Keller fordert Absenkung des GKV-Rabatts |
22.09.2008 13:32 Uhr |
Keller fordert Absenkung des GKV-Rabatts
Die Eröffnung der Expopharm beherrschten die drei Themen, die auch den Apothekertag prägten: die Rabattverträge, das Versandhandelsverbot und das Vorlageverfahren am Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Fremdbesitz.
In seiner Rede griff der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands, Hermann S. Keller, aber auch die bereits laufenden Verhandlungen zum Apothekenabschlag auf. Deutliche Kritik äußerte er am Vorgehen des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH) gegen die Zielpreisvereinbarungen.
Seit April 2007 zahlen die Apotheker den Krankenkassen einen Rabatt von 2,30 Euro auf jede Arzneimittelverordnung zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Mittlerweile belastet dies die ökonomische Situation der Apotheken erheblich. Keller forderte deshalb eine deutliche Senkung des Abschlages. Das Niveau von 2007 und 2008 müsse ein »einmaliges Sonderopfer der Apotheker sein und bleiben«. Immerhin drückt der erhöhte GKV-Abschlag den Rohgewinn der Branche um rund 140 Millionen Euro pro Jahr. Der Abschlag müsse auch deshalb sinken, weil die Umsetzung der Rabattverträge den Apothekern erhebliche Mehrarbeit bescherte. Keller: »Diese jährlich reduzierte Vergütung bei kontinuierlicher Mehrbelastung ist so nicht mehr hinnehmbar. Ab 2009 muss ein deutlich reduzierter Abschlag gelten.«
In der vorletzten Woche fand laut Keller die erste Verhandlungsrunde zwischen dem DAV und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen über den für 2009 turnusmäßig neu festzusetzenden GKV-Rabatt statt. Dort habe der DAV seine Forderungen angemeldet. Für Anfang Oktober ist die nächste Runde terminiert. Sollte es über die Höhe des Abschlages keine Einigung zwischen Apothekern und Kassen geben, dann müsse die Schiedsstelle entscheiden.
Tatsächlich erschweren die Rabattverträge der Krankenkassen die Arbeit in den Apotheken erheblich. Anfang September sei die Zahl der Arzneimittel unter Rabattvertrag auf den Rekord von 26.000 gestiegen. Fast jedes zweite zugelassene Medikament sei damit rabattbegünstigt, sagte Keller. Zwar funktionieren die Vereinbarungen heute in vielen Fällen besser. Doch die Lernbereitschaft der Kassen ist leider begrenzt.
Keller bescheinigte den Kassen eine gewisse Lernfähigkeit nach dem mehr als holprigen Start im April 2007. In der Folgezeit hätten sie einige Änderungsvorschläge der Apothekerschaft aufgegriffen: »Wir haben erfreulicherweise feststellen können, dass unsere Forderungen nach mindestens drei potenten Herstellern je Wirkstoff, nach mehr Flexibilität in der Akutversorgung am Wochenende und bei pharmazeutischen Bedenken anerkannt wurden.« Doch am 1. März 2009 sollen die neuen Rabattverträge der AOK starten. Hier wird es laut Keller für jeden Wirkstoff und in jedem der fünf Gebietslose nur einen Hersteller je Wirkstoff geben. Der DAV-Chef findet dies inakzeptabel: »Die AOK verabschiedet sich so davon, dem Apotheker und den Patienten die Lieferfähigkeit des Rabattarzneimittels und die patientenindividuelle Auswahl zu garantieren.« Die AOK-Ausschreibung erfülle nicht die von den Apothekern aufgestellten Kriterien, dass sie weder Marktverzerrungen erzeugen noch Patienten beeinträchtigen dürfe und praktikabel sein müsse. Ein Minimum von drei Anbietern pro Wirkstoff sei zwingend notwendig. Die Apotheker würden das sich abzeichnende Chaos im März 2009 nicht mittragen.
Deutliche Kritik übte Keller auch am BAH-Gutachten zu Zielpreisen. Danach sei die von den Apothekern entwickelte Alternative zu den Rabattverträgen angeblich nicht rechtskonform. Dies sei ein Angriff auf die Apotheker. Tatsächlich gehe es dem Verband jedoch lediglich um einen Vorwand, eine unliebsame Verbesserung zu blockieren. Dabei habe es die Industrie bislang versäumt, eigene Vorschläge zu entwickeln. Für Keller steht fest: »So geht man nicht mit Partnern um.«
Der DAV-Chef ging auch auf die Initiative einiger Bundesländer zur Rückführung des Versandhandels auf das europarechtlich mögliche Maß ein. Das Verbot des Versandes von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sei dringend notwendig, um Arzneimittelabholstellen in Drogeriemärkten oder Supermärkten zu verhindern, stellte er fest. Keller: »Mit der heute möglichen Rosinenpickerei ausländischer Versandhändler, die Beratung zum Teil nur tagsüber, zum Teil auch gar nicht erbringen und Pick-up-Stellen, in denen Kostendrückerei auf die Spitze getrieben und die Gesundheit verramscht wird, muss endlich Schluss sein.« Er appellierte an die Bundesländer und die Abgeordneten, das Verbot zu unterstützen.
Eine klare Absage erteilte der DAV-Chef dem Fremdbesitz und dem damit verbundenen Einstieg von Konzernen in die Arzneimittelversorgung. Diesen gehe es allein um maximalen Gewinn und nicht um die Versorgung der Patienten. Allerdings sieht er gute Chancen dafür, dass es so weit nicht kommt. Die Verhandlung am EuGH Anfang September habe deutlich gemacht, dass viele Länder ein Fremdbesitzverbot unterstützen. Es sei deshalb keinesfalls sicher, dass der EuGH gegen die deutsche Regelung entscheide.
Zufrieden zeigte sich Keller mit der Resonanz auf die Expopharm. Die größte pharmazeutische Fachmesse Europas kann mit mehr als 500 Ausstellern und rund 24.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche gleich zwei neue Rekorde präsentieren. Unter den Ausstellern waren 62 ausländische Unternehmen. Die meisten davon kamen aus Europa. Aber auch China, Taiwan, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate waren vertreten.
Die neue Rabattrunde, die die AOK europaweit für 64 Arzneistoffe eingeläutet hat, wird nach Meinung vieler Experten ein neues Chaos bringen. Pro Regionallos soll es nur einen Gewinner geben. Weder Arzt, noch Apotheker und schon gar nicht der AOK-Patient werden zukünftig bei Arzneimitteln eine Wahl haben. Lieferschwierigkeiten und Chaos sind vorprogrammiert. Es wird zu Marktverzerrung, Monopolbildung und zur Ausbootung mittelständischer Unternehmer kommen. Das kann eigentlich nicht im Sinne der Kartellamtes sein. Ein solches Verfahren muss als verantwortungslos, nicht partnerschaftlich und patientenfeindlich bezeichnet werden.
Professor Dr. Hartmut Morck
Chefredakteur