Branche fordert schnellere Zulassungen |
02.11.2010 17:36 Uhr |
Von Martina Janning, Berlin / Die medizintechnische Industrie fordert kürzere und verlässliche Fristen für die Anerkennung ihrer Produkte als Kassenleistung. Medizintechnologie sei zwar oft teuer, sie spare aber volkswirtschaftlich gesehen auch Kosten, sagen die Hersteller.
In der Medizintechnik ist Deutschland führend. Doch der Rest der Welt schläft nicht. »Wenn wir nicht aufpassen, findet das Wachstum in Zukunft außerhalb Deutschlands statt und wir werden abgehängt«, sagte der Vorsitzende des Verbands der Diagnostica-Industrie (VDGH), Matthias Borst, auf dem Innovationsforum Medizintechnik, einer Veranstaltung von Verbänden und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, die vorige Woche in Berlin stattfand. Borst spielte dabei vor allem auf China an.
Drei Männer, ein Thema: die Medizintechnik. Sie sei nicht in jedem Fall Kostentreiber, sagen Professor Dr. Thomas Schmitz-Rode von Acatech (links) und Dr. Meinrad Lugan vom BVMed (Mitte). Rechts im Bild: Georg Baum von der Deutschen Krankenhausgesellschaft.
Foto: PZ/Zillmer
Als wichtigen Bremsklotz hierzulande nannte der VDHG-Vorsitzende die Anerkennung von Medizintechnik durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV). Je nachdem, um welches Produkt es sich handelt, muss dies verschiedene Verfahren durchlaufen. Dabei herrsche große Intransparenz, wer entscheiden müsse und wie er dies tue. Es gebe »enorm viele Akteure bei der Nutzenbewertung«, sodass kleine Unternehmen sich nur schwer zurechtfänden, ergänzte Professor Dr. Thomas Schmitz-Rode von der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech). Er regte an, einen Fahrplan für Firmen zu entwerfen. Außerdem sollten der Nachweis über die Leistungsfähigkeit eines Produktes und die Nutzenbewertung gekoppelt werden, sagte er.
Ein großes Problem sieht die Medizintechnikbranche in fehlenden Fristen bei der GKV-Anerkennung. Beispielweise laufe der Antrag, dass das Screening auf Humane Papillomviren (HPV) eine Kassenleistung wird, schon seit dem Jahr 2003, berichtete Borst. Der Endbericht zur Kosten-Nutzen-Bewertung solle Ende 2011 kommen. Mit der Entscheidung, ob Kassen das HPV-Screening bezahlen, rechnet Borst in 2012. »Dann sind neun Jahre vergangen«, betonte er. Das sei ein großer Unterschied zur Arzneimittelbranche, wo die GKV gleich nach Markteintritt die Kosten für ein neues Medikament übernimmt. Borst forderte klare Fristen: »Es geht um Firmen, die viel Geld investiert haben.«
Jahrelange Prüfungen
Neun Jahre für die Prüfung – das sei zu lang, fand auch der neue Chef des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IGWiG), Professor Dr. Jürgen Windeler. Er wies aber darauf hin, dass eine Bewertung im IGWiG ebenfalls 12 bis 18 Monate dauert. Eine Verkürzung sei wegen der vorgeschriebenen Beteiligungen und Anhörungen kaum möglich. Windeler warnte davor, diese zu beschneiden, um das Verfahren zu beschleunigen.
Ein weiteres großes Thema für die medizintechnische Industrie ist derzeit die Nutzenbewertung. »Klinische Studien funktionieren in vielen Fällen nicht«, sagte Schmitz-Rode. Er sprach sich dafür aus, für einzelne Produktgruppen spezifische Kriterien zu entwickeln.
Für einen erweiterten Nutzenbegriff plädierte der Vorstandsvorsitzender des Bundesverbands der Medizintechnologie (BVMed), Dr. Meinrad Lugan: »Wenn es nur um den Nutzen für Patienten ginge, gebe es keine Kunststoffspritzen oder dreidimensionale Ultraschallgeräte«, gab er zu bedenken.
Vor einem Ausufern der Nutzenbewertung warnte dagegen der Hauptgeschäftsgeschäftsführer der Deutschen Kranken-hausgesellschaft, Georg Baum. »Es gibt Bestrebungen, alles jenseits von Arzneimitteln zu bewerten«, konstatierte er. »Wir brauchen einen Filter, was überhaupt bewertet werden soll. Das sollte nicht der Bestand sein.«
Während IGWiG-Chef Windeler für eine Nutzenbewertung bei Marktzugang eintrat, wünschte sich Schmitz-Rode Pilotvorhaben mit befristeten Vergütungszusagen der Kassen, um während des Projektes »solide Studien« machen zu können. Denn die Finanzierung klinischer Studien vor Markteintritt könnten sich kleine Firmen nicht leisten, erklärte Schmitz-Rode.
Die Industrievertreter verwahrten sich dagegen, dass medizintechnische Innovationen die Ausgaben im Gesundheitswesen per se erhöhen. Zwar senke nicht jede neue Therapie die Kosten, räumte Schmitz-Rode ein. Aber Medizintechnik sei kein Kostentreiber. Computertomografen und Magnetresonanztomografen seien zum Beispiel nicht teurer als vor zwanzig Jahren, obwohl heutige Geräte besser seien. »Ein sinnvoller Einsatz von Medizintechnik kann Kosten sparen«, sagte Schmitz-Rode. Eine gesundheitsökonomische Gesamtbetrachtung, die etwa gewonnene Arbeitstage einbezieht, könne dies belegen.
Mit steigenden Kosten für den Einsatz von Medizintechnik ist aber wohl zu rechnen. Sie entstünden durch die demografische Entwicklung, die zu mehr Anwendungen führe, sagte Lugan. /