Fructose möglicher Auslöser |
25.10.2016 15:36 Uhr |
Von Annette Mende / Immer mehr Menschen in Industrienationen leiden an Gicht. Das könnte unter anderem daran liegen, dass der Fructosekonsum seit Jahren gestiegen ist. Kanadische Forscher stellen mit einer aktuellen Metaanalyse diesen Zusammenhang her.
Gicht ist eine Stoffwechselerkrankung, die durch erhöhte Harnsäurewerte im Blut gekennzeichnet ist. Wird das Löslichkeitsprodukt der Harnsäure überschritten, bilden sich unter anderem in Gelenken Kristalle aus Natriumurat – der Patient erleidet einen akuten Gichtanfall. Die betroffenen Gelenke schmerzen sehr stark, sind gerötet, angeschwollen und überwärmt.
Zum Gichtanfall kommt es oft nachts im Großzehengrundgelenk, wenn nach purinhaltigem Essen die Füße kalt werden.
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AMP reichert sich an
Risikofaktoren für eine Gichterkrankung sind Übergewicht, ein hoher Alkoholkonsum und Fleisch- beziehungsweise Meeresfrüchte-reiches Essen. Diese Liste sollte um den Punkt »erhöhter Fructosekonsum« ergänzt werden, wie die Studie von Joseph Jamnik und Kollegen von der University of Toronto nahelegt. Im Fachjournal »BMJ Open« präsentieren die Forscher das Ergebnis ihrer Metaanalyse sowie eine Erklärung dafür, wie Fructose den Harnsäurespiegel steigen lässt (DOI: 10.1136/bmjopen- 2016-013191).
Das Monosaccharid Fructose wird im Körper phosphoryliert, wobei ATP verbraucht wird und AMP entsteht. Anders als etwa Glucose führt Fructose dadurch zu einer ATP-Depletion und einer Akkumulation von AMP. Überschüssiges AMP wird zunächst von der AMP-Desaminase zu Inosinmonophosphat (IMP) und dann weiter zu Harnsäure verstoffwechselt. Dadurch steigt der Harnsäurespiegel. Auch die durch Fructose ausgelöste vermehrte Insulinausschüttung und Insulinresistenz scheinen die Harnsäurekonzentration im Blut zu erhöhen, indem sie die Harnsäureausscheidung hemmen.
High-fructose corn syrup (HFCS), zu Deutsch Fructose-Glucose-Sirup, enthält große Mengen Fructose und wird in der Lebensmittelindustrie vor allem zum Süßen zuckerhaltiger Softdrinks verwendet. Sowohl Tierversuche als auch Untersuchungen mit menschlichen Probanden deuten darauf hin, dass diese Getränke den Harnsäurespiegel erhöhen. Die Ergebnisse waren jedoch uneinheitlich, was die Autoren zu ihrer aktuellen Metaanalyse bewog.
Bei ihrer systematischen Suche in den gängigen Datenbanken fanden sie lediglich zwei Studien von adäquater Qualität, die den Zusammenhang zwischen Fructoseverzehr und Gicht untersuchten. Beides waren prospektive Kohortenstudien mit überwiegend weißen Heilberuflern, zum einen 40- bis 75-jährige Männer in der Health Professionals Follow-up Study und zum anderen 30- bis 55-jährige Frauen in der Nurses’ Health Study. Insgesamt konnten die Forscher auf die Daten von 125 299 Personen zurückgreifen, die im Schnitt 17 Jahre lang begleitet worden waren. In dieser Zeit erkrankten 1533 von ihnen an Gicht.
Dosisabhängiger Effekt
Die Ernährungsgewohnheiten der Teilnehmer wurden im Studienzeitraum regelmäßig mittels Fragebögen erfasst. Abhängig vom Fructoseverzehr teilten die Forscher die Teilnehmer in fünf Gruppen ein. Diejenigen mit dem höchsten Fructosekonsum hatten dabei ein 62 Prozent höheres Gichtrisiko als diejenigen mit dem niedrigsten. Der Effekt war dosisabhängig.
Die beiden Studien unterschieden sich hinsichtlich dieses Ergebnisses nicht signifikant voneinander, was für einen tatsächlichen kausalen Zusammenhang spricht. Allerdings verlor die gepoolte Analyse der Daten ihre statistische Signifikanz, als die Forscher andere Risikofaktoren wie Alter, Gesamtenergiezufuhr, Body-Mass-Index und Alkoholkonsum mit einbezogen. Dies und die Tatsache, dass es sich in beiden Fällen um Beobachtungsstudien handelte, veranlasst die Autoren dazu, den Evidenzgrad ihres Ergebnisses als niedrig einzustufen.
Keine zuckersüßen Limos
Als einen Schwachpunkt ihrer Analyse sehen die Forscher zudem, dass in beiden Studien zwar die Gichtinzidenz erfasst wurde, aber nicht die Harnsäurewerte, sodass subklinische Hyperurikämien unbemerkt blieben. Sie fordern große prospektive Studien, um den Stellenwert der Fructose als Gichtauslöser zu bestimmen. Momentan lautet die Empfehlung auch in Deutschland, dass Gichtpatienten »Fructose-angereicherte Getränke«, also zuckerhaltige Limonaden, meiden sollen. Ob auch für Obst und Fruchtsäfte oder bestimmte Getreideprodukte Restriktionen sinnvoll sein könnten, solle in weiteren Studien geklärt werden, so die Wissenschaftler. /