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JAK-Hemmer

Die Multizytokin- Inhibitoren

19.09.2017  15:53 Uhr

Von Sven Siebenand, Stuttgart / In diesem Jahr kamen mit Baricitinib und Tofacitinib hierzulande die ersten Januskinase (JAK)-Hemmer für die Indikation rheumatoide Arthritis (RA) auf den Markt. Auf einem Symposium beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie in Stuttgart beleuchteten Experten Wirkprinzip, Studiendaten und Einsatzgebiete der neuen Wirkstoffklasse.

Professor Dr. Georg Pongratz vom Universitätsklinikum Düsseldorf erklärte zunächst das Wirkprinzip der JAK-Hemmer. »Zytokine tauschen über Rezep­toren Informationen zwischen Zellen aus«, so der Mediziner auf dem vom Baricitinib-Hersteller Lilly ausgerichteten Symposium. Der sogenannte JAK-STAT-Signalweg (Abbildung) spiele hier eine wichtige Rolle.

 

Diese Signalkette läuft folgendermaßen ab: Bindet im Extrazellulärraum ein Signalmolekül an den Zytokinrezeptor, kommt es zur Rezeptor-Dimerisierung. Hierdurch rücken die an den Rezeptor gebundenen JAK näher zusammen. Infolge der Rezeptor-Dimerisierung können sie sich gegenseitig aktivieren sowie Tyrosinreste im zytoplasmatischen Teil des Rezeptors phosphorylieren. Dies bewirkt, dass dort Bindungsstellen für ein Protein der STAT-Familie (Signal Transducers and Activators of Transcription) entstehen.

 

Das STAT-Protein wird durch die ­aktivierten JAK ebenfalls phosphoryliert, wodurch es seine Konformation ändert. Daraufhin bindet ein zweites STAT-Protein an die JAK und bildet mit dem ersten ein Dimer, das dann ab­dissoziieren und in den Zellkern wandern kann, wo es die Transkription von Zielgenen aktiviert. JAK-Inhibitoren konkurrieren mit ATP um die Bindung an die JAK und besetzen diese temporär und reversibel. Strukturell sind sie ATP ähnlich.

 

Breite Wirkung

 

Zusammenfassend betrachtet, zielen die JAK-Hemmer damit auf eine Blockade des JAK-STAT-Signalwegs ab. »Im Gegensatz zu den meisten Biologika, die ein einziges Zytokin extrazellulär binden und damit nur ein spezifisches Signal unterbrechen, unterbinden JAK-Inhibitoren die Signalwirkung gleich mehrerer Zytokine, die für die Pathophysiologie der RA von Bedeutung sind«, so Pongratz. Er sprach von einer Multizytokin-Inhibition durch die JAK-Inhibitoren.

 

Baricitinib (Olumiant®) und Tofacit­inib (Xeljanz®) sind angezeigt zur ­Behandlung von mittelschwerer bis schwerer aktiver rheumatoider Arthritis bei erwachsenen Patienten, die auf eine vorangegangene Behandlung mit einem oder mehreren krankheitsmodifizierenden Antirheumatika unzureichend angesprochen oder diese nicht vertragen haben. Die Präparate können als Monotherapie oder in Kombination mit Methotrexat (MTX) eingesetzt werden.

»Die Studienergebnisse belegen ­einen schnellen Wirkeintritt und eine lang anhaltende Wirksamkeit von ­Baricitinib für mindestens zwei Jahre«, berichtete Professor Dr. Eugen Feist von der Berliner Charité. Besonders hob Feist die RA-BEAM-Studie mit gut 1300 RA-Patienten hervor, bei denen es trotz einer MTX-Behandlung zum Fortschreiten der Erkrankung gekommen war. In der Studie bekamen die Patienten weiterhin MTX und zusätzlich entweder einmal täglich 4 mg Baricitinib oder zweimal wöchentlich 40 mg Adalimumab oder Placebo. Als primärer Endpunkt war die ACR20 in Woche 12 definiert: Sie beschreibt eine Verbesserung der Gelenkbeschwerden um 20 Prozent nach den Kriterien des American College of Rheumatology.

 

Dieses Ziel erreichten in der Baricit­inib-Gruppe mit 70 Prozent signifikant mehr Patienten als in der Placebo­gruppe mit 40 Prozent. In der Adalimumab-Gruppe war dies bei 61 Prozent der Fall. Vergleichbare Ergebnisse wurden in dem sekundären Endpunkt DAS28 gefunden, der die Krankheitsaktivität in 28 Gelenken bewertet. Vorteile im Vergleich zu Adalimumab konnte Baricitinib laut Feist auch hinsichtlich der Schmerzreduktion zeigen. »Aufgrund der guten Wirksamkeit und des einfachen Einnahmeschemas – einmal täglich oral – stellt Baricitinib eine wert­volle Ergänzung in der Therapie der RA dar«, bilanzierte er. Als günstig hob der Mediziner auch die gute Steuerbarkeit der Therapie hervor. Baricitinib könne man, falls erforderlich, rasch absetzen, aber auch schnell mit gutem Ansprechen der klinischen Symptome wieder etablieren. Der Referent betonte aber auch, dass es in den nächsten Jahren gelte, die neue Klasse der JAK-Hemmer weiter genau zu beobachten und noch offene Fragen zu beantworten.

 

Offene Fragen

Eine davon ist etwa, ob es Unterschiede in Wirkspektrum und/oder Sicherheitsprofil zwischen den JAK-Inhibitoren gibt. Auch sei zu beantworten, wann man diese Wirkstoffklasse am besten einsetzt wird – vor oder nach Biologika. Last but not least erinnerte Feist daran, dass die Inzidenz von ­Herpes-zoster-Infektionen unter JAK-Hemmern steigt und dass bisher nicht beantwortet werden kann, ob angesichts weniger Fälle unter JAK-Hemmern das Risiko für tiefe Beinvenenthrombosen erhöht ist. Gut möglich, dass das ­erhöhte Thrombose-Risiko auch Effekt der Grunderkrankung ist, so Feist. Dennoch habe die Europäische Arzneimittelagentur weitere Daten ­angefordert, die dies klären sollen.

 

Abschließend informierte Feist, dass weitere JAK-Hemmer in der klinischen Entwicklung weit vorangeschritten sind. Es sei zu erwarten, dass Ärzten in einigen Jahren mehrere Wirkstoffe dieser Gruppe zur Verfügung stehen werden. Auch Feists Kollege an der Berliner Charité, Professor Dr. Frank Buttgereit, unterstrich die zunehmende Bedeutung dieser Substanzklasse in den kommenden Jahren. Er wies darauf hin, dass die überzeugenden Daten der JAK-Inhibitoren auch dazu geführt ­haben, dass die europäische Rheuma­liga EULAR sie mittlerweile als mög­liche Alternative zu Biologika in der RA-Therapie empfiehlt. /

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