, C.C. in: Pharmazeutische Technologie: Moderne Arzneiformen. R. H. Müller und G. E. Hildebrand (Hrsg.). Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart. 1. Auflage. 1997.

Ruß, Verena. Pharmazeutische Zeitung Ausgabe 53. 2009.

Stoye, I., Schröder, K., Müller-Goymann, C.C. Eur. J. Pharm. Biopharm. 46, 191 – 200. 1998.

Schneeweis, A., Müller-Goymann, C.C. Pharm. Research. Vol. 14, No. 12. 1997.

Stoye, Inken. Permeabilitätsveränderung von humanem Stratum corneum nach Applikation nicht-steroidaler Antirheumatika in verschiedenen kolloidalen Trägersystemen. Dissertation Universität Braunschweig. 1997.

Treffel, P., Gabard, B. Skin Pharmacol. 6(4):268-75. 1993.

 

Kontakt

 

Stefanie Schmid und Christine Hoffmann

Institut für Pharmazeutische Technologie

Technische Universität

Mendelssohnstraße 1

38106 Braunschweig

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