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Terroranschläge

Gesundheitliche Folgen von 9/11

06.09.2011  17:08 Uhr

Von Annette Mende / In diesen Tagen jähren sich die Terror­anschläge auf das World Trade Center zum zehnten Mal. Das britische Fachjournal »Lancet« nahm das zum Anlass, eine ganze Ausgabe den gesundheitlichen Folgen von »9/11« zu widmen.

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York waren mehr als 50 000 Menschen an den Aufräum­arbeiten auf Ground Zero beteiligt. Schreckliche, traumatisierende Eindrücke, körperliche Arbeit bis zur totalen Erschöpfung und die Belastung der Atemluft durch die enorme Staubwolke der eingestürzten Wolkenkratzer waren Risikofaktoren für künftige Schäden ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit. Zehn Jahre danach sind diese in zahlreichen Studien untersucht worden. Ein Review in der aktuellen »Lancet«-Ausgabe fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen (doi: 10.1016/S0140-6736(11)60967-7).

 

Husten und Belastungsstörung

 

Vielfach belegt ist, dass Erkrankungen der oberen Atemwege und Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) bei den Rettungskräften nach 9/11 stark zunahmen. Der Staub des World Trade Center (WTC) war mit einem pH von bis zu 11 stark alkalisch und enthielt viele potenziell gesundheitsschädliche Stoffe, darunter Glasfasern, Weißasbest, Dioxine und andere chlorierte organische Verbindungen, Blei, Aluminium und Antimon.

 

Unmittelbar nach ihrem Einsatz litten viele Feuerwehrleute daher an »WTC-Husten«, Halsschmerzen und Rhinosinusitis. Später verlagerten sich die Probleme teilweise auf die unteren Atemwege: Atemnot und pfeifende Atemgeräusche wurden häufiger. Drei Monate nach dem Unglück zeigte eine Spirometrie von mehr als 12 000 beteiligten Einsatzkräften einen deutlichen Verlust der Lungenfunktion. Das forcierte Ausatemvolumen (FEV1) war um durchschnittlich 372 ml gesunken, so viel wie ein Mensch bei normalem Alterungsprozess innerhalb von zwölf Jahren verliert. Im Verlauf des Folgejahres stabilisierte sich die Lungenfunktion der Feuerwehrleute wieder und sie hatten FEV1-Werte, die zwar unter denen lagen, die sie selbst vor der Katastrophe erreicht hatten, aber innerhalb des Normbereichs.

Mit den psychischen Folgen der Terroranschläge haben sich bis heute mehr als 150 Studien befasst. Es erstaunt nicht, dass viele Einsatzkräfte, Bewohner von Manhattan und Passanten, die am 11. September zufällig am Unglücks­ort waren, später an einer PTBS erkrankten. Fünf bis sechs Jahre nach dem Ereignis litt fast jeder Fünfte von ihnen an einer PTBS (19 Prozent). Auch die Häufigkeit anderer psychischer Erkrankungen wie Depressionen und Alkohol-Abusus war laut dem zitierten »Lancet«-Review bei den unmittelbar Betroffenen nach 2001 erhöht, wenn auch nicht im selben Maße.

 

Krebsrisiko leicht erhöht

 

Viele der Stoffe, die durch den Einsturz und den Brand der Zwillingstürme freigesetzt wurden, wirken bekanntermaßen oder wahrscheinlich karzinogen. Ob die damalige Exposition dieser Substanzen zehn Jahre später tatsächlich zu einem Anstieg der Krebs-Neuerkrankungen geführt hat, untersuchte ein Team um David J Prezant, leitender Arzt der New Yorker Feuerwehr (doi: 10.1016/S0140-6736(11)60989-6).

 

In einer Beobachtungsstudie verglichen die Forscher die Krebsraten von knapp 9000 Feuerwehrleuten, die dem Staub auf Ground Zero ausgesetzt waren, mit denen von etwa 900 derer Kollegen, die nicht am WTC im Einsatz waren, und denen der Gesamtbevölkerungsstatistik. In den ersten sieben Jahren nach 2001 war die Krebsinzidenz bei den Staub-exponierten Feuerwehrleuten um 10 Prozent höher als in der Allgemeinbevölkerung. Sie erkrankten unter anderem häufiger an Magen-, Darm-, Prostata-, Schilddrüsen-, Blasen-, Nieren- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Gegenüber den nicht exponierten Kollegen hatten die Einsatzkräfte vom WTC sogar ein um 32 Prozent erhöhtes Krebsrisiko.

 

Neben der direkten karzinogenen Wirkung einiger Bestandteile des WTC-Staubes kommen aus Sicht der Autoren auch chronische Entzündungen als Erklärung für die erhöhte Krebsinzidenz infrage, die bei den Einsatzkräften gehäuft auftreten könnten. Eine weitere Beobachtung der Studien­kohorte halten sie daher für erforderlich, auch um noch bessere Aussagen zur Krebshäufigkeit machen zu können. Mit nur sieben Jahren sei der Beobachtungszeitraum ihrer Studie für eine Untersuchung zu diesem Thema sehr kurz gewesen.

 

Weltweite Auswirkungen

 

In einem Editorial zur aktuellen Ausgabe bezeichnet die »Lancet«-Redaktion die Anschläge vom 11. September 2001 als »lokales Ereignis mit globalen Folgen«. Bei der Bewertung der gesundheitlichen Folgen müsse man daher auch die Auswirkungen der aufgrund der Terrorbedrohung geänderten Politik der US-Regierung berücksichtigen. Zu den Opfern der Attentate seien somit nicht nur die Einsatzkräfte von Ground Zero zu rechnen, sondern auch Tausende Soldaten und Zivilisten, die in den Kriegen in Afghanistan und Irak traumatisiert und verletzt wurden oder gar ihr Leben verloren. / 

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