»Wir werden unsere bisherige Geschäftspolitik weiterführen« |
26.10.2010 17:06 Uhr |
Von Daniel Rücker, Frankfurt am Main / Die Übernahme von Anzag ist fast abgeschlossen. Nur noch das Kartellamt könnte verhindern, dass der Großhändler demnächst zu Alliance Boots gehört. Doch damit rechnet niemand. Auch nicht der Vorstandsvorsitzende der Anzag, Dr. Thomas Trümper, der nach dem Eigentümerwechsel keine Änderungen in der Unternehmensstrategie erwartet.
PZ: Wenn das Kartellamt nichts dagegen hat, wird Alliance Boots demnächst 80 Prozent der Anzag-Anteile halten. Wie wird sich dies auf Ihr Geschäft auswirken?
Wir wollen den Apothekenmarkt nicht politisch
beeinflussen.
Trümper: Wir sehen die Mehrheits-Übernahme durch Alliance Boots als freundlich an. Seit 1997 ist das Unternehmen an der Anzag beteiligt. In meiner Funktion stehe auch ich seit 2003 im regelmäßigen Austausch. Es gibt deshalb keinen Zweifel da-ran, dass wir unsere bisherige Geschäftspolitik weiterführen. Natürlich gibt es im Markt Behauptungen, dass nach der Übernahme durch ein internationales Unternehmen, das in anderen Staaten Apothekenketten betreibt, sich unsere Geschäftspolitik ändern würde. Das stimmt aber nicht. Wir haben kein Interesse daran. Die Anzag ist selbst schon seit Jahren in Rumänien, Kroatien und Litauen aktiv. Dort gibt es Fremdbesitz und unsere Tochterfirmen sind dort selbst teilweise an Apothekenketten beteiligt. Wir müssen uns natürlich in jedem Land an die Gegebenheit des jeweiligen Marktes anpassen. Dennoch hatten und haben wir kein Interesse daran, den deutschen Apothekenmarkt zu verändern. Daran ändert sich nichts.
PZ: Eigentlich zielte die Frage weniger auf Apothekenketten, sondern auf Ihre Geschäftstätigkeit generell. Bislang hatten Sie mehrere Eigner, von denen die meisten gleichzeitig Ihre Wettbewerber waren. Nun haben Sie einen starken Hauptaktionär, der bislang nicht eigenständig im deutschen Markt aufgetreten ist. Muss das nicht zwangsläufig Ihr Marktverhalten beeinflussen?
Trümper: Alliance Boots begleitet uns nun schon seit einigen Jahren. Wie schon gesagt, wir tauschen uns seit Langem regelmäßig aus. Bislang habe ich in diesen Gesprächen nicht erkennen können, dass man von uns einen Kurswechsel erwartet. Richtig ist, dass wir mit einem Großaktionär statt mehrerer annähernd gleichberechtigter Teilhaber mehr Freiheiten im Markt haben werden.
PZ: Sie könnten jetzt auch aggressiver im Markt auftreten, weil Sie weniger Rücksicht auf Ihre Teilhaber legen müssen?
Trümper: Nein, so läuft der Markt nicht. Bei der Anzag als börsennotiertem Unternehmen hat auch bislang der Vorstand allein die Geschäfte geführt. Der Aufsichtsrat hat nach dem Aktienrecht keine Möglichkeit, auf das operative Geschäft einzuwirken. Im Gegenteil: Er hätte damit gegen geltendes Recht verstoßen. Wir haben uns auch in den vergangenen Jahren nicht in unserer Marktbearbeitung zurückgehalten, um unsere Anteilseigner zu schonen.
PZ: Sie erwarten also nicht, dass die Übernahme der Anzag den Markt in Deutschland verändert?
Trümper: Nein. Ich rechne auch nicht mit einem von dieser Übernahme getriebenen Konzentrationsprozess.
PZ: Sie haben in den vergangenen Jahren immer wieder die geringe Profitabilität des pharmazeutischen Großhandels beklagt. Ist Alliance-Boots denn mit Ihrer Rendite zufrieden?
Trümper: Alliance Boots hat ganz sicher keine unrealistischen Rendite-Erwartungen. Das Unternehmen ist zum Beispiel auch in den Niederlanden und Großbritannien aktiv. Dort sind die Märkte noch schwieriger als bei uns. Deshalb gibt es bei Alliance Boots einen großen Realitätssinn.
PZ: Welche Konsequenzen hat die Übernahme für die Vivesco-Apotheken? Werden diese, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen, näher an die Ausrichtung von Boots herangeführt?
Trümper: Nein, Vivesco wird sich nicht Boots annähern. Natürlich betreibt Alliance Boots in einigen Ländern Apothekenketten. Das Unternehmen betreibt dort aber auch Kooperationen, die ähnlich wie Vivesco funktionieren. Es denkt auch in diesen Ländern niemand darüber nach, Kooperationen inhabergeführter Apotheken in Ketten umzuwandeln. Es stimmt nicht, dass Konzerne grundsätzlich Apothekenketten wollen.
PZ: Es lässt sich aber nicht ignorieren, dass es im deutschen pharmazeutischen Großhandel durchaus Unternehmen gibt, die ihre Sympathie für Apothekenketten nicht verheimlichen.
Trümper: Das ist aber nicht generell so. Die meisten deutschen Großhändler – auch die großen – stehen zur selbstständigen Apotheke. Auch Alliance Boots unterstützt die inhabergeführte Apotheke, dort wo dies möglich ist. Auf der anderen Seite stellen sich Großhandlungen aber natürlich auch auf Märkte ein, in denen andere Rahmenbedingungen erlaubt sind.
PZ: Dennoch kann es die Apotheker nicht kalt lassen, wenn immer mehr pharmazeutische Großhandlungen, die in Deutschland die Unterstützung der inhabergeführten Apotheke bekunden, im Ausland Apothekenketten betreiben. Das strahlt doch auch in die Politik und in die Gesellschaft generell. Das macht es auch dem Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) schwerer, sich glaubwürdig für das deutsche Apothekensystem zu positionieren.
Trümper: Dieser Argumentation muss ich widersprechen. Es ist doch nicht die Aufgabe des Verbandes Phagro, sich politisch für die inhabergeführte Apotheke oder das Fremdbesitzverbot einzusetzen. Der Großhandel ist ein Dienstleister, der zwischen Apotheke und Industrie steht und die bestmögliche Versorgung ermöglicht. Wir wollen und können aber nicht den Apothekenmarkt politisch beeinflussen. Wir sind doch nicht diejenigen, die begründen müssen, warum sie für den selbstständigen Apotheker sind. Natürlich unterstützen wir diese Apotheken. Das bedeutet aber nicht, dass wir in dieser Richtung politisch aktiv sind. /